Im Jahre 1995 erschien 'Ripley's Believe It or Not! The Riddle of Master Lu' - Zu Deutsch nur kurz 'Das Rätsel des Master Lu'. Ein Adventure, das mit seinem Helden und Setting an die erfolgreichen 'Indiana Jones'-Titel von LucasArts erinnert. Das kommt nicht von ungefähr, denn Ripley diente George Lucas und Steven Spielberg als Inspiration für ihren Archäologen. Und nun sollten die 'Indy'-Adventures die Vorlage bilden. Auch hier geht es auf eine Reise rund um die Welt und in unterschiedlichste antike Tempelanlagen. Selbst die Nazis sind mit von der Partie, denn die Geschichte spielt im Jahre 1936. Ob der Adventure-Held Robert Ripley es mit Henry Jones Jr. aufnehmen kann - oder zumindest das Adventure ebenbürtig ist? Dieser Frage gehen wir in unserem Klassikertest nach...,
Rund um die Welt mit Ripley
Im New York des Jahres 1936 stellt der Abenteurer Robert Ripley in seinem Odditorium Kuriositäten aus aller Welt aus. Der anfängliche Erfolg schwindet zusehends und den Besuchern dürstet es nach neuen unbekannten Ausstellungsstücken. Robert Ripley selbst hat auch nicht viel Spaß an seiner Galerie, reist er doch lieber durch ferne Länder und sucht das große Abenteuer. Unlängst war er in Ägypten, wo er einigen zwielichtigen Gestalten in die Quere gekommen ist, sich aber in letzter Sekunde retten konnte.
Zurück in New York findet er seinen Museumsdirektor Feng Li in einer misslichen Lage wieder: Die Königskobra - Ein Ausstellungsstück - wurde befreit und bedroht nun Ripleys Angestellten. Nachdem diese Situation schnell bereinigt wird, erfährt Robert, wer hinter der Sache steckt: Zwei Chinesen haben sich Zugang zum Odditorium verschafft. Es handelt sich um die selben Gangster, die schon in Ägypten für Ärger gesorgt hatten. Und sie waren hinter Ripleys Aufzeichnungen über das Grab des Qin Shihuangdis her - Ripley wird hellhörig, schließlich handelt es sich dabei um sein aktuellstes Forschungsprojekt.
Qin Shihuangdis war der erste chinesische Kaiser und beschäftigte einen Gelehrten namens Master Lu. Dieser bereiste im Auftrag seines Kaisers die Welt, versteckte überall Hinweise auf das Grab des Kaisers und suchte gleichzeitig nach der Formel für das Elixier des Lebens - ein Unsterblichkeitsserum. Die Formel sowie ein gewaltiger Edelstein, mit dem man die Macht über ganze Völker an sich reißen kann, soll Qin Shihuangdis mit ins Grab genommen haben - und danach suchen die beiden Chinesen. Auch Ripley macht sich nun auf die Suche und reist zum Teil mit seiner Freundin Mei Chen durch die Welt über Peking und Danzig, den Himalaya bis zu den Osterinseln - Um nur ein paar von Ripleys Zielen zu nennen.
An nahezu jedem dieser Orte finden sich Artefakte oder Begebenheiten, die wir in Ripleys Notizbuch zeichnen lassen können. Ripleys Reisen sind kostspielig und das Odditorium benötigt Geld. Das nehmen wir ein, indem wir die Artefakte via Express-Post in Ripleys Museum schicken. Auch der echte Ripley finanzierte auf diese Weise übrigens seine Abenteuer. Allerdings verkaufte er seine Zeichnungen an Zeitungen und hatte neben den Museen so noch eine weitere Geldquelle. Vergessen wir die steten Lieferungen ans Museum, geht dem Protagonisten irgendwann das Geld aus und die Reise wie auch das Spiel sind vorbei. Das Hauptaugenmerk beim Bereisen der Orte liegt jedoch auf den Hinweisen, die Master Lu versteckt hat. Wie es sich für eine richtige Schnitzeljagd gehört, geben sie jeweils Auskunft über den nächsten Ort, an dem Ripley wieder etwas finden kann. Die Geschichte um das Rätsel von Master Lu weiß zu fesseln und bei einer Spielzeit von um die 40 Stunden muss sie das auch.
