Zugegeben, am Anfang war ich etwas skeptisch, ob es wohl eine gelungene Mischung sein würde: Ein Adventurespiel mit einem Engel, der nach einem Missgeschick auf der Erde festsitzt? Die kreativen Köpfe von Mosaic Studio Mask bewiesen mit 'Heaven's Hope' auf jeden Fall Mut bei der Wahl ihres Helden, denn eine Hauptfigur mit religiösem Hintergrund sagt vielleicht nicht jedermann zu. Doch wie ist der Protagonist überhaupt auf der Erde gelandet?

Eine Bruchlandung später
![]() |
Zuerst treffen wir Farmer Bill auf unserem Weg. |
Eigentlich hätte es ein Tag wie jeder andere im Himmel sein können, wenn da nicht der Engel Umorel gewesen wäre, der den jungen Talorel zu einer Art Mutprobe herausfordert. Talorel soll möglichst dicht an die Himmelsbarriere heranfliegen, um zu beweisen, dass er ein Flieger-Ass ist. Talorel kommt der Aufforderung nach, denn er will unbedingt in die Fluggarde aufgenommen werden. Doch dann geht etwas schief und er stürzt durch die himmlische Barriere auf die Erde. Genauer gesagt findet sich Talorel im England des 19. Jahrhunderts wieder, etwas außerhalb des titelgebenden Dorfes Heaven’s Hope. Nun hat er freilich ein Problem, denn bei dem Sturz sind Talorel sowohl sein Heiligenschein als auch seine Flügel abhanden gekommen. So einfach zurück in den Himmel flattern kann er also nicht. Erschwerend hinzu kommt, dass unser gefallener Engel von Menschen, der Erde oder der Materie nicht die leiseste Ahnung hat. Im Himmel funktionieren die Dinge nun einmal anders. Als sei das alles noch nicht genug, erschreckt sich eine Maus bei Talorels Anblick so sehr, dass sie beinahe das Zeitliche segnet. Gerade noch rechtzeitig bekommt Talorel ihre Seele zu fassen und kann sie an den leblosen Körper knoten. Damit er die Seele dauerhaft mit dem Körper verbinden kann, benötigt Talorel zuallererst seinen Heiligenschein zurück. Sollte die Maus tatsächlich sterben, würde Talorel die Himmelspforte für immer versperrt bleiben, denn als Engel darf er keinem Lebewesen Schaden zufügen. Im weiteren Spielverlauf wird sich das Problem noch ein paar Mal für Talorel stellen. Heiligt der Zweck die Mittel? Darf er anderen schaden, um auf seinem Weg weiterzukommen? Zum Glück kommt 'Heaven’s Hope' ohne Moralkeule daher. Das Spiel verläuft an ein oder zwei Stellen sogar ein wenig anders, je nachdem, ob man sich für den eigennützigen oder edlen Lösungsansatz entscheidet.
Rätselkost mit Hilfesystem
![]() |
Himmlische Hilfestellung erhält Talorel durch seine Freunde. |
Nach einer kurzen Eröffnungssequenz befinden wir uns direkt im Spielgeschehen. Trotz Talorels misslicher Lage hält er noch Kontakt zu seinen Freunden Salome und Azael im Himmel, die ihm – und dem Spieler – mit Ratschlägen zur Seite stehen. Immer, wenn einer der beiden etwas zu sagen hat, wird das entsprechende Portrait in der rechten, oberen Bildschirmecke eingeblendet. Zunächst leiten sie den Spieler durch das Tutorial. Hier zeigt sich auch, dass die Hilfestellung ein zweischneidiges Schwert ist. Für erfahrene Spieler gestaltet sich der Einstieg ein wenig zäh, weil man nicht sofort drauf los laufen, Gegenstände einsammeln oder kombinieren kann, wie man möchte. Zuerst muss man sich durch Dialoge mit Salome und Azael klicken, ehe man überhaupt die Lichtung verlassen kann, auf der man so unsanft die Bruchlandung hingelegt hat. Der Spielfluss wird dadurch ausgerechnet zu Beginn gebremst. Auch sonst sind die Kommentare der zwei Engel schon mal etwas ermüdend. Dennoch haben die beiden auch eine sehr nützliche Funktion. Gerade, wenn man mal ein paar Tage nicht gespielt hat und nicht mehr weiß, wo man eigentlich stehen geblieben war, helfen sie dem Spieler schnell wieder auf die Sprünge.
