Eine Prinzessin in Not, zwei Zeitebenen und viel Humor... das britische Point&Click-Adventure 'Guard Duty' verspricht auf den ersten Blick ein abwechslungsreiches Abenteuer der alten Schule. Begonnen hat die Entwicklung daran im Jahr 2014, als Hobbyprojekt von Nathan Hamley und Andy Saunders. 2017 wurde das Projekt durch Kickstarter unterstützt (mit rund 5000 Euro) und inzwischen ist das Spiel von Sick Chicken Games bei Steam erhältlich. Mehr darüber könnt Ihr im Test nachlesen.
Prinzessin in Not
Tondbert entspricht in etwa dem Prototypen vieler Point&Click-Helden: einfältig und naiv, aber zugleich liebenswert. Der kleingewachsene Mann lebt in Wrinklewood, wo er als Wache im Schloss des Königs arbeitet. In dieser mittelalterlich inspirierten Fantasy-Welt gibt es Trolle, Orks und andere Kreaturen. Terry Pratchett hätte zu Lebzeiten vermutlich seine Freude damit gehabt. Auch ein leichter 'Simon the Sorcerer'-Touch lässt sich nicht verleugnen.
Tondbert nimmt seinen Job nicht immer ernst... |
Jedenfalls geht unser junger Held seinem Job nicht gewissenhaft nach und verbringt zu viel Zeit in der hiesigen Kneipe. Im Suff begeht er dann den fatalen Fehler, einer zwielichtigen Gestalt mit Kapuze Zutritt zu Wrinklewood zu gewähren. Welche fatalen Konsequenzen sein unprofessionelles Verhalten für das gesamte Königreich hat, das wird ihm erst nach dem Ausnüchtern (und einigen Bienenstichen) allmählich bewusst: Von der Prinzessin fehlt nämlich jede Spur.
Die Folgen wirken sich nicht nur auf die Gegenwart aus. In der Zukunft bekommen wir es mit einem düsteren Cyberpunk-Szenario im Jahr 2074 zu tun. Wie das alles miteinander zusammenhängt und welche Rolle die Prinzessin spielt, das wird erst später deutlich.
Humorvolle Kost, kurze Spieldauer
Dass man durch die Vermischung von Fantasy, SciFi und Cyberpunk eine hervorragende Geschichte basteln kann, ist spätestens seit 'The Longest Journey' bekannt. Daran reicht die Erzählung von Sick Chicken Studios freilich nicht heran, auch da die Spielzeit mit drei bis vier Stunden zu knapp bemessen ist, um narrativ aus dem Vollen zu schöpfen.
Charaktere gäbe es genug, leider bleiben es flüchtige Bekanntschaften... |
Die Story ist im Pixel-Abenteuer eher nur ein nettes Beiwerk. Schrullige Charaktere, witzige Anekdoten, sowie pointierte Anspielungen auf die Popkultur und diverse Point&Click-Klassiker stehen stärker im Fokus der Entwickler, die übrigens mit britisch gefärbtem Humor aufwarten können. Immerhin trägt das dazu bei, dass 'Guard Duty' ohne echten Durchhänger auskommt und bis zum Ende unterhaltsam bleibt.
Im ersten Abschnitt nimmt sich das Spiel die Zeit, die es braucht. Die diversen Schauplätze bieten genug Interaktionsmöglichkeiten und das Rätseldesign ist etwas komplexer. Danach klappt das nicht mehr ganz so gut. An neuen Schauplätze mangelt es nicht, die sind in spielerischer Hinsicht aber oft ein wenig unterbeschäftigt. Als wäre ursprünglich viel mehr geplant gewesen. Ähnliches gilt für die Charaktere, die stets flüchtige Bekanntschaften bleiben und typischerweise nicht noch einmal aufkreuzen. Aus diesem Grund gingen mir manche Ereignisse nicht wirklich nahe. Für die Verquickung beider Zeitebenen bleibt zudem wenig Zeit und das Finale ist schnell abgewickelt.
Klassisch geprägte Point&Click-Kost
In spielerischer Hinsicht gibt es für Genre-Fans keine Überraschungen. Sick Chicken Studios folgt der alten Lucas Arts-Schule, wenngleich auf allzu abgedrehte Rätsel verzichtet wird und der Schwierigkeitsgrad zumeist gemütlich ist. Für gewöhnlich bleibt es logisch. Gespeichert wird manuell, wobei mehrere Spielstände zur Verfügung stehen.
