Das Indie-Studio inkle wurde 2011 von zwei Studenten in Cambridge gegründet. Seitdem hat das Team eine ganze Reihe Story basierter Spiele auf den Markt gebracht ('Sorcery!' 1-4, '80 Days'), die erst für Android und iOS, später für den PC aufgearbeitet wurden. Das neueste Werk trägt den Namen 'Heaven’s Vault' und ist ein non-lineares Open-World-Adventure mit Archäologie- und Science-Fiction-Elementen. Wir haben es für Euch getestet.
Die Nebula
Wir befinden uns auf Iox, einem Mond irgendwo, irgendwann. Er bildet das Zentrum der Nebula, einem großen Netz von Flüssen, das verschiedene Monde in einem entlegenen Teil des Universums miteinander verbindet. Die Archäologin und Abenteurerin Aliya Elasra erkundet im Auftrag der Universität von Iox dieses unbekannte Geflecht von Flüssen und Monden auf der Suche nach Artefakten einer längst vergangenen Geschichte.
Unsere ehemalige Mentorin bitte uns, einen ihrer verschollenen Wissenschaftler zu suchen, der während einer archäologischen Expedition spurlos verschwand und nur ein mysteriöses Artefakt zurückließ. Mehr oder weniger freiwillig machen wir uns zusammen mit dem Roboter Six (der uns unfreiwillig als Babysitter und helfende Hand aufgezwungen wird) auf den Weg, um den verschwundenen Wissenschaftler zu suchen.
Schnitzeljagd
Ohne Vorwissen machen wir uns auf und befinden uns schon bald auf einer archäologischen Schnitzeljagd zwischen Gegenwart und längst vergangener Zukunft einer fremden Welt wieder.
Wir bereisen verschiedene Teile der Nebula |
Dreh- und Angelpunkt sind dabei die Monde der Nebula, ein Netzwerk nebulöser galaktischer Strömungen, auf denen wir unser (Raum-)Schiff steuern. Auch die Nebula ist längst noch nicht komplett erforscht und gibt genug Rätsel für ein ganzes Leben auf. Die Völker in 'Heaven’s Vault' nutzen nämlich Technologien längst vergangener Zivilisationen. Roboter Six zum Beispiel wurde erst kürzlich in einer Wand entdeckt. Die Roboter-Ingenieure der Universität konnten ihn zwar aktivieren, doch wer ihn gebaut hat und wie seine Bestandteile genau funktionieren, das ist unklar.
Artefakte können vielfältige Formen haben. Gemeint sind sowohl alte Glas- und Tonscherben als auch Dolche, Bücher oder kleine elektronische Apparaturen. Mithilfe von Six können wir schnell und unkompliziert Alter und Herkunft bestimmen, die uns dann wiederum zu bestimmten Monden innerhalb der Nebula führen. So erkunden wir langsam das Verschwinden von Renba und erfahren ganz nebenbei unglaubliche historische Fakten über unsere eigene Welt. Denn Renba war einer großen Sache auf der Spur.
Ancient & Archäologie
Wesentlicher Spielmechanismus in 'Heaven's Vault' ist das Entschlüsseln einer alten Schrift, die wir als Fragmente auf nahezu allen Artefakten wiederfinden: Ancient. Zuerst versuchen wir, bekannte Wörter zu erkennen und alle Satzbausteine zu entschlüsseln. Dann erschließen wir die unbekannten Wörter anhand bereits bekannter Vokabeln oder raten ihre Bedeutung aus dem Kontext. Dabei werden uns immer zwei bis vier mögliche Übersetzungen vorgegeben. So können wir im Laufe des Spiels Übersetzungsfehler ausmachen, Vokabeln unserem Wörterbuch hinzufügen und später immer längere und kompliziertere Satzfragmente entschlüsseln. Ancient ist eine komplexe Symbol-Sprache, die wir überall im Spiel wiederfinden. Sind wir bei der Übersetzung unsicher oder unzufrieden, können wir auf Iox unseren Studienkollegen Huang um Rat fragen.
Anhand des Alters und der Herkunft der gefundenen Gegenstände können wir außerdem auf Handelsrouten zwischen Monden schließen und anhand ihrer Fundstellen innerhalb der Nebula geografische Rückschlüsse ziehen. Haben wir eine Region entsprechend eingegrenzt, können wir uns auf den Weg machen und einen Mond ausfindig machen und erkunden.
Grafik & Gameplay
Die Grafik ist in den ersten Stunden vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig |
Wie schon bei 'Sorcery!' erkennt man die charakteristische 2D-Grafik von inkle sofort wieder. Anders als bisher bewegen sich die 2D-Charaktere aber durch eine freie 3D Welt. Steuern wir unser Schiff durch die Flüsse der Nebula, befinden wir uns sogar komplett im neuen 3D-Umfeld. Ich persönlich fand diesen Mix anfangs eher weniger gelungen und störend, vor allem da ich die 2D-Grafiken des Studios bisher immer mochte und offen gestanden kein Fan von 3D-Welten bin. Mit zunehmender Spielzeit empfand ich es allerdings als recht angenehm und bin jetzt nur noch etwas wehmütig angesichts der schönen Hintergründe in '80 Days' und 'Sorcery!', die bei diesem Abenteuer fehlen.
