Fantasy trifft auf die 1920er Jahre, Tolkien trifft auf „Der große Gatsby“ - Valiant Game Studio versprechen mit ihrem Adventure 'Pendula Swing' einen einzigartigen Genremix mit insgesamt sieben Episoden. Die erste Episode, 'Tired and Retired', ist bereits kostenlos auf Steam erhältlich; auch Episode 2, 'The Old Hero's New Journey', kann mittlerweile gespielt werden. Wir haben uns beide Episoden im Preview etwas genauer angesehen, um herauszufinden, wie der Mix aus Fantasy und Roaring Twenties funktioniert.

Lasst mich, ich bin im Ruhestand!
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Die Geschichte startet in Brialynnes idyllischem Heim. |
Wir steuern Brialynne Donu Tenúm, eine legendäre Zwergenabenteurerin, die sich aber schon lange zur Ruhe gesetzt hat und nach dem Tod ihrer Ehefrau friedlich auf einer Insel lebt, wo sie sich um ihre Katze und ein paar Hühner kümmert. Die Idylle wird jäh unterbrochen, als Brialynne entsetzt feststellen muss, dass nachts ein dreister Dieb ihre wertvolle Axt gestohlen hat. Die Fußspuren machen schnell klar: Der Dieb ist längst über alle Berge bzw. hat vermutlich in die nächste Stadt, Duberdon, übergesetzt. Brialynne ist gezwungen, ihren Ruhestand zumindest vorübergehend zu unterbrechen und sich nach Duberdon zu begeben, wo ihr rasch klar wird: Hier geht es um mehr als um ihre gestohlene Axt. Orcs und Goblins drängen in die Stadt, die von Menschen, Elfen und Zwergen beherrscht wird; der unterschwellige Rassismus gegen die grobschlächtigen Orcs und die etwas kleineren, aber nicht minder verhassten Goblins ist auf Schritt und Tritt spürbar.
Gleichzeitig wird Brialynne – und mit ihr der Spieler – mit gewaltigen Errungenschaften konfrontiert. Durch Duberdon fährt eine Tram, es gibt Autos, Zeitungen, Sandwich- und Eisverkäufer, eine bürokratisch äußerst penible Einwanderungsbehörde und eine nicht minder penible Polizeistation. Auf den Gehsteigen der sauberst geputzten Stadt stehen Bänke, die zum Verweilen einladen; wir sehen Springbrunnen und moderne Gebäude, die wir so in einem Fantasy-lastigen Spiel eigentlich nicht erwarten würden. Gemeinsam mit Brialynne dürfen wir einen vorerst kleinen Teil von Duberdon erkunden und mit ihr gemeinsam über den Fortschritt staunen. Kleinere Aufgaben sorgen dabei dafür, dass uns nicht langweilig wird, und die gut eineinhalb bis zwei Stunden Spielzeit für die ersten beiden Episoden vergehen so wie im Flug.
Altbekannte Old-School-Optik and all that jazz
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In Duberdon gibt es nicht nur Elfen, Zwerge und Orcs, sondern auch Straßenbahnen. |
Die Optik von 'Pendula Swing' darf man getrost als old school bezeichnen: Wir betrachten Brialynnes Zuhause, ihre Insel und den derzeit zugänglichen Teil von Duberdon aus der früher so gerne in Rollenspielen verwendeten isometrischen Sicht. Das macht manche Abschnitte, wie etwa Brialynnes Heim, sehr übersichtlich, ohne dass dabei an Details gespart wird. Im Zuhause der legendären Zwergenabenteurerin, deren Taten offenbar noch nicht vergessen sind, hängen Trophäen, es finden sich eine gut ausgestattete Küche und ein lauschiger Garten. In Duberdon, das wie aus dem Ei gepellt erscheint, dürfen wir uns über sauber polierte Pflastersteine freuen, elegante Statuen, idyllische Brunnen und liebevoll gezeichnete Hintergründe. Lediglich bei den Charakteren gehen aufgrund der isometrischen Ansicht Details verloren, und Brialynne ist auch die einzige Figur, die wir über unser Inventar etwas größer heranholen können – ähnlich wie in einem Rollenspiel.
Wer sich auf die Fahnen schreibt, Fantasy mit den Roaring Twenties zu vereinen, der darf natürlich auch in Sachen Musik nicht zurückstecken. Und so glänzt das Spiel vor allem mit einem sehr jazz-lastigen Soundtrack, gemischt mit einer gehörigen Portion Swing. Das macht Laune und passt überraschend gut zum Rest des Spiels, wie überhaupt die ungewöhnliche Mischung erstaunlich gut funktioniert. Die Geräuschkulisse wird ergänzt um Hintergrundgeräusche wie plätscherndes Wasser; eine Sprachausgabe gibt es nicht wirklich. Zwar hören wir die Charaktere „sprechen“, allerdings handelt es sich dabei mehr um unverständliches Gemurmel à la 'Die Sims' denn um verständliche Dialoge. Diese müssen vom Bildschirm abgelesen werden und sind derzeit nur auf Englisch verfügbar.
