Das Konzept des von ComonGames entwickelten Indie-Episodenadventures 'The Uncertain' klingt zunächst einmal sehr spannend: In einer postapokalyptischen Welt ohne Menschen haben Roboter eine neue Gesellschaft etabliert. Sie wollen vermeiden, dieselben Fehler wie die im 22. Jahrhundert ausgelöschte Menschheit zu machen. ComonGames verspricht ein atmosphärisches Adventure, das drei Episoden umfassen soll. Die erste Episode haben wir uns für Euch angesehen. Eine Wertung gibt es wie gehabt erst dann, wenn alle Episoden erschienen sind.

I, Robot
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RT-217NP hat es sich in einem verlassenen Haus gemütlich gemacht. |
Der Protagonist, wenn man so will, ist der Roboter RT-217NP (kurz: RT), der vor allem auf die Herstellung nützlicher Geräte spezialisiert ist. Er hat es sich in einem verlassenen Haus gemütlich gemacht, arbeitet dort für seine Kunden und lädt zwischendurch seine Batterien auf. Dass sein Dasein nicht so beschaulich bleiben wird, liegt auf der Hand: Ein Shuttle stürzt in unmittelbarer Nähe des Hauses ab, und damit beginnt für RT ein Abenteuer, in dessen Verlauf er einerseits ein gut gehütetes Geheimnis entdeckt. Andererseits lassen ihn seine Ermittlungen zunehmend menschlicher erscheinen, was nicht zuletzt an seinem Interesse für die Menschen und ihren Hinterlassenschaften liegt.
Spuren der menschlichen Existenz finden sich praktisch überall. Meist kann RT damit nur wenig anfangen und hinterfragt die Logik z.B. von Musikinstrumenten. Schließlich lässt sich Musik ja auch über die eingebaute Software generieren. Generell findet RT das menschliche Verhalten bzw. dessen Spuren davon sehr merkwürdig und meistens unlogisch. Gleichzeitig ist er durchaus neugierig und erinnert bisweilen an ein kleines Kind auf Entdeckungsreise. Diese Neugier ist gekoppelt an strikte Logik und ein sehr nüchternes Vorgehen. Wenn RT eine Aktion logisch findet oder sie Priorität hat, dann stellt er alles andere hintenan. Die Handlung wird dabei größtenteils von diesen logischen Entscheidungen getragen. Gleichzeitig schleicht sich aber auch unlogisches Verhalten ein, das durch RTs Faszination für alles, was mit den Menschen zu tun hat, generiert wird und teilweise seine Vorgehensweise beeinflusst.
Stellenweise ist die Story durchaus vorhersehbar, was dem Spielspaß keinen Abbruch tut. Die erste Episode endet zwar mit einem etwas mageren Cliffhanger, macht aber dennoch Lust auf die noch geplanten Kapitel der Geschichte. Wenn alles glatt geht, sollen diese in den kommenden Monaten nachgereicht werden.
Sieht gut aus, hört sich gut an – Grafik und Sound
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Optisch kann sich 'The Uncertain' durchaus sehen lassen. |
Optisch kann sich 'The Uncertain' sehen lassen, wenngleich sich das Spiel als etwas hardwarehungrig erweist. Idealerweise hat man eine GeForce aus der 9er-Serie eingebaut, allerdings tut's eine Radeon HD 7600M in der Regel auch. Das Spiel lässt sich damit auf höchsten Grafikeinstellungen zocken, wobei der Unterschied zur mittleren Grafikqualität zumindest für mich kaum wahrnehmbar war. Man kann also, wenn man den eigenen Rechner nicht zu sehr strapazieren will, ruhig die Details etwas runterfahren, ohne dass man was verpasst. Lediglich der letzte Schauplatz erweist sich als extrem gefräßig, was die Hardware betrifft. Das äußert sich etwa darin, dass sich RT deutlich träger bewegt als zuvor oder darin, dass man das Gefühl hat, das Spiel würde stocken.
Dabei sieht 'The Uncertain' aber immer sehr hübsch aus. Man hat sich große Mühe gegeben, die Umgebungen möglichst detailgetreu zu gestalten. Auch wenn die Texturen bisweilen etwas verwaschen wirken oder Kantenflimmern den ansonsten guten Eindruck stört, kann sich die Optik wirklich sehen lassen. Besonders gut gefallen haben mir kleine Details wie ein Fragezeichen auf RTs „Gesicht“, wenn er etwas nicht versteht, oder eine halbleere Batterie, die anzeigt, dass er aufgeladen werden muss. Jeder Roboter hat ein individuelles Äußeres verpasst bekommen und eine eigene Persönlichkeit – sofern das bei Robotern eben möglich ist. Die Schauplätze, die man besucht, wirken leider weitgehend unbelebt. Hier und da flackert ein Licht, es sprühen Stromfunken, es blinken Bildschirme – doch das war's dann auch. Allerdings passt das hervorragend zum Setting, welches eine von Menschen entvölkerte und von Robotern beherrschte Welt voraussetzt. Insofern fehlen belebende Elemente wie zusätzliche Charaktere nicht wirklich.
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Gemeinsam mit RT dürfen wir unterschiedliche Locations untersuchen. |
Die Sprecher machen ihre Sache allesamt sehr gut, klingen nüchtern und roboterhaft, wobei die Stimmen zusätzlich etwas verzerrt wurden, um den mechanischen Effekt zu gewährleisten. Gesprochen wird auf Englisch. Alternativ kann man im Optionsmenü auch Russisch auswählen. Die Untertitel gibt es ebenfalls nur in Englisch und Russisch, deutsche Untertitel oder Sprachausgabe sind derzeit nicht vorhanden. Das Englisch der Sprecher ist jedoch gut verständlich, zumal alle sehr deutlich und klar sprechen. Es gibt keinen Slang, keine mühsamen Dialekte oder Ähnliches – das wäre für Roboter ja auch nicht angebracht.