Diverse Controller werden unterstützt, aber auch die Steuerung via Maus und Tastatur ist möglich. Dabei nutzen wir eine Kombination aus A-, W-, D- und S-Taste, Nummern, sowie Maussteuerung für die Kamera. Lediglich die Kontrolle über unser Schiff bei Reisen zwischen den Monden ist hier etwas schwerfällig. Wir müssen oft selber fliegen, um neue Monde zu entdecken. Im Spielverlauf können wir diese Reisen zwischen den wichtigsten Orten aber auch überspringen.
Ein klassisches Inventar fehlt. Hinter der TAB-Taste verbergen sich eine große, umfangreiche Karte und ein übersichtlicher Zeitstrahl. Hier können wir unseren Standort in der Nebula einsehen. Detailkarten der Städte auf den Monden gibt es nicht. Die Orte sind aber auch nicht so groß, dass das problematisch wäre. Der Zeitstrahl am unteren Ende verrät uns, welche Artefakte wir wo und wann gefunden haben, ob sie Textfragmente erhalten, wie weit unsere Übersetzung vorangekommen ist und wo sich das Artefakt gerade befindet.
Dialoge und Entscheidungen
Das Entziffern einer alten Sprache ist die Hauptaufgabe |
Wie bereits bei den anderen Spielen des Indie-Studios, ist die Geschichte non-linear und wird durch unsere Entscheidungen in Dialogen beeinflusst. So ist kein Durchlauf wie der andere. 'Heaven‘s Vault' ist ein Open-World Adventure. Wir sind frei in der Wahl, was als nächstes zu tun ist, können aber einige Orte nur einmal besuchen und nicht wiederkommen. Diese Elemente gefallen mir gut, können den Spieler aber sehr aufhalten. Zum Beispiel hatte ich einmal einige Informationen durch meine Entscheidungen nicht auf die offensichtliche Art bekommen und bin dann lange zwischen zwei Städten hin und her gereist, bis ich durch Gespräche und Rücksprache endlich genug Hinweise auf eine neue Fundstädte bekommen hatte und mit dem Plot weitermachen konnte.
Der Wiederspielwert von 'Heaven’s Vault' ist extrem hoch, da unsere Entscheidungen maßgeblich den Plot und das Umfeld mitbestimmen. Haben wir das erste Spiel durch, können wir ein „Neues Spiel +“ beginnen. D. h. wir behalten all unser bisher erworbenes Wissen über die alte Sprache Ancient und bekommen so beim zweiten Spieldurchlauf eine Menge an zusätzlichen Informationen und Hintergrundwissen. Entscheidungen rückgängig machen können wir aber nicht. Das Spiel hat eine sehr zuverlässige Auto-Save-Funktion. 'Heaven’s Vault' gibt es nur mit englischer Vertonung und englischen Bildschirmtexten.
Am Anfang war ich von dem sich hinziehenden Reisesystem zwischen den Monden der Nebula genervt. Da man einfach in die Spielwelt geworfen wird und selbst so gut wie kein Wissen über Geschichte und Welt hat, gestaltete sich der Spielstart etwas schwierig. Auch die ungewohnte Grafik hat nicht wirklich geholfen
Allerdings hat 'Heaven’s Vault' für mich eine ungemeine Anziehungskraft entwickelt, die mich mehr als 25 Stunden an den ersten Spieldurchlauf gefesselt und sofort einen zweiten Durchgang hat starten lassen. Wissen führt zu Neugierde und Motivation. Und irgendwann wollte ich es einfach wissen: alles! 'Heaven’s Vault' ist für mich trotz seiner Macken die gelungene Umsetzung eines non-linearen Archäologie-Adventure. Empfehlenswert.
Zusätzliches Fazit von Matthias Glanznig: Durch die eher durchwachsene Grafik und die gewöhnungsbedürftige Fortbewegung mag 'Heaven's Vault' zu Beginn abschreckend wirken. Für die Geschichte sollte man sich zudem viel Zeit nehmen und aufmerksam mitlesen. Wer damit leben kann und gern fremde Welten erkundet, der sollte jedoch unbedingt einen Blick auf das Abenteuer von inkle werfen. Das Entziffern der Alien-Sprache ist sehr unterhaltsam, die Story bleibt vom Anfang bis zum Ende spannend und ich fühlte mich tatsächlich wie ein Archäologe auf den Spuren einer alten Zivilisation. Aus meiner Sicht ist 'Heaven's Vault' eines der besten Spiele der letzten Jahre, aber eben sehr speziell und nicht für jeden geeignet.
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Heaven's Vault
- Entwickler
- inkle Studios
- Publisher
- inkle Studios
- Release
- 16. April 2019
- Spielzeit
- 25 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- https://www.inklestudios.com/heavensvault/
- Art
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Independent
- Sprachen
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