„Was die Dunkelheit verbirgt, bringt der Horror ans Licht“: Die Ankündigung auf der Verpackung von 'Shivers', einem Klassiker aus dem Hause Sierra, klingt ja schon mal verheißungsvoll. Auch die Handlung verspricht einiges an Spannung. Wir haben den Klassiker für Euch genauer unter die Lupe genommen. Basis für den Test war eine deutlich längere Review, die ich vor zehn Jahren fürs Adventurearchiv verfasst hatte.

Fang’ den Geist!
Die Handlung von 'Shivers' klingt auf den ersten Blick unspektakulär: Man schlüpft in die Haut eines Teenagers (den Namen für die Spielfigur gibt man zu Beginn selbst ein, sodass die Figur sowohl männlich als auch weiblich sein kann), der von vier Freunden über Nacht im Professor Windlenots Museum des Schreckens und des Ungewöhnlichen eingesperrt wird. Dass vor 15 Jahren zwei Teenager in diesem Museum spurlos verschwunden sind und auch vom Erbauer jede Spur fehlt, macht die Angelegenheit nicht unbedingt angenehmer. Es geht nun darum, die Nacht unbeschadet zu überstehen – eine typische Mutprobe eben. Ist man aber erst einmal ins Museum gelangt, stellt man rasch fest: Hier stimmt etwas ganz und gar nicht.
Schnell wird auch klar, was es mit dem Museum auf sich hat: Die Ixupi, bösartige Dämonen, die dereinst das Volk der Zapana gequält haben, streifen durch das Museum und saugen jedem die Lebensenergie aus, der so vermessen ist, sich ihnen zu nähern. Wie es dazu gekommen ist, wird natürlich erklärt. Allzu viel sei an dieser Stelle jedoch nicht verraten, nur so viel: Zornige Götter können sowas von fies sein. Durch Umstände, die wie gesagt erläutert werden, dürfen wir uns mit den entwischten Dämonen herumschlagen. Die Nebenhandlungen bestehen darin, das Rätsel um die beiden verschwundenen Teenager sowie um Windlenots Verbleib zu lösen.
Wir leben in der Vergangenheit
Was auf den ersten Blick wie eine simpel gestrickte Story klingt, hat vor allem in der ersten Spielhälfte durchaus Tiefgang, denn Dokumente, Bücher und Hinterlassenschaften der Verschwundenen sorgen dafür, dass sich ein immer klareres Bild der Vergangenheit und der betroffenen Personen herauskristallisiert. Die Handlung lebt im Wesentlichen von dem, was vor unserem Eintreffen passiert ist, und das funktioniert richtig gut. Denn obwohl z.B. der Professor verschwunden ist, bekommt man nach und nach einen Eindruck von seiner Persönlichkeit, die sich in Briefen, Tagebüchern, Zeitungsartikeln widerspiegelt. Leider kann das Spiel dieses anfangs gute erzählerische Niveau nicht durchwegs halten. Etwa ab der Hälfte stellt sich in Sachen Story zeitweise eine gewisse Langeweile ein, was hauptsächlich daran liegt, dass man unglaublich viel Zeit damit verbringt, von A nach B über C wieder nach D zu rennen. Spannend bleibt das Spiel dennoch bis zum Schluss.
Charmante Optik
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Optisch bietet das Spiel sehr viel Abwechslung. |
Die Optik von 'Shivers' mag heutzutage veraltet erscheinen, hat aber noch immer einen ganz eigenen Charme. Wir bewegen uns in First-Person-Sicht durch detailliert und aufwändig gestaltete, vorgerenderte Hintergründe, durch die man sich von Bild zu Bild weiterklickt. Jeder Raum hat seinen ganz eigenen Stil, seine eigene Atmosphäre, und überall gibt es etwas zu entdecken. Da hätten wir einen Schamanenraum, ein Planetarium, eine altmodische Bibliothek, eine Ausstellung seltsamer Kreaturen und Pflanzen, einen knallbunten Rätselraum, eine opulente Eingangshalle, eine düstere Folterkammer, ein Theater – das Museum ist trotz seiner bedrohlichen Bewohner eine wahre Augenweide, liebevoll und detailreich gestaltet, und auch der großzügige Außenbereich, in dem man zu Beginn herumstreunt, würde zum Verweilen einladen, gäbe es da nicht ein paar Aufgaben zu erfüllen.