Kartenspiele mit Baron von Seltsam
Nein, Minispiele in dem Sinne gibt es nicht. Wohl aber schräge Persönlichkeiten an jeder Ecke. Egal, ob Mönche im Himalaya, Wächter in Peiping oder Gärtner in Danzig - Alle sind merkwürdig und bleiben so in Erinnerung. Besonders gilt das aber wohl für ein Schloss in der damals noch freien Stadt Danzig: Alles hier erinnert an ein Pik-As, der Schlossherr Baron von Seltsam scheint ganz vernarrt in diese Spielkarte gewesen zu sein. So verwundert es uns auch nicht, dass sich hier ein Teil einer Lösung um eine Spielkarte dreht. Der Baron war es übrigens auch, der Ripley mit den Nachforschungen beauftragte.
Im Schloss Pik As findet sich eine der kniffeligsten Rätselketten des Spiels, bei der wir ein paar Experimente durchführen müssen, um einem geheimen Labor zu entkommen - wenn wir den gut versteckten Eingang denn erst einmal gefunden haben... Generell zählt 'Riddle of Master Lu' zu den anspruchsvolleren Adventures der damaligen Zeit. Sehr oft muss man um die Ecke denken oder improvisieren und alleine die schiere Anzahl der Rätsel macht das Spiel kompliziert. Hinweise werden, wenn auch spärlich, von Ripleys Begleiterinnen auf Nachfrage gegeben.
Ein größeres Problem ist das heutzutage selten gewordene Pixelhunting: Gegenstände werden nur dann angezeigt, wenn man sie mit der Maus trifft, eine Anzeige dafür gibt es nicht. Manche der Objekte sind noch dazu sehr klein und trotz der guten Grafik kaum zu finden. Mitte der 90er Jahre war das noch kein Punkt für Kritik. Ebensowenig wie das obligatorische Labyrinth, in dem wir uns mit Ripley sehr leicht verlaufen können. Ähnliche Abschnitte gab es z.B. auch in 'Fate of Atlantis', LucasArts hatte es aber verstanden, die Räume unterschiedlich zu gestalten, so dass man sich irgendwann einmal zurecht finden kann. Bei 'Master Lu' hingegen sollte man sich unbedingt ein Stück Karo-Papier und einen Bleistift zurecht legen, wenn man nicht irgendwann völlig verzweifeln will. Übrigens kann man an einigen Stellen auch mal sterben, das Spiel bietet aber die Chance, kurz vor dem Fehler einen neuen Anlauf zu wagen.
Deutlich leichter von der Hand geht die Bedienung des Abventures. Im unteren Bilddrittel finden sich lediglich drei Icons: Nehmen, Benutzen und Anschauen. Wählen wir ein Objekt, ändert sich das Icon entsprechend, ebenso bei der Möglichkeit zu einem Gespräch.
Das sind ja echte Schauspieler!
'Das Rätsel des Master Lu' erschien in einer Zeit, zu der Adventures den Film entdeckten. Dank neuer Speichermedien (CD-ROMS) waren unglaubliche Datenmengen kein Problem mehr. Sierra verlegte für 'Gabriel Knight 2' oder 'Phantasmagoria' die Produktion zu großen Teilen in ein Filmstudio und auch Sanctuary Woods setzte für das Ripley-Spiel auf echte Schauspieler, die sich durch 3D-gerenderte Hintergründe bewegen. Wirkliche Berühmtheiten dürfen wir zwar nicht erwarten, dennoch macht das Ensemble seine Sache sehr gut, was insbesondere bei Nahaufnahmen, Zwischensequenzen oder Gesprächen positiv auffällt. Die Bewegungen wirken jedenfalls deutlich flüssiger als in den Vergleichstiteln aus dem Hause Sierra, schon weil sich Ripley frei bewegen kann und nicht nur ein paar Orte pro Szene hat, an denen er stehen darf. Dank Super-VGA-Grafik, die damals High-End war, sieht das Ganze auch heute noch überraschend gut aus. Lediglich die gemächliche Laufgeschwindigkeit der Charaktere nervt bisweilen, oftmals kann man die Animationen aber per Leertaste abbrechen.
