Der im Jahr 2015 viel zu früh verstorbene britische Fantasy-Autor Terry Pratchett hat mit der Scheibenwelt ein schräges Universum geschaffen, das zwar sehr deutliche Parallelen zu unserer Welt aufweist, in vielerlei Hinsicht aber doch sehr anders und vor allem verrückter ist. Die Romane rund um den untalentierten Zauberer Rincewind, die Hexen und natürlich die Wache waren so erfolgreich, dass sich ein Spiel regelrecht aufgedrängt hat. 1986 wurde 'The Colour of Magic' für den C64 umgesetzt, 1995 folgte dann das Point-and-Click-Adventure 'Discworld'. Dieses erzählt eine eigenständige Geschichte mit zahlreichen bekannten Charakteren, nimmt dabei aber auch großzügige Anleihen bei 'The Colour of Magic' und 'Guards! Guards!'. Wir haben das Spiel im Klassiker-Test näher unter die Lupe genommen.

Rincewind als Retter von Ankh-Morpork?
Dass die Sache nicht so einfach ist, kann man sich denken. Nicht nur stößt Rincewind bei Lord Vetinari auf taube Ohren, der einfach nicht an Drachen glauben will. Er wird auch nach getaner Arbeit von allen weiteren Drachen-Aufgaben abgezogen. Rincewind, der sich selbst für einen mächtigen Zauberer hält, lässt das natürlich nicht auf sich sitzen und macht auf eigene Faust weiter. Er kommt so einem mehr oder weniger finsteren Geheimbund auf die Spur, der nichts weniger im Sinn hat als den Untergang der Stadt. Es liegt an Rincewind, das und noch viel mehr zu verhindern.
Die Handlung mit ihren vielen unterhaltsamen Dialogen, Wendungen und Anspielungen auf Popkultur macht Pratchett alle Ehre. Sie lebt vor allem von den skurrilen Charakteren, die einem im Lauf des Spiels begegnen und die en passant Informationen über die Scheibenwelt und ihre Gesellschaftsformen preis geben. Zusätzlich taucht an manchen Stellen Rincewinds alter Freund und erster Tourist der Scheibenwelt, Zweiblum, auf. Er hat nützliche Erklärungen zu bestimmten Orten oder Eigenheiten parat, sodass das Spiel auch für jene geeignet ist, die noch nie ein Buch von Terry Pratchett gelesen haben und denen diese Welt so gar nicht vertraut ist.
Optisch in die Jahre gekommen...
Die Hintergründe bleiben in der Regel statisch, von einzelnen flatternden Vögeln oder Schmetterlingen mal abgesehen, und wurden mit viel Liebe zum Detail gestaltet, was auch für die Charaktere gilt. Die sind mitunter sehr pixelig, und man sieht den Animationen sowie den Zwischensequenzen ihr Alter einfach an. Bei einem Spiel, das immerhin schon 25 Jahre auf dem Buckel hat, kann man aber auch ein Auge zudrücken. Die veraltete Grafik trägt nämlich durchaus zum Charme des Spiels bei, und sie lässt eine gehörige Portion Nostalgie aufkommen.
… dafür grandiose Sprecher...
Akustisch sind vor allem die fünf englischen Sprecher eine Ohrenweide, die bis auf Eric Idle gleich mehrere Rollen übernommen haben. Eric Idle spricht Rincewind und das mit hörbarer Freude an den diversen Absurditäten, die die Scheibenwelt so bereithält – gut für ihn (und seine Fans), dass Monty Python-Kollege John Cleese die Rolle abgelehnt hatte mit der Begründung, er vertone keine Videospiele.
Alle Sprecher machen ihre Sache hervorragend. Speziell jene vier, die gleich mehrere Charaktere verkörpern, leisten unglaublich gute Arbeit, spielen mit Akzenten und unterschiedlichen Tonlagen, verstellen ihre Stimme und demonstrieren, wozu gute Schauspieler auch stimmlich imstande sind, wenn man ihnen eine entsprechende Bühne gibt. Mit der Zeit bekommt man zwar ein Ohr dafür, welcher Schauspieler gerade am Werk ist, aber störend ist das nicht.