Die Einsamkeit im Museum bedingt natürlich auch, dass man kaum Kontakt zu anderen Personen hat. Ich sage kaum, denn zu Beginn darf man sich die höhnischen Kommentare der Freunde anhören, die einen eingesperrt haben. Diese werden, ebenso wie der ein oder andere Geist, von realen Schauspielern dargestellt.
Die Darstellung der Ixupi hebt sich von der insgesamt gelungenen Grafik leider negativ ab. Die Dämonen wirken nämlich eher comichaft, passen überhaupt nicht zum Rest der Optik und sind obendrein alles andere als Furcht einflößend. Dass sie beim Einfangen posieren, als wären sie drittklassige Hair Metal-Sänger, macht’s auch nicht besser.
Bedrohliche Geräusche
Mir ist selten ein Spiel untergekommen, dessen Musik die Atmosphäre so treffend unterstreicht wie in 'Shivers'. Das Museum selbst mag auf den ersten Blick nur ein kurioser Ort sein, doch die Musik sorgt für eine herrlich gruselige Stimmung. Stellenweise, etwa, wenn man sich gerade in einem Fahrstuhl befindet, wechselt die Musik zu einer Art Easy Listening, sodass man kurz verschnaufen kann – nur um dann wieder von bedrohlich anschwellenden Tönen in Angst und Schrecken versetzt zu werden. Dazu gibt es immer wieder Geräusche, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Hier wurde der ganze Fundus an atmosphärischem Sound ausgeschöpft, und das macht das Spiel wirklich zu einem Erlebnis. Die Geräuschkulisse erstreckt sich übrigens auch auf die Ixupi: Nähert man sich dem Versteck eines Ixupi, hört man meist ein charakteristisches Geräusch, z.B. ein leises Rascheln, Klirren oder Schaben. Diese Geräusche sind extrem hilfreich, da man durch sie die Gefahr minimieren kann, einem Ixupi in die Fänge zu geraten.
Gut gelungen, wenn auch nur selten zu hören, ist die englische Sprachausgabe, die mit deutschen Untertiteln versehen wurde. Tonbandaufnahmen oder Erklärungen zu Ausstellungsstücken werden in meiner Version (ich besitze noch eine Original-Box aus dem Jahre 1995) kurioserweise in deutscher Sprache abgespielt. Das ist zwar anfangs etwas verwirrend, man gewöhnt sich aber relativ rasch daran. Die aktuell bei GoG verfügbare Version kommt mit einer rein englischen Lokalisation daher.
Ein Klick hier, ein Klick dort… - die Steuerung
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Der kleine goldene Pfeil ist sowas wie unser bester Freund. |
Gesteuert wird 'Shivers' ausschließlich mit der Maus; der Cursor nimmt dabei unterschiedliche Formen eines Pfeils an –nach links, nach rechts, nach unten, nach oben, geradeaus zeigend oder in sich gedreht. Dabei dienen diese Pfeile lediglich der Fortbewegung – der Mauszeiger ändert sich nicht, wenn man damit über ein Objekt fährt. Man muss sämtliche Hotspots also gänzlich ohne Hilfe finden. Manche sind dabei sehr gut versteckt; dadurch, dass man sich nur von Bild zu Bild bewegen und dabei auch schon mal einen falschen Klick setzen kann, kommt es öfter vor, dass man einen Hotspot übersieht.
Gespeichert und geladen wird über die Leiste am unteren Bildschirmrand. Diese fungiert einerseits als Inventar, andererseits als Anzeige der Lebensenergie. Ganz rechts finden wir hier zwei Knöpfe. Ein Klick auf den oberen öffnet das Hauptmenü, wo man speichern, laden, die Optionen und Einstellungen verändern oder das Spiel verlassen kann. Außerdem kann man hier auf Flashbacks zurückgreifen, die im Lauf des Spiels freigeschaltet werden – ein sehr nützliches Feature, auf das ich noch zurückkommen werde. Zum Speichern stehen insgesamt 20 Slots zur Verfügung. Das klingt nach viel, ein paar mehr hätten es aber schon sein dürfen. Gerade in einem Horror- bzw. Gruselspiel speichere ich persönlich gerne und oft, wenn möglich, ohne bestehende Speicherstände zu überschreiben.
