Mit dem Point-and-Click-Adventure 'Goetia' legt der französische Entwickler Sushee ein Gruselspiel der etwas anderen Art vor - das liegt einerseits an der gut geschriebenen Handlung, andererseits aber auch an einigen sehr netten Gameplay-Elementen, die man nicht alle Tage zu Gesicht bekommt. Ob das von Square Enix vertriebene Adventure das Horrorgenre in neue Höhen heben und für wohligen Schauder sorgen kann, erfahrt Ihr im Test.

Ein Haus mit sieben Siegeln
Abigail macht sich in der Folge daran, herauszufinden, was mit ihrer Familie geschehen ist bzw. was es mit den verschiedenfarbigen Siegeln auf sich hat, die sie an mehreren Wänden des Hauses findet und die ihr den Weg versperren. Sie erinnert sich daran, dass sich ihr Vater intensiv mit Dämonen und deren Beschwörung beschäftigt hat. Nur: Wer hat diese Siegel angebracht und warum? Und wie wird man die Dämonen wieder los, wer hat sie überhaupt beschworen? Das ist der eine Handlungsstrang des Spiels. Der zweite, eng mit dem ersten verwobene Handlungsstrang enthüllt nach und nach, was sich in Blackwood Manor sowie dem angrenzenden Dorf Oakmarsh während Abigails Abwesenheit abgespielt hat. Die beiden Stränge ergeben ein sehr harmonisches Ganzes.
Der Name des Adventures ist dabei Programm. Denn der Begriff "Goetia" bezieht sich auf nichts anderes als die Kunst, Dämonen zu beschwören bzw. zu bannen. In der "Ars Goetia" ist von insgesamt 72 Dämonen die Rede, die vom biblischen König Salomon beschworen und dann in Bronzegefäße gebannt wurden. Gleichzeitig wird den Dämonen eine hierarchische Ordnung auferlegt, und jeder von ihnen ist an ein bestimmtes Siegel gebunden. Dieses Konzept wurde ins Adventure übernommen: Die Dämonen, die gebannt werden müssen, entstammen bis auf eine Ausnahme mitsamt ihren Siegeln der „Ars Goetia“. Allerdings geht die Handlung weit über das schnöde Bannen von Dämonen hinaus. Und als wäre eine spannende Geschichte nicht schon ausreichend, haben die Entwickler auch noch befunden, dass zwei Enden her müssen, die sich bei näherer Betrachtung allerdings nur in einem Punkt voneinander unterscheiden.
Atmosphäre pur
Die Atmosphäre ist, nicht zuletzt durch die schönen Locations und kleine Details wie flackernde Lichter oder krabbelnde Insekten, mehr melancholisch und bedrückt als gruselig, was durch stimmungsvolle, wechselnde Musik und passende Geräusche noch unterstrichen wird. Da knarrt es im Gebälk, da rascheln Federn, bisweilen glaubt man auch, ganz leise Stimmen zu hören, Wasser plätschert (sofern in der Nähe, natürlich), man hört Steine knirschen bzw. herabfallen und ächzen, und alles zusammen ergibt eine wunderschöne, wenn auch sehr traurige Atmosphäre, in der man mitunter völlig vergisst, dass man eigentlich ein paar Dämonen aus dem Familiensitz vertreiben und das Geheimnis rund um Blackwood Manor aufdecken sollte. Man kann sich in dem Spiel direkt verlieren, einfach, weil es so viel zu erkunden gibt. Und weil das noch nicht reicht, haben die Entwickler sich auch noch bemüht, das Grauen des Zweiten Weltkrieges einzufangen, der ja zur Zeit der Handlung voll im Gang ist. Immer wieder stößt man auf Dokumente, die von Luftangriffen auf Coventry und Umgebung zeugen. Das hat die ohnehin schon bedrückte Stimmung noch weiter verstärkt.
Eine Sprachausgabe gibt es nicht, was jedoch nicht weiter stört, zumal Abigail als Geist ohnehin nicht sprechen kann. Außerdem mangelt es sowieso an Gesprächspartnern. Es gibt im gesamten Spiel vielleicht fünf-, sechsmal die Möglichkeit, sich mit einem anderen Wesen zu unterhalten, und das auch nicht besonders lange. Eine Anmerkung noch zur Sprache: Das Spiel ist komplett auf Englisch (es gibt meines Wissens auch eine französische Version), entsprechend gute Sprachkenntnisse sind notwendig.