Apropos Sprachausgabe: 'Discworld' gibt es auch auf Deutsch. Da es schwierig ist, den Wortwitz Pratchetts und die zahlreichen Wortspiele angemessen ins Deutsche zu übertragen, wurde kurzerhand der Übersetzer und Autor Andreas Brandhorst an Bord geholt, der die meisten Scheibenwelt-Romane ins Deutsche übersetzt hat. Bei den Sprechern hat man ebenfalls auf bekannte Namen gesetzt: Rincewind wird von Arne Elsholtz gesprochen, der unter anderem Eric Idle und Tom Hanks seine Stimme geliehen hat. Anders als im Original hat man für die deutsche Lokalisation gleich 15 verschiedene Sprecher engagiert, die sich die 79 Rollen untereinander aufteilen.
… und fragwürdiger Computer-Sound
Musikalisch muss man mit dem etwas fragwürdigen Computer-Sound der 1990er Jahre leben, der mit Instrumenten durchsetzt ist und stellenweise stark an die Synthesizer-Musik der 1980er Jahre erinnert. Dabei wurde versucht, jeder Location einen eigenen Soundtrack zu geben, aber so gut die Sprachausgabe gelungen ist, so anstrengend ist bisweilen die musikalische Untermalung. Obendrein hat sie Ohrwurm-Qualitäten und setzt sich bisweilen sehr hartnäckig im Gehörgang fest.
Hintergrundgeräusche wiederum funktionieren sehr gut, trotz ihrer Tendenz, in Richtung Slapstick abzudriften und/oder sich zu wiederholen, etwa im Speisesaal, wo der Stab von Windle Poons eine Art Mini-Feuerwerk abfeuert. Hält man sich länger in der Nähe von Windle auf, dann können die Geräusche des Feuerwerks, das praktisch im Sekundentakt losgeht, schon mal etwas anstrengend werden. Insgesamt passt die Geräuschkulisse aber gut zum Humor des Spiels.
Klassisch-minimalistisches Gameplay
Das Inventar ist zweigeteilt: Rincewind selbst kann seinen Geldbeutel und ein bis zwei weitere Gegenstände mit sich herumtragen. Das ist insofern wichtig, als Rincewind mitunter an Orten landet, die für seine Truhe unerreichbar sind, etwa auf Turmspitzen oder Dächern. Wenn unser Zauberer dann nicht den richtigen Inventargegenstand bei der Hand hat, muss er wieder runterklettern und ihn holen.
Der Großteil des Inventars landet in der Truhe, die auf ihren Beinchen treuherzig hinter Rincewind herdackelt. Das Inventar wird mit einem Klick geöffnet; wollen wir einen Gegenstand benutzen, reicht es, ihn anzuklicken und dann per Doppelklick auf die Person oder das Ding zu ziehen, mit dem er kombiniert werden soll. Oft müssen wir dabei eine strikte Reihenfolge einhalten, die aber nicht immer sofort ersichtlich ist. So landet beispielsweise eine Banane in unserem Inventar, die wir dem Bibliothekar geben können. Das ist allerdings ziemlich sinnlos, solange wir von Ridcully nicht den Auftrag erhalten haben, ihm ein bestimmtes Buch zu besorgen. Hat man die Banane trotzdem schon weggegeben, ist das aber kein Beinbruch: Die Entwickler haben dafür gesorgt, dass in solchen Situationen keine Sackgasse entsteht und man die Aufgabe trotzdem lösen kann. Mitunter muss man einen Schritt oder auch mehrere zurückgehen, und das kann dann schon lästig sein. In einem bestimmten Abschnitt gilt es etwa, einem Dieb über die Karte zu seinem Versteck zu folgen. Wenn man das nicht sofort erledigt, verschwindet der Dieb von der Karte. Das Versteck ist damit nicht mehr auffindbar. Dank der Zeitreisefunktion ab Kapitel 2 ist das allerdings kein Problem, denn in solchen Fällen können wir einfach so oft zwischen Gegenwart und Vergangenheit switchen, bis wir die richtige Reihenfolge herausgefunden bzw. eine Aufgabe erfolgreich erledigt haben.