Sehr passend ist auch die komplett deutsche Vertonung geworden, man setzt sogar auf (einigermaßen) passende Dialekte. Leider ist aufgrund der damals noch notwendigen Komprimierung die Tonqualität der Sprachausgabe nicht gar so gut, weswegen die Atmosphäre etwas leidet. Zu hören sind übrigens auch recht bekannte Sprecher wie Lutz Mackensy (Caesar Flickerman in 'Tribute von Panem' oder Horatio Caine in 'CSI Miami') oder Gabriele Libbach ('Die Sieben-Millionen-Dollar Frau' oder Lara Croft in den ersten 'Tomb Raider'-Spielen). Aufgrund der oft sehr langen und umfangreichen Dialoge erschien die deutsche Fassung übrigens erst einige Monate nach dem englischen Original. Während dieser - via Multiple Choice - geführten Unterhaltungen sollte man gut aufpassen, denn oftmals verstecken sich hier Hinweise.
Verfügbarkeit und Kompatibilität
Für eine Handvoll Euro kann man auch heute noch sowohl die deutsche als auch die englische Fassung von 'Riddle of Master Lu' im Internet ersteigern. Es gibt auch eine 'Premier Collection' als Big Box, in der zusätzlich das Adventure 'Orion Burger' dabei ist. Spielbar ist es nahezu problemlos mittels des kostenfreien Emulators DosBox. Recht wahrscheinlich ist aber ein Absturz in Danzig, wenn man dort mit dem Gärtner spricht. Hier hilft es, in der Konfiguration der DosBox den Wert "Cycles" von "Auto" auf "10000" zu setzen, wie bei Vogons verraten wird. Eine genauere Anleitung zur Installation (ebenfalls mit Hinweis auf die "Cycles"-Einstellung) findet sich im DosBox Wiki.
Was wurde aus Teil 2?
Die Webseite JustAdventure hatte einst in einem Feature aus 2004 zusammengefasst, was ein eifriger Leser durch einen Mailverkehr mit dem Autor Lee Shelodon herausgefunden hat. Demnach war eine Fortsetzung mit dem Namen 'The Siberian Cipher' geplant, die es leider nie in die Produktionsphase geschafft hat. Die sich um die Tunguska-Explosion drehende Story und die Spielengine waren auf einem guten Weg, auch die Darsteller schon gecastet. Lee Sheldon berichtete, dass das Ende von Sanctuary Woods der einzige Hinderungsgrund für ein zweites Adventure um Robert Ripley gewesen sei. Das Entwicklerstudio wurde von Disney aufgekauft, wo es einige Zeit als Inhouse-Studio weitergeführt und Anfang der 2000er Jahre geschlossen wurde.
Schon Mitte der 1990er Jahre stellte man sich die Frage, ob es keine Spiele für Profis mehr gibt. Adventures wurden immer leichter, die Rätsel wichen Videos, einfachen Puzzles oder Reaktionsaufgaben. Da kam 'Das Rätsel des Master Lu' wie gerufen. Rätsel, die über Stunden oder Tage fesseln können, nahezu unendliche Dialoge mit wichtigen Informationen, eine Welt voller historischer Details und kruder Charaktere - All das hatte man schon nicht mehr erwartet. Dazu kommt eine Präsentation nach aktuellstem Stand der damaligen Technik mit Super-VGA-Grafik und Filmsequenzen. Auch heute noch fesselt die Reise um die Welt mit Robert Ripley und bietet tagelangen Spielspaß - zumindest, wenn man sich mit dem Labyrinth arrangieren kann. Da man das Original noch immer günstig kaufen und ohne größere Probleme spielen kann, steht einer Reise in die Genrehistorie nichts im Wege, besonders dann nicht, wenn einem moderne Adventures zu leicht sind.
-
Das Rätsel des Master Lu
- Entwickler
- Sanctuary Woods
- Publisher
- Eidos Interactive
- Release
- 1995
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
3 Kommentare
Selten hat mich ein Spiel atmosphärisch von der Grafik so überzeugt, wie "Das Rätsel des Master Lu". Die Animationen sind butterweich, die deutsche Synchro ist absolute Oberklasse (die englische Fassung interessiert mich nicht!) und rätseltechnisch bleibt es auch heute noch eine Herausforderung.
So muss ein gutes Adventure für mich sein!
(Ach ja, und gelernt habe ich auch was, nämlich dass diese 1.000.000.000-Mark-Scheine damals von Ärzten als Rezeptbögen verwendet wurden.)