Gut gelungen ist die musikalische Untermalung, die je nach Schauplatz variiert und an einer Stelle vom Spieler geändert werden kann. Für gewöhnlich bekommen wir sanfte Klavierklänge zu hören, mitunter schwillt die Musik aber auch dramatisch an, etwa, wenn wir uns mitten in einer Verfolgungsjagd befinden. Die Hintergrundgeräusche – mechanisches Klicken, Motorengeräusche, ganz selten mal ein Vogelzwitschern, Regen etc. - werden sparsam, aber effektiv eingesetzt.
Roboterhaftes Gameplay
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Der per Zufallsgenerator bestimmte Code will geknackt werden. |
Das Gameplay wurde dem „Hauptcharakter“ angepasst: Die meisten Aufgaben, die wir zu erledigen haben, sind mechanischer Natur. Wir müssen beispielsweise ein Gerät fertigstellen, ein Radio mit Strom versorgen, Generatoren wieder in Gang bringen, Codes knacken, uns in ein Überwachungssystem hacken, eine Leiter manipulieren, Computer bedienen und so weiter. Dazu kommen Dialoge mit anderen Robotern, wobei es hier zwar immer mehrere Optionen gibt. Meistens kann jedoch nur eine davon angewählt werden, die übrigen verschwinden, sobald man sich für eine Dialogzeile entschieden hat. Ob das Auswirkungen auf den Spielverlauf bzw. die Handlung haben wird, ist nicht klar, ebenso, ob dadurch der Wiederspielwert steigt. Dialoge bzw. Kommentare können übrigens nicht übersprungen oder abgekürzt werden. Es gibt außerdem keine Möglichkeit, selbst zu speichern. Stattdessen wurde auf automatische Checkpoints gesetzt, die relativ knapp beieinander liegen.
Sparsam, aber doch, kommen Quick Time Events zum Einsatz, etwa, wenn es gilt, eine Leiter empor zu klettern oder wenn sich RT im Pool-Spiel versucht. Dazu kommen zwei relativ kurze, aber mühsame Actionsequenzen gegen Ende der Episode: Wir müssen RTs Aerocar sicher durch eine Landschaft voller Bäume und Felsen steuern und danach einer Überwachungsdrohne entkommen. Das klingt vielleicht nicht dramatisch, ist aufgrund der nicht ganz gelungenen Steuerung aber nervtötender, als man meinen möchte. Vor allem sind diese beiden Einlagen eines: unnötig. Sie passen nicht zum Rest des an sich ruhigen Spiels und wirken aufgesetzt, ebenso wie das damit verbundene Game Over, sollte man z.B. gegen einen Felsen krachen, oder abgeschossen werden. Ich hatte an dieser Stelle den Eindruck, dass die Actionabschnitte die Spielzeit strecken sollten und/oder dass ein Mitglied des Entwicklerteams zu viel 'Battlefront' gespielt hatte. Hätte man das Aerocar schon vorher steuern müssen – kein Problem. Dann macht es Sinn, dass man damit durch die Wälder fliegt und vor einer Drohne flüchten muss. Aber so...
Ebenso lästig, wenn auch nicht ganz so mühsam, fand ich eine Stealth-Einlage gegen Ende, bei der man vor allem schnell sein muss. Das ist angesichts der teilweise hakeligen Steuerung nicht so einfach.
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Die Steuerung erweist sich beim Aerocar als unausgegoren und hakelig. |
Noch ein Wort zur Steuerung: Wir können RT mit WASD bewegen, mit Shift lassen wir ihn laufen. Alles andere wird per Maus erledigt. Die Steuerung habe ich als etwas unausgegoren empfunden. Wenn man schon WASD-Steuerung einbaut, wäre es gut, wenn man die Kamerabewegungen selbst bestimmen könnte. So hat sich die Kamera allerdings automatisch bewegt, teilweise schneller als die Spielfigur, was durchaus für den ein oder anderen Frustmoment gesorgt hat. In den meisten Räumen blieb die Kamera überhaupt statisch, was bei dieser Art der Steuerung schon sehr merkwürdig anmutet. Im letzten Abschnitt der Episode rotiert die Kamera dann so schnell, dass man fast die Orientierung verliert. Eine reine Point-and-Click-Steuerung wäre unter Umständen benutzerfreundlicher gewesen als dieser nicht ganz gelungene Hybrid.
Die erste Episode von 'The Uncertain' hat Lust auf mehr gemacht. Vor allem der sympathische Roboter RT hat es mir angetan, und auch die Idee, überhaupt mal einen Roboter zu spielen, fand ich spannend. Dennoch ist die Geschichte teils vorhersehbar, und manche Gameplay-Elemente wären noch verbesserungswürdig. Die Hardware-Anforderungen scheinen auf den ersten Blick einschüchternd, sind aber in Wahrheit halb so wild. Dennoch hätte man speziell im letzten Abschnitt auch auf Spieler Rücksicht nehmen können, die nicht die neueste Grafikkarte eingebaut haben. In Summe haben ComonGames ein sehr solides Erstlingswerk abgeliefert, das mit einer interessanten Grundidee und einem sehr sympathischen Hauptcharakter aufwartet, den man einfach ins Herz schließen muss. Die Spielzeit geht mit etwa vier Stunden mehr als in Ordnung.
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The Uncertain
- Entwickler
- ComonGames
- Publisher
- ComonGames
- Release
- 8. Oktober 2020
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://theuncertaingame.com
- Art
-
Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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