Zeitreisen und andere Aufgaben
Die Zeitreisefunktion des L-Space ist überhaupt recht praktisch, denn sie ermöglicht uns, die Vergangenheit zu manipulieren, um in der Gegenwart einen bestimmten Gegenstand zu erhalten. Umgekehrt können wir in der Gegenwart aus Gesprächen Hinweise auf Aufgaben in der Vergangenheit ziehen.
Mitunter springt man sehr oft zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her, einfach, weil das Spiel an manchen Stellen eine exakte Reihenfolge der Aktivitäten vorsieht. Das bedeutet eine Menge Rennerei von A nach B und wieder retour. Dass man etwas übersehen hat, erkennt man meistens daran, dass ein Inventargegenstand, den man in der Vergangenheit benutzt hat, plötzlich wieder da ist und dieselbe Aktion erneut ausgeführt werden kann. Das passiert normalerweise nicht, wenn man alles richtig gemacht hat. Dann verschwindet der betreffende Gegenstand entweder auf Nimmerwiedersehen oder es folgt eine Zwischensequenz, die einen Hinweis darauf enthält, was als nächstes zu tun ist. Sehr oft wird der Gegenstand nach Gebrauch auch einfach wieder im Inventar abgelegt. Das passiert so häufig, dass der Inhalt der Truhe ab dem zweiten Kapitel extrem unübersichtlich wird, was die Lösung der zahlreichen Aufgaben nicht unbedingt erleichtert.
Das Aufgabenspektrum, das uns vorgesetzt wird, ist einigermaßen überschaubar. In der Regel müssen wir verschiedene Gegenstände beschaffen und miteinander kombinieren. Wir müssen andere Personen ablenken oder uns an ihnen vorbeischleichen, sei es, um an etwas Bestimmtes heranzukommen oder um ins Innere eines Gebäudes zu gelangen. Wir dürfen uns als Taschendieb versuchen, müssen hin und wieder unsere Reaktionsfähigkeit unter Beweis stellen uns sehr schnell klicken, wenn es beispielsweise gilt, einer Bodenplatte mit Katapultfunktion auszuweichen. Das Spiel macht sich dabei immer wieder über die in Adventures üblichen Aufgaben lustig, die darin bestehen, einem NPC erst einen Gefallen zu tun, ehe der einem weiterhilft. Rincewind fordert das teilweise explizit ein, denn „Das ist Tradition“. Und während man sich als Spieler denkt „Bitte nicht noch ein Botengang“, freut sich Rincewind, dass er noch mal quer durch die ganze Stadt laufen darf.
Wer braucht schon Hinweise...
Die spärlichen Hinweise und der Umstand, dass vom Spieler erwartet wird, um die Ecke zu denken, lassen den Schwierigkeitsgrad mitunter gehörig nach oben schnellen. Stellenweise müssen wir Pixelhunting betreiben, etwa auf der Übersichtskarte, die für die Schnellreise benutzt wird. Auch manche Gegenstände sind so klein, dass man sie fast übersieht. Dazu ändern sich manche Locations im Spielverlauf – es gibt neue Gegenstände zu entdecken und einzusammeln, neue Gespräche, die man führen kann, und mit der Zeit kommen auch neue Schauplätze dazu. Man kommt also kaum dran vorbei, den gesamten Bildschirm sorgfältig mit der Maus abzusuchen und zu Beginn eines neuen Kapitels erst mal alle bekannten Schauplätze noch mal abzugrasen.
Der Spielspaß wird durch all das aber nicht beeinträchtigt, im Gegenteil, es ist direkt erfrischend, mal wieder ein Adventure zu spielen, das komplett ohne Hilfestellungen auskommt, das den Spieler nicht permanent an der Hand nimmt und das voraussetzt, dass man logisches Denken weitgehend über Bord wirft. Oft sind die absurdesten Lösungen die richtigen. An einigen Stellen kommt man außerdem nur mit Trial and Error weiter. Das ist für manche Spieler sicherlich frustrierend, entspricht aber der Absurdität von Pratchetts Schöpfung, wo kaum etwas logisch abläuft.