Der zweite, etwas größere Knopf an der Leiste dient dazu, einen Gegenstand im Inventar genauer unter die Lupe zu nehmen und hat folglich auch ein blinzelndes Auge eingraviert.
Wir sammeln hübsche alte Töpfe und bannen Dämonen
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Ein Gefäß wartet auf seinen Einsatz. |
Ein Inventar im klassischen Sinn gibt es in 'Shivers' nicht. Anders als in anderen Adventures sammelt man hier nicht alles ein, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Nur die Gefäße und Talismane sind von Bedeutung. Und auch die können nicht samt und sonders eingesteckt werden: Man kann immer nur ein Gefäß oder einen Talisman bei sich tragen, was einerseits längere Laufwege bedeutet, andererseits dem Spieler einiges an Orientierungssinn abverlangt, da man sich merken muss, wo die einzelnen Gefäße/Talismane gefunden wurden. Hier sind Notizen extrem hilfreich; ansonsten sucht man jeden Raum zigmal ab. Außerdem sollte man sich die Gefäße mit Hilfe des „Auges“ auf der Inventarleiste genau anschauen, um herauszufinden, zu welchem Ixupi das jeweilige Gefäß gehört.
Findet man ein Gefäß/einen Talisman, das/der zu dem Objekt passt, das man bereits im Inventar hat, werden die beiden Teile automatisch kombiniert. Hat man beispielsweise bereits einen Talisman im Inventar und findet das dazugehörige Gefäß, erfolgt die Kombination von selbst. Das Ergebnis ist ein einsatzbereites Gefäß, mit dem man einen Ixupi einfangen kann.
Ist auch das erledigt, wandert das Gefäß mit dem eingesperrten Dämon in einen Slot auf der Inventarleiste, die zugleich unsere Lebensenergie widerspiegelt. Dabei gilt: je mehr Grün, umso besser. Denn begegnet man einem Ixupi, ohne das zu ihm gehörige Gefäß bei sich zu haben, verliert man Lebensenergie. Das lässt sich allerdings problemlos wieder ausgleichen, indem man den Dämon fängt, der so dreist war und sich an unserer Lebensenergie bedient hat.
Schafft man das nicht oder wagt man sich einmal zu oft an einen Dämon oder versucht man, einen Ixupi mit dem falschen Gefäß zu fangen, kann es schon mal zum Game Over kommen. Dann werden die Gefäße und Talismane im Museum neu verteilt, sodass man wieder von vorne beginnen darf. Dasselbe passiert, wenn man versucht, einen Ixupi mit dem falschen Gefäß zu fangen: Der Dämon verteilt dann Gefäß und Talisman neu. Es ist daher ratsam, möglichst oft zu speichern und notfalls ältere Spielstände zu überschreiben. Übrigens ist auch ein Zufallsgenerator am Werk, wenn man das Spiel komplett neu startet: An Orten, wo beim letzten Mal noch kein Gefäß war, könnte jetzt eines sein und umgekehrt.
Knifflige Rätsel lassen die grauen Zellen glühen
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Rätsel wie dieses lassen die grauen Zellen rauchen. |
Die kniffligen Rätsel sind definitiv das Highlight und neben der gruseligen Atmosphäre die Stärke des Spiels. Da gilt es, Fahrzüge in Gang zu bringen, indem man Symbole richtig anordnet - eine Aufgabe, die einem im Lauf des Spiels immer wieder begegnet. Man kann sie umgehen, sobald man ein paar Abkürzungen und Geheimgänge gefunden hat. Dokumente, Plaketten, Bücher und Gegenstände bergen subtile Hinweise zur Lösung der einzelnen Rätsel. Oft genug wird man aber völlig allein gelassen und muss alles an Hirnschmalz einsetzen, was einem zur Verfügung steht. Gleich zu Beginn steht man vor der Schwierigkeit, ins Museum zu gelangen; dazu müssen Symbole richtig geordnet und Zahnräder platziert werden.
