Wenn man von den 80ern und 90ern spricht, denkt man nicht nur an die Musik: TV-Serien wie 'Akte X' oder 'Ein Fall für Zwei', aber auch Spieleserien wie 'Police Quest'oder 'Gabriel Knight' zeigten, dass Detektiv-Arbeit und Mysteriöses gut zusammenpassen. Genau hier will Tim Follin mit 'Contradiction – Spot the Liar'anschließen. Der Videospiel-Komponist mag einigen durch seine Soundtracks zu 'Ecco the Dolphin: Defender oft he Future', 'Bionic Commando' oder andere unzählige Werke der frühen Konsolen bis zur PlayStation bekannt sein. Aber noch nicht genug der Nostalgie: 'Contradiction' ist zusätzlich noch ein reines FMV-Adventure. Nehmen wir das gewagte Projekt unter die Lupe.

Inspector Jenks ermittelt
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Jenks. Fredrick Jenks. |
Darf ich vorstellen: Das ist Inspektor Fredrick Jenks. Er hat nur eine Nacht, um ein vermeintliches Verbrechen in Edenton im Nordwesten von England aufzulösen. Die Doktorandin Kate Vine hat am See Selbstmord begangen – vermeintlich. Jenks ist hier nicht ganz überzeugt, denn ihr Führerschein lag auf der anderen Seite des Sees. Außerdem fand man neben gehörigen Mengen von Alkohol auch eine Dosis Morphium im Blut. Außerdem kennt er Bekannte von ihr: Emma, Simon und Rebecca. Dazu kommt eine ominöse Gesellschaft namens Atlas. Eine Art private Business School, die zukünftige Top-Manager ausbildet. Vater Paul und Sohn Ryan Rand leiten diese. Vielleicht ist das Ganze doch nicht so offensichtlich, als man anfangs glaubte. Jenks möchte dazu von Haus zu Haus gehen und typische Polizeiarbeit verrichten. Er will die betroffenen Personen befragen und in Widersprüche, im Englischen »contradictions«, verwickeln und so den Fall aufklären. Wir dürfen ihm dabei über die Schulter blicken und helfen. Auf geht's ins FMV-Abenteuer.
Betont übertrieben
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Er ist mit Herzblut dabei |
Ein FMV-Adventure, oder Full Motion Video Adventure, lebt von seinen Schauspielern. So ist es auch bei 'Contradiction'. Zwar sind es nicht die weltbekannten Namen, aber durchaus Schauspieler mit ihren Qualitäten. Man darf hier aber keine todernste Darbietung erwarten. Oft wird bewusst überzeichnet. Jenks ist beispielsweise mit seiner Gestik und Mimik deutlich übertrieben und wirkt teilweise schon etwas schelmisch. Er scheint sich über jeden gefundenen Hinweis zu freuen. Das macht das Ganze etwas lockerer, unterhaltsamer und gleichzeitig passt es perfekt zur angestrebten Nostalgie. Währenddessen wirkt Emma zurückhaltent, ja fast schon apathisch. Und dann besucht man erstmals die Familie Rand und erlebt Vater und Sohn herrlich übertrieben und bösartig. Eines der Highlights ist auch der paranoide James, der hinter einer Verschwörung her ist. Nicht nur Akte X lässt hier grüßen, denn hier wimmelt es geradezu an Anspielungen. Die durchaus ernste Geschichte bekommt durch die Schauspieler also durchaus auch witzige Momente und manchmal sitzt man kopfschüttelnd mit einem breiten Grinsen vorm Bildschirm.
Meisterliche Musik, einfaches Interface
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Auch zu mysteriösen Szenen passt die Musik perfekt. |
Von einem Soundtrack-Veteran wie Tim Follin erwartet man eigentlich eine gute Leistung. Genau diese liefert er bei 'Contradiction' auch. Die typischen Krimi-Elemente eines Soundtracks sind dabei. Ruhige Klaviermusik, dann folgt der Spannungsaufbau. Zwischendurch lassen uns Klangelemente hören, dass wir an einer heißen Spur dran sind. Trotzdem wirkt die Musik nie aufdringlich und bleibt ein sanfter Begleiter durchs Spiel.
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Per Klick oder Pfeiltaste. geht man weiter. Die Lupe lässt Jenks das Ganze genauer betrachten. |
Ganz anders ist das Interface. Natürlich muss es für ein reines FMV-Adventure minimalistisch sein. Man kann sich entweder per Maus, per Tastatur oder aber mit Touch-Bedienung in der iOS Version durch die Spielwelt klicken. Hierbei wechselt man immer von einem fixen Bild zum nächsten, ganz im Stile von 'Myst' oder ähnlichen Spielen. Die Richtung gibt vor wohin wir wollen. Genial dabei sind kleine Filmsequenzen, die uns zeigen, wie Jenks von einem zum nächsten Ort geht. Die Kameraperspektive zeigt dank Froschperspektive meist nur die Schuhe und passt einfach zum Spiel. Damit unnötige Laufwege nicht stören, gibt es auch eine Karte des Dorfes mit Pins, die wichtige Orte markieren und als Schnellreisepunkt dienen. So ertappt man sich zwischendurch durchaus dabei von einem zum nächsten Punkt zu reisen und ein Gespräch jagt das nächste.