Labyrinth mal anders
Auch praktisch: Manche Räume werden gelb umrandet und können dann als Schnellreisepunkte genutzt werden. Das gilt sowohl für das "Silver Labyrinth" als auch für Blackwood Manor, Oakmarsh, den Wald mitsamt Kirche und das später hinzukommende Gebiet "Fields of Stone" unterhalb des Anwesens.
Jeder Schauplatz hat eine eigene Karte, aufrufbar mit der Tabulatortaste; mittels Pfeiltasten kann man durch die Karten blättern. Ruft man z.B. die umfangreiche Karte von Blackwood Manor auf, sieht man auf einen Blick, welche Teile des Gebäudes noch abgetrennt sind bzw. wo noch Siegel entfernt werden müssen. Sonderlich hilfreich war die Karte darüber hinaus aber leider nicht; zwar wurde versucht, jedes Zimmer durch die Zeichnung eines distinktiven Gegenstandes erkennbar zu machen, aber wirklich funktioniert hat das nur für einige wenige Räume – vornehmlich solche, die man öfter als einmal aufsuchen muss, und die hat man sowieso rasch gefunden. Nettes Detail am Rande: In einem eigenen Zimmer sind einige Unterstützer des Spiels verewigt.
Einfache Steuerung, knifflige Rätsel
Ein Journal hält die wichtigsten Schritte fest und gibt immer wieder auch Hinweise zur Lösung der Rätsel, wobei wiederum jedem Schauplatz ein eigener Eintrag im Journal gewidmet ist. Dazu werden erledigte Aufgaben am oberen Rand mit einem Haken markiert. Zusätzlich gibt es den so genannten Codex, in dem alle Bücher, Notizen und sonstigen Dokumente aufscheinen, die man im Laufe des Spiels liest bzw. betrachtet - und davon gibt es eine ganze Menge. Dabei ist jedes Dokument wichtig und enthält mindestens eine Information, die man entweder für die Lösung einer Aufgabe benötigt oder die als weiteres Puzzlestück fungiert, um das Geheimnis der Familie Blackwood zu entschlüsseln. Man tut gut daran, alles, und ich meine wirklich ALLES, aufmerksam zu lesen und sich gegebenenfalls Notizen zu machen bzw. Symbole aufzuzeichnen. Zwar wird alles im Codex vermerkt und ist dort jederzeit abrufbar, dennoch habe ich es praktischer gefunden, mir selbst Aufzeichnungen zu machen, nicht zuletzt, weil die Dokumente, wenn sie über den Codex aufgerufen werden, etwas kleiner dargestellt werden und dadurch schwieriger zu lesen sind. Die Schriftart, die für die meisten Dokumente verwendet wurde, ist ohnehin schon etwas unglücklich gewählt, weil einen Tick zu verschnörkelt. Man hätte das nicht noch unnötig verkleinern müssen.
Mehr Power!
Was 'Goetia' aber vor allem auszeichnet, das sind die Rätsel. Der Schwierigkeitsgrad steigert sich langsam, aber merklich, und manche Aufgaben lassen den Kopf regelrecht rauchen. Einfach ist kaum eine davon, gegen Ende werden die Rätsel außerdem teilweise unfair bzw. ist mitunter gar nicht mehr genau nachvollziehbar, warum man gerade tut, was man eben tut. Es wäre hilfreich gewesen, wenn an Objekten, mit denen man in irgendeiner Form interagieren kann, jedes Mal die Lupe mitsamt integriertem Zahnrad angezeigt worden wäre – dann hätte man zumindest gewusst „Ah, hier kann ich was machen“. So steht man des Öfteren vor dem Problem, etwas betrachten, aber nichts damit machen zu können – nur um später festzustellen, dass da ja doch was geht. Das hätte man besser lösen können; der Schwierigkeitsgrad ist auch so schon hoch genug und stellenweise auch durchaus frustrierend.
