Letztes Jahr sorgte 'Tales of the Neon Sea' vom chinesischen Entwickler Palm Pioneer mit seiner außergewöhnlichen Pixel-Grafik für Aufsehen. Versprochen wurde ein klassisches Adventure, das zwar mit WASD und Controller gesteuert wird, aber dafür eine ganze Fülle an Rätsel enthalten soll. Mittlerweile ist es am 30. April erschienen und wir haben das Retro-Pixel-Adventure für Euch unter die Lupe genommen. Aber warum ist es jetzt nur eine Preview? Aktuell enthält das Spiel nur die ersten drei Kapitel. Dementsprechend endet es offen und zwar mit einem Verweis auf eine Fortsetzung. Die weiteren Kapitel erfolgen als Gratisupdate im September. Weiterhin sind noch optionale Fälle in Form von zwei DLCs für Ende 2019 in Entwicklung.
Traum oder Wirklichkeit?
Rex ist zu Beginn schwer angeschlagen und muss erst "gewartet" werden. |
Unser Abenteuer beginnt mit einem Traum. Ein maskierter Sensenmann verfolgt den Privatdetektiven Rex. Dieser muss schwer verletzt flüchten. Er entkommt dem potenziellen Mörder und kann sich provisorisch reparieren. Ja, reparieren, denn er ist nach einem Unfall eine halbe Maschine, ein Cyborg. Schließlich wacht er völlig verkatert auf.
Ob es nun ein Traum war oder nicht, obliegt unserer Interpretation. Immerhin hatte der Sensenmann eine gewisse Ähnlichkeit mit einem ungeklärten Serienmörder aus seiner Zeit in einer Spezialeinheit der Polizei. Diese Zeiten sind vorbei. Jetzt ist er ein typischer hard-boiled Detektiv, der aus dem Hong Kong-Kino entsprungen zu sein scheint. Frustriert betrinkt er sich und nimmt belanglose Fälle an. Wenn da nicht eine vermisste Person aus der Nachbarschaft wäre. Schnell stellt sich heraus, dass er auf den Spuren seiner Vergangenheit ist. Kann er mit dieser endgültig abschließen?
Alles in neon
Buntes Spektakel. Manche Hintergründe sehen fantastisch aus - vor allem in Bewegung. |
Schon das Hauptmenü erstrahlt in kräftigem neonpink. Diese kräftigen Lichteffekte ziehen sich durch das ganze Spiel: Gelb, strahlendes blau und grün sind nur einige Beispiele für die strahlenden Lichtspiele von 'Tales of the Neon Sea'. Die leuchtenden Farben wirken nicht nur kunterbunt, sondern liefern auch wunderschöne Lichtspiele. Das chinesische Studio spielt zwar mit dem bewussten Retro-Look, nutzt aber moderne Beleuchtungseffekte und so werden Figuren in die bunten Lichter getaucht, Schatten bewegen sich und Reflexionen sind sichtbar.
So ganz nebenbei spielen auch einige Rätsel mit diesem farbkräftigen Stil. Alles in allem wirkt das Adventure deswegen wunderschön und das Erkunden macht umso mehr Spaß. Es ist ein Musterbeispiel dafür, dass Pixel-Optik trotzdem zeitgemäß und hübsch aussehen kann. Vor allem die Metal-Titelmusik fügt sich perfekt in dieses Noir-Cyberpunk-Setting ein. Die Musik während des Spielens ist dagegen eher unaufdringlich und rückt selten in den Vordergrund.
Rätsel stehen im Vordergrund
Das vielfältige Rätseldesign überzeugt, bietet aber auch wirklich harte Kopfnüsse. |
Bereits in den ersten Minuten begegnen wir einem Logikrätsel. Schalter müssen strategisch umgelegt, die Energieversorgung wiederhergestellt oder riesige Maschinen Schritt für Schritt in Gang gesetzt werden. Während der Einstieg recht schnell zu lösen ist, zieht der Schwierigkeitsgrad mit der Zeit immer weiter an. Im zweiten der drei Kapitel ist das erstmals spürbar und so ein Maschinenrätsel kann dann auch mehrere Bildschirme füllen. Gegenstände müssen bewegt werden, auf Werkbänken auch mehrfach kombiniert werden und ganze Schalterkonsolen immer wieder neu justiert werden. Daneben dürfen Schieberätsel natürlich nicht fehlen.