Die Macht des Widerspruchs
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Die Liste wird leider ziemlich lange |
Das Dialogsystem könnte kaum einfacher sein. Hinweise und Gegenstände, die wir mit uns tragen erscheinen auf einer Liste. Wir wählen sie aus und los geht die Befragung. Die untere Bildschirmhälfte zeigt uns für jeden Hinweis Teile der Antwort des Befragten. Diese Teile können wir dann verwenden, um unser Gegenüber in Widersprüche zu verwickeln. Aber aufgepasst! Man kann nur die Antworten der ein und derselben Person verwenden. Oft weiß man schon im Vorraus, dass die Person lügt, man muss nur noch den entsprechenden Widerspruch finden. Teilweise geht das recht leicht von der Hand, manchmal muss man aber schon eine Weile überlegen, welche Antwortfetzen zueinander passen – oder genau nicht. Problematisch wird das System gegen Ende des Spiels, denn dann hat man eine ganz lange Liste an Hinweisen. Durch diese scrollt man dann hin und her und muss schwer überlegen, wo nochmal genau dieser eine Widerspruch drin steckt. Man weiß, man hat es gehört, aber nicht mehr zu welchem Thema. Hier gäbe es etwas Verbesserungsbedarf.
Interaktiver Film, der funktioniert
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Da kann man nur sein Glas heben. Hervorragendes Werk. |
Wie oft wurde gesagt, dass FMV-Spiele nicht funktionieren können? Wie oft wurden die deutlichen Schwächen aufgezeigt? Wie oft schütteln Spieler den Kopf, wenn es wieder einmal überhaupt nicht funktioniert. Hier brilliert Tim Follins Werk. Die Geschichte ist überzeugend erzählt, ordentlich und überzogen gespielt und hat zum Schluss dann doch die unerwartete Wendung. Es spielt sich wie ein spannender Krimi, den man nicht weglegen kann. Dazu kommt Atlas, ein Business Kurs, der eher wie ein Kult aussieht. Scully und Mulder hätten ihren Spaß mit der Familie Rand. Das sagt eigentlich genug über die Qualität von 'Contradiction'.
FMV-Spiele sind immer eine Gratwanderung. Es gibt eine kleine Fangemeinde, die anderen belächeln das Genre mit Mitleid. Tim Follin versucht mit seinem Kickstarter Projekt 'Contradiction' genau das zu ändern. Er liefert eine glaubwürdige Geschichte, die hervorragend von den Schauspielern gespielt wird. Die ernste und spannende Hintergrundgeschichte wird durch das 80er und 90er Jahre Flair und die fast übertriebene Darbietung aufgelockert und macht so auch Spaß. Trotzdem werden sich viele an genau dieser Übertreibung reiben. Moderne Serien haben kaum mehr diese absurden Elemente, wie es einst 'Akte X', 'A-Team' oder 'MacGyver' hatten. Sie nahmen sich selbst nicht ganz ernst. Diese Tradition übernahm damals schon ein 'Command & Conquer' und 'Contradiction' führt sie fort. Das einfache Interface ist sowohl Segen als auch Fluch, aber gerade Widersprüche zu finden ist eine herrliche Genugtuung. Wer wollte nicht immer schon intrigante Bösewichte anhand ihrer Fehler überführen? Tim Follins Werk schafft vor allem eines: Spaß zu machen. FMV-Adventures sind nicht tot! Sie müssen nur richtig konzipiert sein. 'Contradiction' ist es und kann als Anstoß dazu dienen wieder auf solche Elemente zu setzen.
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Contradiction
- Entwickler
- Tim Follin
- Publisher
- Tim Follin
- Release
- 13. Januar 2015
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Contradiction im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
7 Kommentare
denke also nicht, dass das hier in Erwägung gezogen wird. Bei Interesse muss da schon Steam oder ähnliches herhalten (oder iTunes für iOS)
und es ist jetzt auch nicht so der Mega-Verkaufshit, dass sich das großartig auszahlt Es scheint, dass sich maximal um die 10.000 Stück verkauft haben auf Steam. bei iTunes hab ich dazu natürlich keine Daten
Schade eigentlich, denn das Game hätte echt auch bei B-Movie Fans Potential
Aus diesem Grund gehen mir so einige Adventures durch die Lappen die ich sehr gerne gespielt hätte