Eines muss man den Entwicklern aber lassen: Die Bandbreite der Rätsel ist beeindruckend. Zwar wiederholen sich manche Rätseltypen, allerdings fällt die Lösung jedes Mal anders aus. Wir müssen Codes knacken, Falltüren öffnen (nein, keine Brechstange – das wäre wirklich zu einfach), Gegenstände von A nach B transportieren bzw. benutzen, Musikrätsel lösen (für mich persönlich die schwierigsten Rätsel überhaupt, weil ich null musikalisches Gehör habe und die Aufgabe, mir eine Melodie zu merken und diese dann mittels Lochkarten nachzuspielen, mir durchaus den einen oder anderen Fluch entlockt hat). Es gibt auch ein klassisches Puzzle im Sinne von „Setz mal diese Papierfetzen richtig zusammen“ – eigentlich einfach, aber weil die Entwickler eine sadistische Ader haben dürften, haben sie befunden, dass die Papierfetzen richtig platziert sein und hörbar „einrasten“ müssen. Man kann den betreffenden Text zwar auch so lesen; das zählt aber nicht, das Dokument wird dem Codex nicht hinzugefügt, und in der Folge fehlt einem ein wichtiger Hinweis – dass man sich den so merkt bzw. aufschreibt, ist dem Spiel nämlich auch egal. Also verbringt man locker 15 Minuten damit, die paar Papierfetzen Millimeter um Millimeter vorsichtig zu verschieben, bis endlich wieder einer einrastet. Später darf man ein ähnliches Rätsel lösen, das allerdings vom Aufbau her um einiges schwieriger ist, weil man vorher herausfinden muss, WAS eigentlich zu sehen sein soll und welche der Papierfetzen man überhaupt verwenden kann. Dazu bekommt man im Vorfeld drei Hinweise, die es zu entschlüsseln gilt. Die sind zwar zur Abwechslung mal nicht übertrieben schwierig, allerdings, und das ist schon ein Makel, lässt Abigail einen nicht immer wissen, dass man den jeweiligen Hinweis richtig entschlüsselt hat. Man kann dann nur ausprobieren und hoffen, dass man richtig liegt. Auch das hätte man besser und benutzerfreundlicher machen können.
Linear ist das Spiel nur insofern, als es z.B. erlaubt, die Aufgaben in Oakmarsh oder im Wald nebst Kirche an einem Stück zu lösen - kann man, muss man aber nicht. Hilfreich ist es allerdings schon, wenn man diese in sich geschlossenen Locations abarbeitet anstatt zwischen Oakmarsh, dem Wald, der Kirche und den unzähligen Räumen von Blackwood Manor hin und her zu schweben. Das Spiel erlaubt einem zwar die freie Erkundung, jedoch kann das unnötig verwirren. Besser ist es, an Ort und Stelle alles zu erledigen, was erledigt werden kann, und dann zum nächsten Ort weiterzuziehen. Andernfalls läuft man Gefahr, Dinge zu übersehen oder zu vergessen.
'Goetia' hat mich positiv überrascht. Das Spiel zieht einen von Anfang an in seinen Bann, man will unbedingt wissen, was in Blackwood Manor und Umgebung vorgefallen ist, und selbst der brutale Schwierigkeitsgrad oder das mitunter etwas fragwürdige Rätseldesign können einen nicht davon abhalten, weiterzumachen. Dazu ist das Spiel aber auch zu schön, sowohl optisch als auch von der Sounduntermalung her. Die Idee, einen Geist zu spielen, wurde hervorragend umgesetzt, dazu gesellt sich Rätselkost, die die grauen Zellen ordentlich rauchen lässt. In Summe habe ich knapp 13 Stunden damit zugebracht, Abigail beim Lüften des Geheimnisses und beim Bannen der Dämonen zu helfen – ein für den Preis mehr als ordentlicher Spielumfang. Der Wiederspielwert ist allerdings gering, obwohl das Spiel über zwei Enden verfügt. Diese lassen sich allerdings unmittelbar hintereinander spielen, sodass man, wenn der Abspann ein zweites Mal über den Bildschirm läuft, wirklich alles gesehen und sämtliche Steam-Achievements freigeschaltet hat. Mit Abigail ist Sushee eine sehr liebenswürdige, teilweise auch sehr zerbrechliche Heldin gelungen, die ich persönlich sehr mochte. Einen Nachteil hat 'Goetia': Der Schwierigkeitsgrad eignet sich nicht für Adventure-Neulinge. Veteranen, die gut geschriebene Geschichten und eine Herausforderung schätzen, sollten aber ihre helle Freude haben.
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Goetia
- Entwickler
- Sushee
- Publisher
- Square Enix Ltd.
- Release
- 14. April 2016
- Spielzeit
- 12 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://playgoetia.com
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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