Am 6. November 2000 erschien mit 'Flucht von Monkey Island' der vierte und zugleich auch für lange Zeit letzte Teil der beliebten Adventure-Reihe um den Möchtegernpiraten Guybrush Threepwood und seinen finsteren Widersacher LeChuck. Nachdem die ersten zwei Teile noch in Pixel-Grafik kamen, hatte LucasArts für Teil 3 auf schicken Comic-Look gesetzt. Für das neue Spiel warf man nun alles über den Haufen und setzte auf 3D. Auch mit Point- & Click war Schluss, gesteuert wird Guybrush nun direkt. Ob das eine gute Idee war und wie sich 'Monkey Island 4' heute anfühlt, haben wir anlässlich der Neuveröffentlichung auf GOG für Euch in einem Klassikertest erörtert.
Wenn die Flitterwochen zu lange dauern...
Die Karibik war auch zu Zeiten von Guybrush und Elaine ein rauhes Pflaster. Das erfahren die beiden frisch Vermählten auch nach dem Ende ihrer Flitterwochen. Die bestanden aus einer dreimonatigen Kreuzfahrt und waren so lange, dass die Bürger von Melee Island Elaine kurzerhand für tot erklärt und Neuwahlen zur Besetzung des Gouverneursposten einberufen haben. Zu allem Überfluss soll auch noch das Haus von Elaine und Guybrush abgerissen werden. Hinter alledem stecken der australische Immobilienhai Ozzie Mandrill und ein gewisser Charles L. Charles, der sich um den Gouverneursposten bewirbt. Doch das sind nicht die größten Probleme...
Ozzie plant nämlich, die Karibik in ein Paradies für Touristen zu verwandeln. Dafür müssen natürlich die Piraten verschwinden oder umgeschult werden. Schließlich braucht ein Touristengebiet jede Menge Kellner, Köche und Ramschverkäufer. Da sich die Piraten nicht einfach so umgewöhnen wollen, kauft Ozzie die Karibik auf, gewinnt Gebäude beim Beleidungsarmdrücken und plant die letzten standhaften Piraten mithilfe der ultimativen Beleidigung kleinzukriegen. Dabei handelt es sich um eine uralte Voodoo-Waffe, deren Zutaten in der Karibik verteilt wurden. Guybrush macht sich sogleich auf die Suche nach den Teilen und versucht vorher noch, den Abriss des gemeinsamen Hauses zu verhindern.
Und dann ist da noch Charles L. Charles, der sich mit Versprechen wie "Gratis Grog" in den Wahlkampf gegen Elaine wirft. Schnell entpuppt er sich nicht nur als geschickter Wahlkämpfer, sondern auch als LeChuck, der mit der ultimativen Beleidigung Elaine endlich zu seiner Frau machen will...
Aus die Maus!
Gleich beim Start von 'Monkey Island 4' fällt die neue Steuerung auf: Das Spiel verzichtet gänzlich auf die Maus und zwingt die Spieler zu Tastatur, Joystick oder Gamepad. Leider klappt die Steuerung deutlich schlechter, da Guybrush wie auch schon Manny Calavera in 'Grim Fandango', das die gleiche Engine nutzt, immer mal wieder hängen bleibt oder seltsame Richtungswechsel vornimmt. Kommen wir mit Guybrush in die Nähe eines Objektes oder Charakters, bewegt er den Kopf in die entsprechende Richtung und eine Textzeile am unteren Bildrand gibt die Interaktionsmöglichkeiten vor. Mittels Tastendruck können nun weitere Möglichkeiten (etwa "Benutze") aktiviert werden. Nach etwas Eingewöhnung klappt zumindest dieser Teil der Steuerung einigermaßen gut.
Auf in die 3D-Welt
Zum Spielen von 'Monkey Island 4' benötigte man anno 2000 eine 3D-Beschleunigerkarte, die neben die normale Grafikkarte gesteckt und für die Berechnung der Polygon-Figuren und Objekte benötigt wurde. Die restliche Grafik besteht aus vorgerenderten 3D-Kulissen, die durch handgezeichnete Hintergründe ergänzt werden. Schon beim Erscheinen sah 'Flucht von Monkey Island' nicht so gut aus wie der dritte Teil im Comic-Look und hinkte auch den Möglichkeiten der damaligen 3D-Technik hinterher. Das lag zum einen an der mit 640x480 Pixeln doch recht geringen Auflösung, zum anderen an zu wenig Bewegung auf dem Bildschirm. Mit heutigen Augen betrachtet ist die Grafik schlecht gealtert. Gerade im Vergleich zu 'Monkey Island 3', das immer noch hübsch anzusehen ist, wirkt die Grafik hier völlig veraltet.