Im Inventar sammeln sich einige Gegenstände an |
Gerade in der ersten Spielhälfte sind die Rätsel witzig verpackt. Es macht z.B. Spaß, die Kleidungsstücke des im Schloss von den Kollegen gemobbten Möchtegernhelden zusammenzusuchen, der nach einem Bienenstich zunächst nicht vernünftig sprechen kann, was bei den anderen NPCs für witzige Momente sorgt. Später plaudern wir mit einem Verkäufer, der Abenteurer in den sicheren Tod springen lässt und zufrieden bemerkt, dass sich keiner hinterher beschwert hat. Selbst die Steam-Achievements sind für Lacher gut.
Nach dem Wechsel in die Zukunft passt sich das Gameplay an: Kann man bei Tondbert Inventar-Gegenstände direkt auswählen und mit der Umgebung kombinieren, greift die Spielfigur in Cyberpunk-Realität automatisch auf den benötigten Inventar-Gegenständ zu. Das Gameplay ist in dieser Phase auch weniger verspielt und konzentriert sich mehr auf die Story und das Setting ist viel düsterer, als die bunte Fantasy-Umgebung. Dieser Abschnitt ist spannend, hätte aber ruhig ausführlicher sein können.
Nette Retro-Kost mit stimmiger Vertonung
In optischer Hinsicht wird ein solider 2D-Pixel-Look im klassischen 4:3-Format geboten. Im Optionsmenü lässt sich Seitenverhältnis bei Bedarf zu einem 16:9 in die Länge strecken. Die Grafik hat durchaus Charme und die Abschnitte in der Zukunft setzen dem nochmal eines drauf.
Geboten wird eine 4:3-Auflösung. Die Grafik lässt sich aber zu einem 16:9 künstlich in die Breite strecken |
Zu kritisieren ist bei der Umsetzung, dass die Ausgänge pro Schauplatz ab und zu leicht zu übersehen sind. Ähnliches gilt für die In-Game-Karte. Hier werden die begehbaren Orte oft nicht visuell hervorgehoben, weshalb sie per Mauscursor zu suchen sind. Obendrein gibt es vereinzelt unnötige Laufwege, die wahrscheinlich auch deshalb unbefriedigend sind, weil die Spielwelt mit Fortdauer der Geschichte vermehrt mit spannenden Hotspots geizt. Allzu drastisch fällt das angesichts der kurzen Spieldauer allerdings nicht ins Gewicht.
Positiv ist dafür die englische Vertonung gelungen, die den britischen Humor sehr passend transportiert und dem Spiel einen sympathischen Touch verleiht. Die zahlreichen Dialoge werden lebendig wiedergegeben und die Rollen stimmig verkörpert. Zwar schwankt der Sprecher von Tondbert manchmal bei der Stimmlage, doch das ist verschmerzbar. Die Sprachausgabe ist im Menü notfalls auch wegschaltbar. Deutsche Untertitel sind derzeit nicht verfügbar.
Der Mix aus Fantasy und Cyberpunk hat viel Potenzial, die Umsetzung wirkt bei 'Guard Duty' jedoch nicht restlos ausgereift. Angesichts der eher kurzen Spielzeit bleibt wenig Zeit, um tiefer in die Spielwelt einzutauchen, oder einen der vielen Nebencharaktere ins Herz zu schließen. Gleichzeitig muss man dem kleinen Indie-Team attestieren, dass es aus den geringen finanziellen Mitteln viel herausgeholt. Trotz Schwächen bietet das 2D-Abenteuer sehr humorvolle Point&Click-Kost auf sehr solidem Niveau und lässt nostalgisch an Genre-Klassiker wie 'Simon the Sorcerer' zurückdenken. Es macht Spaß, viele skurrile Unterhaltungen zu führen und Wächter Tondbert ist auf seine Art ein sympathischer Protagonist. Wer ein unkompliziertes Abenteuer für Zwischendurch sucht und Point&Click-Adventures liebt, der ist bei 'Guard Duty' also an der richtigen Adresse. Inhaltlich sollte man die Erwartungshaltung wiederum nicht zu hoch schrauben.
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Guard Duty
- Entwickler
- Sick Chicken Studios
- Publisher
- Digital Tribe
- Release
- 2. Mai 2019
- Spielzeit
- 3 - 4 Stunden
- Trailer
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