Umstrittener werden jene Rätsel sein, die Timing erfordern. Manchmal muss man nämlich in einem Zeitfenster bestimmte Dinge relativ präzise timen. Das führt dazu, dass man zuerst herausfinden muss, was man überhaupt tun soll, um danach das Timing noch zu meistern. Hier sei deswegen darauf hingewiesen, dass hauptsächlich Rätselfreunde von 'Tales of the Neon Sea' angesprochen werden. Vor allem die zweite Spielhälfte ist nämlich fast eine Rätselorgie, wo man von einem ins nächste Rätsel stolpert.
Die Problematik der Lokalisierung
Eine Sprachasugabe gibt es nicht. Text-Wände wie diese sind jedoch selten. Noch ist die Übersetzung etwas holprig. |
Die Chinesen ziehen sich bewusst den Retro-Mantel an, weshalb eine Sprachausgabe völlig fehlt. Vielmehr liest man Dialoge, Tagebucheinträge oder sonstige Infos in der ausgewählten Sprache. Da diese nie zu lang sind, wäre diese Vorgehensweise auch in Ordnung. Leider ist die Qualität der Übersetzungen jedoch nicht ganz zufriedenstellend. Die deutsche Sprachausgabe wurde derzeit vollkommen herausgenommen, da die Qualität völlig katastrophal war.
Laut Palm Pioneer wird diese derzeit überarbeitet und später wieder hinzugefügt. Die englische Übersetzung ist jedoch auch nicht makellos. Tippfehler, grammatikalischen Mängel oder einfach schräge Formulierungen findet man in nahezu jedem kurzen Text. In den späteren Kapiteln wird die Qualität zwar etwas besser, aber selbst einfache Formulierungen haben teilweise wieder einen frappierend offensichtlichen Fehler drin, der nur zum Kopfschütteln anregt. Auch hier scheint der Entwickler weiter nachzubessern.
Offenes Ende und trotzdem empfehlenswert?
Rex' Katze William spielt eine wichtige Rolle im Abenteuer. |
Aufgrund der Umstände ist es schwierig eine abschließende Wertung zu finden. Rex befindet sich inmitten der Ermittlungen zum Mordfall und nach den 12 bis 15 Stunden Spielzeit möchte man eigentlich gerne wissen, wie es weitergeht. In dieser Zeit erledigt man hingegen so viele Rätsel und bewältigt auch mit der Katze William als spielbaren Sidekick so einige Hindernisse und Aufgaben. Deswegen ist das Pacing ohnehin nicht perfekt, da immer wieder längere Rätsel aus der eigentlich rasanten Story herausreißen.
An manchen Stellen kann Rex auch sterben. Vor allem in den letzten Spielstunden häufen sich diese Sequenzen, sind aber stets fair und bewältigbar und bieten auch immer gut gesetzte Speicherpunkte. Die Zielgruppe von 'Tales of the Neon Sea' ist deswegen äußerst spitz formuliert, denn man sollte komplexe Puzzles mögen, Geduld für die zukünftige Fortsetzung aufbringen und auch von den manchmal auftretenden Spieltoden nicht zurückschrecken.
Ich bin kein Fan von offenen Enden, wenn sie ohne Erweiterung oder einen Nachfolger nur wenig Sinn machen. 'Tales of the Neon Sea' ist so ein Kandidat. Trotzdem hat es viel zu bieten. Die Rätsel sind stimmig in die Umgebung und die Geschichte eingefügt. Die Story hält die Puzzles gut zusammen, ist bei 'Tales of the Neon Sea' aber eher Beiwerk zur hübsch inszenierten Detektiv-Rätselei. Vor allem die letzten zwei Kapitel sind eine Aneinanderreihung von Rätseln ohne großen Story-Fortschritt, die nicht jedermanns Sache sein wird. Deswegen bleibt ein vorläufiger guter Eindruck, der erst durch die Fortsetzung abgerundet und präzisiert werden kann. Rätselfreunde können aber durchaus zugreifen. Hier sind einige schöne Kopfnüsse versteckt.
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Tales of the Neon Sea
- Entwickler
- Palm Pioneer
- Publisher
- Zodiac Interactive
- Release
- 30. April 2019
- Webseite
- http://www.zodiacinteractive.com/
- Art
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Crowdfunding
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
3 Kommentare
Zusätzlich kommen Ende 2019 noch die geplanten zwei DLCs.
Ich habe den Text im Beitrag angepasst.