Explorative Adventures, mitunter abwertend “Walking Simulatoren“ genannt, sind inzwischen seltener geworden. Davon haben sich die Macher von 'Ghost on the Shore' nicht beirren lassen, denn dieser Titel trifft interaktiv ziemlich exakt in die Kerbe von Genre-Vertretern wie 'Dear Esther' und 'Vanishing of Ethan Carter'. Geboten wird ein Mix aus Familien-Drama und Geister-Mystery. Unsere Meinung erfahrt ihr wie gewohnt im ausführlichen Corner-Test.

Die Geschichte beginnt bei null
Wie so oft im erkundungsorientierten Sub-Genre beginnt die Erzählung als Tabula Rasa. Wir wissen zu Beginn nichts und werden im Zuge der Erkundung erst nach und nach mit Wissen gefüttert. Das macht es an dieser Stelle nicht einfach, etwas darüber zu sagen, ohne zu viel zu verraten. Zumal die Spielzeit mit zwei bis drei Stunden ohnehin nicht lange ist.

Bald wird klar, dass an diesem Ort dunkle Geheimnis warten. Die junge Frau beschließt dem ruhelosen Geist zu helfen, auch um endlich selber Ruhe zu haben. Und soviel sei ebenfalls vorweggenommen: vieles hängt mit einem lange zurückliegenden Familiendrama zusammen. Über das Storytelling kann man freilich streiten, denn stellenweise wirkt die Erzählung arg konstruiert.
Exploration steht im Mittelpunkt
Ghost on the Shore stammt vom belgischen Indie-Entwicklerteam like Charlie. Ein paar von Euch kennen es womöglich durch das kostenlose First-Person-Abenteuer 'Marie's Room' (Link zur Steam-Seite). Und ja, das Gameplay geht in dieselbe explorative Richtung. Zwar gibt es einige Dialogentscheidungen, die sind für den Verlauf der Geschichte aber nicht entscheidend - jedenfalls nicht soweit wir das von unserem Playthrough beurteilen können.

Wesentliche Informationen werden prompt im Tagebuch vermerkt, teilweise durch hübsche Zeichnungen. Dieses Tool ist praktisch, weil es einen schnellen Überblick erlaubt. Ab und zu gibt es zudem die Möglichkeit einen Schauplatz nachzuzeichnen (worauf der Spieler abseits des Knopfdrucks keinen Einfluss hat). Jedoch würde man die zentrale Handlung selbst dann verstehen, wenn man sehr viele Informationen übersieht. Besonders kompliziert ist das familiäre Drama nicht.
Rätsel sind Fehlanzeige. In einem Abschnitt geht es darum, den Code für einen Safe zu finden, aber selbst bei dieser Aufgabe nimmt einem das Spiel die Arbeit ab und trägt den Code selbst ein, sobald man eine Notiz mit Datum gefunden hat. Gespeichert wird unterwegs übrigens automatisch, meist sobald einer neuer Schauplatz erreicht wird. Nachdem das streng lineare Spiel immer klar die Marschrichtung vorgibt, passiert der Speichervorgang in regelmäßigen Abständen und wir hatten keine Probleme damit.
Eher mittelprächtige Umsetzung

Während die simple Steuerung (via Controller oder per Maus und Tastatur) ihren Zweck prima erfüllt, fällt die englische Sprachausgabe mehrfach durch das Overacting der Hauptdarstellerin auf: Trotz Geist, einsamer Insel und vergangenen Familiendramen klingt sie über weite Strecken wie auf einem Pfadfinderausflug. Ihre Stimmung kann aber plötzlich ins Gegenteil umschlagen (um dann wenig später wieder wie vorher zu sein). Die restliche Besetzung ist okay bis gut, doch die Dynamik zwischen Riley und Josh wirkt durch besagte Problematik von Anfang an seltsam. Eine bessere Regie wäre bei den Voice-overs sinnvoll gewesen. Eine deutsche Übersetzung fehlt bislang.
Überzeugen konnte mich 'Ghost on the Shore' leider nicht, obgleich es kein richtig schlechtes Spiel ist. Die Story hat zwar nette Ansätze, sie wirkte auf mich jedoch zu konstruiert. Insbesondere beim Twist im Finale hatte ich beim Durchspielen ambivalente Gefühle. Einerseits war diese Entwicklung zu erahnen, gleichzeitig wirkte sie etwas wie an den Haaren herbeigezogen.
Obendrein schwankt das Niveau der englischen Vertonung ausgerechnet was die Hauptfigur anbelangt. Für die Immersion kein Vorteil. Selbst optisch und spielerisch hätte ich mir mehr erhofft. Die streng lineare Erzählweise lässt zuletzt wenig Raum für eigenständiges Erkunden und gibt klar die Richtung vor. Wer explorative Indie-Adventures und Mystery-Familiendramen mag, der könnte hier trotzdem halbwegs passable Unterhaltung für Zwischendurch vorfinden.
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Ghost on the Shore
- Entwickler
- Like Charlie
- Publisher
- Application Systems Heidelberg
- Release
- 24. Februar 2022
- Trailer
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