'The Book of Unwritten Tales', das uns auf der 'Games Convention' im vergangenen Jahr erstmals von Entwickler King Art und Publisher HMH vorgestellt wurde, hatte seinerzeit schon einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Umso gespannter waren wir, als wir das Spiel erstmals selbst antesten durften und einen Blick auf eine Preview-Version werfen konnten. Schließlich sind die Erwartungen an das Fantasy-Adventure nicht gerade klein. Wie uns die frühe Version des Spiels gefallen hat, könnt Ihr in unserem ausführlichen Bericht nachlesen.
Ein Ring, sie zu finden... Oder doch nicht? Wilbur hat den Auftrag, den Ring zum Erzmagier zu bringen: Das Abenteuer beginnt.… und Wilbur Wetterquarz, erster der vier Helden, auf die wir in 'The Book of Unwritten Tales' treffen, führt ein eher beschauliches Leben auf den Höhen des Weißkammgebirges. Fernab der Front, an der die Alliierten gegen die Armee der Schatten kämpfen, geht er dem Kellermeister, einem Zwergenwirt, zur Hand. Doch selbst dieser Zwerg ist größer als Wilbur, denn Wilbur gehört zu den Gnomen. Wie jeder Rollenspieler weiß, sind Gnome vor allem dafür bekannt, dass sie gute Erfinder und Bastler sind. Viele der technischen Errungenschaften der modernen Welt wurden von Gnomen geschaffen. Umso verwunderlicher ist es da, dass unser Gnom Wilbur eigentlich gar kein Interesse an Technik hat. Viel lieber möchte er ein aufregendes Leben führen, die Künste der Magie erlernen und seinem Vorbild, einem weit bekannten Helden, nacheifern. Wilbur ist von seinen Vorstellungen jedoch so weit entfernt, wie der Krieg vom Weißkammgebirge, denn an wohl keinem Ort ist weniger los. Außer dem Kellermeister und Wilburs Großvater sind alle, aber auch wirklich alle Bewohner in den Krieg gezogen, um für die Allianz zu kämpfen.
Immerhin darf Wilbur sich mit kleineren Heldentaten beschäftigen. Seine erste Aufgabe, die er für den Kellermeister erledigen soll, besteht darin, eine Ratte zu verjagen. Nun gut, ein echter Held, würde jetzt vielleicht ein Schwert zücken und dem angreifenden Ungeziefer den Garaus machen. Zumindest in einem Rollenspiel. 'The Book of Unwritten Tales' ist aber ein Adventure und hat mit Actioneinlagen eher wenig am Hut. Folglich lässt Wilbur einen Roboter die Arbeit für sich erledigen, der ganz Genretypisch zuerst zur Tätigkeit überredet werden muss. Ist die Maus verjagt, darf Wilbur Feierabend machen. Und damit beginnt dann sein großes Abenteuer: Auf dem Heimweg fällt ein Käfig samt Insasse vom Himmel direkt vor Wilburs Füße. Der gefangene Gremlin kann Wilbur gerade noch einen goldenen Ring zustecken, der den Ausgang des Krieges und damit das Schicksal der Welt entscheiden kann. Die Zeit reicht gerade noch, Wilbur mitzuteilen, dass er den Ring unbedingt zum Erzmagier der Menschen bringen muss, in die Stadt Seefels. Dann greift ein fliegender Drache den Käfig und bringt den Gremlin fort. Diese Vorstellung genügt, um Wilbur klar zu machen, dass der Gremlin nicht gelogen hat und das Schicksal der Welt nun in den Händen eines so unscheinbaren Geschöpfes liegt wie einem Gnom.
Die glorreichen… Vier
Elfe Ivo findet im Haus des Gremlinarchäologen auch einen gewissen Becher...Neben Wilbur durften wir in der Vorschauversion schon die Elfenprizessin Ivo steuern. Zunächst wird sie in einem eigenen Abschnitt eingeführt, zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Helden noch nicht kennen. Ivo sucht ein geheimes Buch im Haus einen Gremlinarchäologen. Bevor sie das jedoch findet, stehen einige Adventuretypische Aufgaben an. Ivo muss beispielsweise einen „magischen Trank“ zubereiten. Dafür braucht sie eine spezielle Bohnenart, die sie in einer altertümlichen Getreidemühle zu Pulver mahlt. Diese Bohnen wirft sie in Wasser, dass sie über einen Kamin zum Kochen bringt und heraus kommt ein uns allen wohlbekanntes koffeinhaltiges Heißgetränk. Wie sie nun dank Kaffee den Eingang zum geheimen Keller des Hauses findet, wollen wir an dieser Stelle aber nicht verraten. Nur soviel: Das Spiel überrascht immer wieder mit kreativen und witzigen Auflösungen und Reaktionen auf die Eingaben des Spielers.