Man merke: Ratten haben feine Nasen
![]() |
An einigen Stellen übernimmt der Spieler den Homunkulus Anselm. |
Die Rätsel bestehen überwiegend darin, die richtigen Gegenstände für eine gewünschte Aktion herauszufinden. Zum Teil müssen Gegenstände auch miteinander kombiniert werden. Es gibt allerdings auch kleine Minispiele und ein Puzzles, alles in allem also eine bunte und abwechslungsreiche Mischung. Ein besonderes Highlight sind Talorels Engelfähigkeiten, die es ihm erlauben, mit Pflanzen oder Tieren zu sprechen. Auch dies ist im Game Design berücksichtigt worden. Auf die richtige Lösung zu kommen ist auch gar nicht immer so leicht. Zum Beispiel muss Talorel später im Spiel die einzelnen Schnipsel eines Bauplans zusammentragen, die aber in alle Winde zerstreut sind. Mit einem Schnipsel ist eine fette Ratte auf und davon. Zwar findet Talorel die Ratte, er erschreckt sie aber so sehr, dass sie in ihren Bau flüchtet und jede Zusammenarbeit verweigert. Nun gilt es also, die Ratte aus ihrem Bau zu bekommen. Da Ratten feine Nasen haben, würde es helfen, etwas Stinkendes in das Rattenloch zu kippen. Doch was tun, wenn die Ratte einen Hinterausgang hat? Um ihren Fluchtweg nachzuvollziehen, wirft Talorel etwas Käse in die Behausung und schickt dann die (mittlerweile wiederbelebte) Maus mit Nahtoderfahrung hinterher. Der Spieler kann dem empörten Monolog der Ratte lauschen, als die Maus einfach so durch ihr Eigenheim huscht. Später folgt Talorel dann der Maus zum Hinterausgang. Eine richtige positionierte Farbschale sollte dafür sorgen, dass die Ratte Pfotenspuren hinterlässt, denen Talorel dann in aller Ruhe folgen kann. Am Ende stellt sich leider heraus, dass es sich um eine reinliche Ratte handelt, die sich sehr schnell die Pfoten abgeputzt hat. Die Spuren enden also kurz hinter dem Ausgang. Doch vielleicht hat ja die Narzisse am Wegrand etwas gesehen?
Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass einige Rätsel ein wenig schräg sind, was den Spaß aber keineswegs schmälert. Spieler, die sich schon länger mal wieder ein klassisches Point-&-Click-Adventure gewünscht haben, werden jedenfalls auf ihre Kosten kommen. Negativ anzumerken ist an dieser Stelle auf jeden Fall das Feedback, das man von Talorel bekommt: „Wieso sollte ich das machen?“ „Das klappt so nicht.“ Solche Kommentare können einen schon mal auf die Palme bringen, gerade, wenn man ein wenig ausprobieren möchte und sie ständig in einer Schleife hört. Außerdem gibt es bei den Lösungsansätzen kaum Freiheiten. Wenn es zum Beispiel darum geht, einen kleinen Homunkulus zu bauen, so kann man das nur unter dem wachsamen Auge des örtlichen Erfinders tun, obwohl wir eine Bedienungsanleitung haben und den kleinen Kerl eigentlich auch allein bauen könnten.
Ein Spiel, was sich sehen ...
![]() |
Die schönen Hintergründe sind ein echter Leckerbissen. |
Besonders sehen lassen kann sich die Grafik. Die wunderschönen, liebevollen und handgezeichneten Hintergründe verleihen dem Spiel seinen ganz eigenen Charme und Stil, auch wenn die Farbpalette sich während der Entwicklung sehr geändert hat. Dennoch bewegt sich die Grafik auf hohem Niveau. Besonders gut gelungen ist auch das Einbringen neuer Locations. Zu Beginn ist Talorel auf einige Screens beschränkt, doch dann tun sich an ungeahnten Stellen neue Orte auf, zum Beispiel muss man erst einen alten Baum darum bitten, seine Wurzeln anzuheben, damit man darunter hergehen kann. So kann der Spieler öfter in neuen Hintergründen schwelgen. Auch die Charaktere sind gut getroffen und machen 'Heaven’s Hope' erst zu dem, was es ist. An einigen Stellen ruckeln die Animationen ein wenig, z. B. wenn George, der die Laternen anzündet, sich umdreht, aber überwiegend sind sie sehr flüssig.
... und hören lassen kann
![]() |
Untertitel und Dialoge werden am oberen Bildschirmrand eingeblendet. |
Wo wir schon mal bei den Charakteren angekommen sind, sollten auch ein paar Wörter zur Synchronisation gesagt werden. Das Spiel kommt in einer deutschen und englischen Sprachfassung daher (jeweils mit Untertiteln), die man bequem im Menü wechseln kann. Die Vertonung ist in beiden Fällen sehr gut gelungen und die Figuren sind treffend besetzt. Leider tummeln sich in den deutschen Untertiteln viele Rechtschreibfehler. Passende und unaufdringliche Hintergrundmusik sowie Soundeffekte wie das Plätschern von Wasser krönen das Ganze und tragen zur stimmigen Atmosphäre bei.
'Heaven’s Hope' ist mal wieder ein richtiges Point-&-Click-Adventure mit einer netten und unverbrauchten Story. Man merkt, dass viel Liebe und Entwicklungszeit in dieses Projekt geflossen sind. Schöne Hintergründe, schrullige Figuren und ausreichend Knobelleien sorgen für unterhaltsamen Spaß bei satten 10 bis 12 Stunden Spielzeit. Leider hat der Spaß auch einige Schwächen. Vor allem der Spielfluss erweist sich manchmal als etwas träge, was schade ist. Alles in allem ist 'Heaven’s Hope' aber ein sehr solider Titel geworden. Weiteren Projekten des Entwicklerstudios sehen wir gespannt entgegen.
-
Heaven's Hope
- Entwickler
- Mosaic Mask Studio
- Publisher
- EuroVideo
- Release
- 25. Februar 2016
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.heavenshope-game.com/
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- Heaven's Hope bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
11 Kommentare
Schade, denn die Grafik ist wirklich hübsch und die Geschichte anscheinend mal etwas ganz Anderes.
Mit den Steinen patchen wir Anfang nächste woche, da haben ja auch einige let's Player probleme mit und viele aus der Community
Die Geschichte bleibt allerdings so
Florian im Auftrag von Mosaic Mask Studios
Ich habe euch ohnehin als eine sehr nette Firma kennengelernt, auch wenn der Test bei mir so schief lief.
Kommt das Spiel eigentlich auch noch für Linux raus?