Technisches und Verfügbarkeit
'Discworld' gehört leider zu jenen Spielen, die es noch nicht auf Plattformen wie GoG geschafft haben. Ursprünglich wurde das Spiel für den PC veröffentlicht, außerdem für MacOS und kurze Zeit später für die Playstation und Sega Saturn. Auf modernen Rechnern kann das Spiel mit Hilfe von ScummVM installiert und ohne CD im Laufwerk gespielt werden; Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man eine Original-Kopie besitzt. Und die ist vor allem für den PC nicht unbedingt einfach zu bekommen, da es im Unterschied zum Nachfolger auch keine Budget-Version gab. Hin und wieder wird eine Box der Erstauflage online angeboten, ist aber – wie auch die immer wieder erhältlichen Playstation-und Sega Saturn-Ausgaben – nicht gerade billig. Da unklar ist, wer gerade die Rechte an den Spielen besitzt, ist eine Neuauflage etwa via GoG unwahrscheinlich, gleichzeitig ist eine Verbreitung über Freeware- und Abandonware-Seiten nicht legal. Wer 'Discworld' und die Nachfolger spielen möchte, muss sich wohl oder übel auf die Jagd nach einem der raren Originale begeben. Aber: Das lohnt sich!

Wer Terry Pratchett mag, wird 'Discworld' lieben. Die skurrilen Charaktere der Scheibenwelt wurden hervorragend eingefangen und vertont, die Story macht dem Meister alle Ehre. Auch wenn der Schwierigkeitsgrad mitunter absurde Höhen erklimmt und man mehr als einmal versucht ist, zur Komplettlösung zu greifen: Es macht eine Menge Spaß, Rincewind auf seinem Abenteuer zu begleiten. Etwas mehr Struktur hätte dabei allerdings nicht geschadet. Man verliert sehr leicht den Überblick darüber, was gerade ansteht, welche Aufgaben man noch erledigen muss, mit wem man vielleicht noch mal sprechen sollte. Notizen haben sich hierbei als sehr hilfreich erwiesen. Das gilt auch für das Inventar, das immer mehr aus den Fugen gerät und irgendwann nur noch unübersichtlich ist. Das sind allerdings Mängel, die man einem Spiel aus dem Jahr 1995 durchaus nachsehen kann. Denn unterm Strich überwiegt der Spielspaß, und der kann sich durchaus auf 15 bis 20 Stunden erstrecken.
-
Discworld
- Entwickler
- Perfect 10 Productions
- Publisher
- Psygnosis
- Release
- 1995
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- Discworld bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
6 Kommentare
Was bei mir noch ungespielt herumkugelt, ist Discworld Noir, damit habe ich irgendwann mal auf meinem alten XP-Rechner begonnen und relativ schnell die Freude dran verloren. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, das noch mal anzugehen
Ja das mit den Lösungen ging mir nicht anders
Discworld 2 finde ich optisch übrigens immer noch äusserst hübsch.
DW 1 hat extrem viel Trial and Error. Das mit dem Versteck hat mich echt genervt - ich hab anfangs geglaubt, ich muss nur das Buch mitnehmen und kann dem Dieb so ein Schnippchen schlagen, aber das wäre natürlich zu einfach gewesen. Bis ich draufgekommen bin, dass ich dem folgen muss, hat's gedauert, und bis ich den geheimen Schalter gefunden hab, war einiges an Pixelhunting notwendig. Weil ich ihm nicht sofort nachgesaust bin, war er irgendwann von der Karte verschwunden. Rincewind hat einige Kilometer zurückgelegt, ehe ich das richtig hinbekommen habe - und teilweise hab ich auch echt in eine Lösung schauen müssen, weil manche Aufgaben so abstrus waren, dass ich von selber nicht weitergekommen bin. Grad ab etwa der Hälfte war es mitunter schon mühsam - das Inventar wurde immer voller, und ich hab dann auch nicht die Geduld gehabt, jeden Gegenstand mit allem auszuprobieren.
Trotzdem werde ich mich demnächst mal an den zweiten Teil machen. Den kenne ich zwar schon, aber es ist lange her, dass ich den gespielt hab. Optisch macht der auch echt was her, dafür, dass er grade mal ein Jahr später erschienen ist.
Hach, die Ziege bei Baphomets Fluch... da hab ich zig Versuche gebraucht, um an der vorbeizukommen. Hab das Spiel in Summe sicher sechsmal gezockt, aber jedes Mal dasselbe bei der blöden Ziege..