Die Einwohner von Seefels haben ganz andere Sorgen: Im Onlinerollenspiel WoB müssen Formulare ausgefüllt werden.Im Verlauf des Spiels wird bald klar, dass Wilburs Ring und Ivos Buch eine Verbindung zueinander haben und so landen beide früher oder später in der Stadt Seefels, wo sie sich natürlich treffen. Wie es der Zufall will, befinden sich auch der Abenteurer Nate Bonnet und sein Begleiter „Vieh“, bei dem es sich um ein purpurnes, pelziges und unförmiges aber umso knuddeligeres Ding handelt, in Seefels. Im Gegensatz zu Ivo und Wilbur offensichtlich aber nicht so freiwillig: Eine Orkfrau hat beide gefangen. Damit Ivo und Wilbur zukünftig auch auf die Unterstützung des seltsamen Gespannes setzen können, müssen sie Nate und Vieh aus dieser misslichen Lage helfen und das schaffen sie nur gemeinsam. Während Ivo die Orkfrau ablenkt, nutzt Wilbur die Zeit, eine Falle aufzustellen. Zuvor müssen freilich noch einige Gegenstände durchgetauscht werden. So gelingt die Befreiung der Gefangenen und das Heldenquartett ist komplett. Später im Spiel sollen sogar mehr als zwei Charaktere von Nöten sein, um gewisse Aufgaben zu meistern. In unserer Vorschauversion, die die ersten beiden von insgesamt fünf Kapiteln beinhaltet, kamen solche Rätsel aber noch nicht vor.
Schöne Welt
Wilbur und seine Freunde bewegen sich realistisch und haben sogar die passenden Gesichtsausdrücke drauf.Was King Art da auf die Monitore zaubert, sieht schon jetzt sehr gut aus. Erstmals wurde in einem Adventure besonderen Wert auf Mimik und Gestik gelegt. Es ist möglich, den Figuren Emotionen anzusehen. Gesichtsregungen wie „Angst“, „Neugier“ oder „Freude“ beispielsweise werden deutlich gezeigt und lassen sich sogar kombinieren und dosieren. So ist es beispielsweise möglich, etwas Neugier und etwas Angst zu mischen. Das Ergebnis kann dann ein Erstaunen auf unsere Gesichter vor dem Monitor zaubern. Doch nicht nur auf die Mimik wurde geachtet, bis auf wenige Ausnahmen sind alle Animationen flüssig und wirken für ein Comic-Adventure auch sehr realistisch. Übrigens mag es verwundern, dass es mit der Ogre-Engine, die für Klassiker wie die 'Ankh'-Reihe oder 'Jack Keane' und die zuletzt für 'Ceville' benutzt wurde, auch möglich ist, einen ganz anderen Stil und vor allem sehr viel detailliertere Figuren darzustellen. Fakt ist, dass 'The Book of Unwritten Tales' schon jetzt besser aussieht, als die meisten aktuell am Markt erhältlichen Adventures, dabei fehlen noch einige Effekte und Animationen, auch die Beleuchtung war stellenweise noch nicht final. Wir dürfen uns also auf einen grafischen Leckerbissen freuen, die auch Nutzer von Widescreen-Displays nicht außenvor lässt: Auflösungen von bis zu 1920 x 1200 Pixeln sind möglich.
Mindestens genauso wichtig wie eine schicke Grafik sind natürlich gute Sprecher. Auch hier hat man auf Qualität geachtet. Die Riege der prominenten Stimmen wird angeführt von Oliver Rohrbeck, den man entweder als erster Detektiv bei den 'Drei ???' kennt oder als deutsche Stimme von Ben Stiller. Held Nate dürfte so manches Frauenherz schon allein wegen seiner Stimme zum schmelzen bringen - er hat die selbe wie Neu-Bond Daniel Craig. Was für die Helden zählt, gilt natürlich auch für die Nebencharaktere: Bekannte Sprecher geben sich die Klinke beziehungsweise das Mikro in die Hand. Diese Qualität merkt man den sehr gut vertonten Dialogen durchaus an: Es ist eine Freude, diesen zu lauschen.