Überzeugen kann nach wie vor der Soundtrack, der einfach hervorragend passt. Ebenfalls gut gelungen ist die deutsche Sprachausgabe, bei der wieder die gleichen Sprecher wie im Vorgänger verpflichtet wurden.
Von Ersatzhaut und Monkey Kombat
Die Geschichte ist spannend erzählt, es gibt ein Wiedersehen mit vielen alten Bekannten und es werden auch viele Fragen der Vorgänger gelöst. Aber bei einem klassischen Adventure stehen ja auch die Rätsel im Mittelpunkt. Neben unzähligen kreativen Inventar-Rätseln, bei denen auch so ausgefallene Objekte wie eine Ersatzhaut zum Einsatz kommen, finden sich in 'Monkey Island 4' auch einige zeitbasierte Aufgaben oder ein 'Mortal Kombat'-Klon. Dank der unglücklichen Steuerung geraten die zeitkritischen Aufgaben unnötig schwer - weil Guybrush genau im falschen Moment irgendwo hängen bleibt. Statt des legendären Beleidigungsfechtens aus 'Monkey Island' servieren uns die Entwickler diesmal den Monkey Kombat. Eine Art Stein-Schere-Papier, bei dem man nur durch stumpfes Auswendiglernen oder Mitschreiben ans Ziel kommt. Das bringt zwar Abwechslung in die Spielereihe, jedoch leider an einer unnötigen Stelle, denn noch heute weiß jeder, der mit Guybrush durchs erste Abenteuer gelaufen ist, die richtige Antwort auf "Du kämpfst wie ein dummer Bauer". Hier sind die richtigen Kombinationen nicht nur in jedem Spiel anders - sie sind auch deutlich schwerer zu merken.
Guybrush - Tollpatsch oder Trottel?
Einen weiteren Kritikpunkt machen wir in der Gestaltung des Helden aus. Sicherlich war Guybrush schon immer irgendwie ein Anti-Held. Ein wenig tollpatschig, dennoch mutig und unerschrocken, stets gut gelaunt, aber auch etwas gerissen und durchaus clever. Hier gleicht er eher einer Witz-Figur. Zwar ist er noch immer gut gelaunt, wird aber ständig Ziel des Spottes seiner Freunde, allen voran Elaine. Er mutiert eher zum Kindskopf und Trottel, was einfach nicht notwendig war.
Verfügbarkeit und Kompatibilität
'Monkey Island 4' gibt es seit einiger Zeit auf GOG, die Version läuft auch mit einem aktuellen Windows problemfrei. Das Original auf zwei CDs und in einem schicken Karton findet sich immer mal wieder bei ebay oder auf Flohmärkten. Auch diese Version kann man auf aktuellen Rechnern zum Laufen bringen. Benötigt wird dafür entweder der Emulator 'ResidualVM' oder der 'EMI-Launcher' von Quick and Easy Software, mit dem man aus dem alten Spiel sogar höhere Auflösungen hervorzaubern kann.
Im Gegensatz zu den anderen Teilen der Reihe ist die 'Flucht von Monkey Island' technisch schlecht gealtert. Schon bei Erscheinen wirkte die Grafik nicht mehr taufrisch und die Steuerung sorgte selbst bei jungen Spielern für einige graue Haare. Da zudem auch die Geschichte nicht vollends zu überzeugen weiß, ist 'Monkey Island 4' nicht nur der für lange Zeit letzte Teil der Reihe gewesen, sondern auch der schwächste. Das Spiel ist zeitgleich das letzte neue Adventure aus dem Hause LucasArts und markiert somit das Ende einer für das Genre bedeutsamen Ära. Schade, dass man mit dem Titel nicht mehr an den Glanz vergangener Zeiten anknüpfen konnte. Doch es gibt auch Gutes zu berichten: Die Rätsel sind durchaus knackig, die Geschichte spannend erzählt und der Humor kommt ebenfalls nicht zu kurz - wenn man sich denn mit der Neuausrichtung von Guybrush anfreunden mag. Fans der Reihe kommen nicht drum herum.
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Monkey Island 4: Flucht von Monkey Island
- Entwickler
- LucasArts Entertainment Company
- Publisher
- Electronic Arts
- Release
- 7. November 2000
- Webseite
- http://lucasarts.com/products/monkey4/index_net.html
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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