Im Museum wird es dann so richtig knifflig: Wir dürfen mechanische Rätsel lösen, eine Barke in Bewegung setzen, Labyrinthe durchqueren, Klangrätsel lösen, Hieroglyphen richtig anordnen, uns mit einem phönizischen Puzzle plagen, ein chinesisches Ball-Rätsel bewältigen, an Folterinstrumenten herumspielen, eine Art Flipper-Rätsel überwinden, es gibt Schiebepuzzle, man muss Türen mit Hilfe komplizierter Mechanismen öffnen, versperrte Schubladen knacken – für Abwechslung ist also gesorgt. Viele Rätsel unterliegen dabei einem Zufallsgenerator. So variiert die Anordnung der Symbole, mit deren Hilfe man den Aufzug bedienen kann, und auch beim phönizischen Puzzle ist ein Zufallsgenerator am Werk. Die Rätsel sind dabei allesamt sehr logisch aufgebaut und mit viel Geduld und Überlegung durchaus zu lösen. Ich gebe aber unumwunden zu, dass ich oft nicht weiterwusste und an mehr als einer Stelle kurz nachschauen musste, was denn nun zu tun ist.
Die meisten Aufgaben können in beliebiger Reihenfolge gelöst werden; das Spiel ist absolut nicht-linear. Dabei ist man weitgehend auf sich selbst gestellt und sollte jeden noch so kleinen Hinweis notieren. In vielen Fällen stehen die bereits erwähnten Rückblenden zur Verfügung, die durch das Auffinden bestimmter Objekte freigeschaltet und übers Optionsmenü aufgerufen werden können.
Manche Rätsel hängen übrigens auch zusammen. So kann man z.B. eine Spieluhr nur dann in Gang bringen, wenn man zuvor an anderer Stelle den passenden Hinweis gefunden hat, und eine bestimmte Tür lässt sich erst öffnen, wenn man vorher verschiedene Aktionen durchgeführt hat. Um sich besser orientieren zu können, findet man im Lauf des Spiels eine Karte des Museums, die man zwar nicht mitnehmen kann. Über den Menüpunkt „Erinnerungen“ ist die Karte aber jederzeit abrufbar. Irgendwann kennt man sich allerdings ohnehin so gut im Museum aus, dass man den Weg von A nach B wie im Schlaf findet.
Verfügbarkeit und Kompatibilität
Wer noch über eine Box-Version des Spiels verfügt, kann sein Glück mit dem Kompatibilitätsmodus probieren oder, falls vorhanden, auf einem älteren PC spielen. Auf neueren Rechnern ist die Box-Version mit ScummVM spielbar. Noch stressfreier ist es, die bereits fix und fertig konfigurierte, an moderne Rechner angepasste Version des Spieles bei GoG zu erwerben. Dort ist das Spiel derzeit allerdings nur auf Englisch verfügbar.
'Shivers' macht richtig Spaß, auch wenn es eines der schwierigsten Spiele ist, die mir je untergekommen sind. Für Adventure-Anfänger ist es weniger geeignet, und selbst gestandene Profis dürften das eine oder andere Mal ins Schwitzen kommen. Dadurch, dass in vielen Fällen ein Zufallsgenerator am Werk ist, erhöht sich der Wiederspielwert enorm, zumindest, was die Rätsel angeht. Die vor allem zu Beginn gruselige Atmosphäre, erzeugt durch Grafik und vor allem Geräuschkulisse, jagt einem schon mal den einen oder anderen Schauer über den Rücken. Die spannende Handlung krankt ab etwa der Hälfte an langen Laufwegen und teilweise auch an Rätseln, die sehr langwierig und mühsam zu lösen sind. Dadurch und durch die ungewöhnliche Handhabung des Inventars wird die Spielzeit enorm verlängert, denn seien wir mal ehrlich: Dürfte man alle Gefäße und Talismane ins Inventar packen, hätte man die Ixupi im Handumdrehen eingefangen. So aber verbringt man gut und gerne 20 bis 25 Stunden damit, durch Windlenots Museum zu streifen. Insgesamt weiß das Spiel auch nach 24 Jahren mühelos zu überzeugen.
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Shivers
- Entwickler
- Sierra
- Publisher
- Sierra
- Release
- 30. Juli 1995
- Spielzeit
- 20-25 Stunden
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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