Den bislang schon sehr guten Ersteindruck bestätigt auch die Steuerung. Wie es sich für ein aktuelles Point & Click gehört, benötigen wir nur die Maus und hier normalerweise auch nur die linke Taste, mit der sämtliche Objektaktionen durchgeführt werden können. Wer mehr über ein Objekt wissen möchte, kann es über die rechte Maustaste näher betrachten, ein Doppelklick auf einen Ausgang kürzt den Weg ab und blendet direkt um. Das ist natürlich Standard, interessant ist aber die Tatsache, dass mit einem ausgewählten Inventargegenstand nur noch Hotspots aktiv sind, mit denen vernünftige Kombinationen möglich sind. Sätze wie "Das geht so nicht" oder "Denk nach", gehören also nicht zu dem, was uns in 'The Book of Unwritten Tales' erwarten dürfte. Natürlich fehlt auch eine Karte nicht und auch eine Hotspotanzeige gehört zum guten Ton.
WoB
Anspielungen gibt es viele, ohne dabei zu stören.„Warum sollte man aus seiner eigenen Welt in eine Fantasiewelt flüchten, um dort sinnlose Aufgaben zu erfüllen?“, fragt sich Wilbur. Er meint damit das Online-Rollenspiel „WoB“, das ein absoluter Hit in Seefels ist. Aber was spielen Magier, deren Nachbarn Gnome und Orks sind und die in einer Welt leben, in der es nichts Außergewöhnliches ist, einem Drachen zu begegnen? Richtig: Sie flüchten in eine Welt der Bürokratie, in der es das größte ist, als Bankangestellter Level 40 seine Steuererklärung abzugeben, oder den Nebenquest „Strafzettel wegen Falschparkens“ zu starten. Immerhin erlaubt dieser Nebenquest das Einreichen von Widersprüchen. Von solchen und ähnlichen Anspielungen lebt 'The Book of Unwritten Tales' und sie machen auch einen Großteil des vorzüglichen Humors des Spieles aus. King Art läßt hier keine Gelegenheit aus, bekannte und weniger bekannte Fantasy-Klischees oder Spiele durch den Kakao zu ziehen. Dabei legt man Wert darauf, dass für wirklich jeden etwas dabei ist. Wenn Wilbur von der Stadtwache beispielsweise nach seinem Namen gefragt wird, bieten sich gleich mehrere Möglichkeiten. Wer mit dem Satz „Mein Name ist Herr Unterberg“ nichts anfangen kann, findet vielleicht die Antwort „Ich bin Guy…ron… Gilbert…wood und will Pirat werden“ witziger.
In Bhrem'Enn und umzu gibts Werder-Fans...Doch was ist eigentlich mit der Story? Nun, die zwei Kapitel unserer Testversion reichen noch nicht, um ein Urteil über die Geschichte zu wagen. Zumal auch noch einige der Zwischensequenzen fehlten, die Teile der Geschichte erzählen. Bei dem, was man vom King Art Titel sehen konnte, mag man sich nicht vorstellen, dass das ausgerechnet die Story vergessen wurde. Und wenn die nur annähernd so gut ist, wie das bisher gezeigte, erwartet uns auch in dieser Hinsicht ein gutes Spiel. Bleiben noch die Rätsel. Der Beginn war recht leicht gehalten, dafür zogen Umfang und Komplexität im Laufe des Spiels etwas an. Ob ein Hardcore-Rätseler auf echte Kopfnüsse treffen wird, lässt sich also ebenfalls noch nicht sagen. Fest steht jedenfalls, das den Spieler über 20 Stunden gesprochener Text und mehr als 60 verschiedene Orte auf denen man 40 Charaktere treffen kann erwarten. Da wir für die ersten zwei Kapitel gute fünf Stunden benötigt haben, dürften diese Zahlen nicht nur Marketinggeschwätz sein.
Was die Bremer Entwickler von King Art hier auf die Monitore bringen, dürfte eines der besten Spiele des Jahres werden, sollte sich das fertige Spiel von der technischen Seite oder der Story keine Aussetzer leisten. Sicher hat man diese Behauptung schon oft aufgestellt und ist dann später aufgrund zu hoher Erwartungen enttäuscht worden. Bei 'The Book of Unwritten Tales' mag man aber gern glauben, dass diese Erwartungen auch wirklich erfüllt werden. Die wirklich hübschen und detailreichen Grafiken, die sehr guten Sprecher und nicht zuletzt der hervorragende Humor dürften für ein Spielerlebnis sorgen, dass länger positiv im Gedächtnis bleibt. Ich kann es kaum noch erwarten, bis ich das Buch der ungeschriebenen Geschichten am 26. März aufschlagen und endlich auch einmal mit dem Vieh Rätsel lösen darf.