Quests, Quests, Quests!
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Im Questlog werden unsere Aufgaben festgehalten. |
Gut, das ist jetzt etwas übertrieben - „Quests“ im RPG-Sinn darf man bei 'Pendula Swing' nicht erwarten. Doch Brialynne sieht so ziemlich jede Aufgabe als Quest an, und wenn es nur darum geht, die Hühner zu füttern. Ein Questlog sorgt dafür, dass wir den Überblick über unsere Aufgaben nicht verlieren, wobei die Aufgaben in „noch zu erledigen“ und „bereits erledigt“ unterteilt werden. Zusätzlich ist im Notizbuch ein Abschnitt für Notizen vorgesehen, der aber vorerst noch leer bleibt; außerdem kann Brialynne sich Gedanken über mögliche Abläufe machen und quasi per Notizbuch Sherlock Holmes spielen. Last but not least hält das Notizbuch sämtliche Gespräche zwischen Brialynne und den Bewohnern Pendulas fest.
Die Aufgaben sind, zumindest in den ersten beiden Episoden, relativ einfach gehalten: Füttere die Hühner. Frühstücke etwas. Gelange nach Duberdon. Finde Hinweise auf den Axt-Dieb. Die bevorzugte Aufgabe ist jedoch: Tu jemandem einen Gefallen. Das erfordert in der Regel, dass man sich von A nach B über C zurück nach A bewegt. Allerdings hält sich das Laufen doch in sehr überschaubaren Grenzen, einfach, weil die betretbaren Bereiche selbst noch sehr überschaubar gehalten sind.
Bewegt wird Brialynne mit der guten alten Maus, ein Doppelklick lässt sie laufen. Ein Klick auf Gegenstände oder Personen sorgt dafür, dass Brialynne entweder einen Gegenstand an sich nimmt, benutzt (Inventargegenstände werden dort, wo sie gebraucht werden, automatisch eingesetzt) oder ansieht. Im Fall von Personen beginnt sie einen Dialog. Bei den Dialogen kann man sämtliche Optionen durchspielen, muss man aber nicht. In manchen Fällen macht die Auswahl einer bestimmten Antwort auch die übrigen Optionen obsolet, etwa, wenn Brialynne nach ihrem Namen gefragt wird. Sie kann dann entweder ihre Identität preisgeben oder einen falschen Namen nennen.
Technisches
Noch ein kurzes Wort zum Technischen: Da sich das Spiel noch in der Beta-Phase befindet und man am Ende einer Episode via Online-Fragebogen Feedback an die Entwickler geben kann, gibt es noch den ein oder anderen Bug bzw. die ein oder andere technische Unzulänglichkeit. So steht Brialynne in Dialogen gerne mal mit dem Rücken zum Gesprächspartner. Gegen Ende der zweiten Episode hatte ich außerdem in der Mitte des Bildschirms einen etwa 20 cm langen braunen Querbalken, der mir zeitweise die Sicht verdeckt hat, sowie etwas Kantenflimmern. Das sind Kinderkrankheiten, die hoffentlich mit der Zeit noch behoben werden. Ärgerlicher fand ich dagegen, dass ein Klick auf "Continue Game" im Hauptmenü irgendwann nichts mehr bewirkt hat, egal, wie energisch ich geklickt habe. Das Problem dürfte weiter verbreitet sein, laut den Entwicklern wird bereits daran gearbeitet.
Mit 'Pendula Swing' legt Valiant Game Studio einen sehr spannenden Genremix vor, der es schafft, Fantasy und die 1920er Jahre mühelos unter einen Hut zu bringen. Heldin Brialynne fügt sich nahtlos in eine Welt ein, die ihr eigentlich völlig fremd sein müsste und in der Straßenbahnen ebenso selbstverständlich sind wie spitzohrige Elfen, die sich auch mal der Magie bedienen. In welche Richtung die Geschichte gehen wird, ist derzeit nicht absehbar; man kann aber annehmen, dass es um mehr gehen wird als eine gestohlene Axt. Grafisch konnte das Spiel nicht zuletzt dank der isometrischen Ansicht voll bei mir punkten, und auch in Sachen Sound kann man 'Pendula Swing' nichts vorwerfen. Technische Probleme wie etwa ein äußerst lästiger Bug, der einen das Spiel nicht fortsetzen lässt, trüben derzeit allerdings noch den Spielspaß.
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Pendula Swing
- Entwickler
- Valiant Game Studio
- Publisher
- Valiant Game Studio
- Release
- 8. März 2020
- Spielzeit
- 4 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://pendulaswing.com/
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
6 Kommentare
Haargenau die Komponenten, die ich liebe.
Werde ich mir mal sehr genau unter die Lupe nehmen.