Nach Daedalics Überraschungshit 'Edna bricht aus' erwarteten die Adventurespieler vom zweiten Spiel des Studios 'The Whispered World', dass es ein sehr gutes Adventure werden sollte und wurden nicht enttäuscht. Im Gegenteil: Das Spiel heimste eine Spitzenwertung nach der anderen ein und für viele Spieler zählt der Titel zum Besten, was das Genre zu bieten hat. Jetzt will der Hamburger Entwickler zusammen mit Publisher Deep Silver nachlegen und stellt an sich selbst den Anspruch, mit 'A New Beginning' ein noch besseres Spiel entwickelt zu haben, als es schon 'The Whispered World' war. Ein anspruchsvolles Ziel, nicht zuletzt weil das tragisch-komische Adventure um den Clown Sadwick die Adventure Corner Spitzenwertung von 92% erreichte – Kein Adventure erreichte bisher eine bessere Wertung. Wir haben den Titel, der vor dem Hintergrund einer Klimakatastrophe spielt, genau unter die Lupe genommen. Ob dabei wieder ein echtes Highlight herausgekommen ist, verrät unser Test.
Wir schreiben das Jahr 2500
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Zeitreisen und eine durch den Klimawandel verwüstete Welt sind die Bausteine zu Daedalics neuem Adventure. |
Durch den nie gebremsten Klimawandel ist die Erdoberfläche inzwischen unbewohnbar. In einem unterirdischen Bunker arbeiten die letzten Überlebenden an einem Plan, das Unvermeidbare doch noch abzuwenden: Das Erdmagnetfeld ist so schwach geworden, dass es einer unmittelbar bevorstehenden Sonneneruption keinen Widerstand mehr leisten kann – Das endgültige Ende der Menschheit steht unmittelbar bevor. In dieser schweren Stunde fasst ein kleines Team von Wissenschaftlern einen mutigen Entschluss. Einige Teams, jeweils bestehend aus zwei Zeitpiloten, sollen in die Vergangenheit reisen, um die Menschheit von einer Umkehr zu überzeugen: Nicht in den fossilen Brennstoffen oder der Atomenergie liegt die Zukunft. Eine unscheinbare Blaualge kann bereits in unserer Zeit den Energiebedarf der gesamten Menschheit decken – Ohne Abgase und ohne gefährliche Abfälle. Entdecker dieser Alge ist ein gewisser Bent Svensson. Und ebendieser hat ganz andere Sorgen: Vor zwei Jahren musste er die Arbeiten an seinem Lebensprojekt, aus gesundheitlichen Gründen einstellen. Zu spät, denn vor lauter Forschungsarbeiten hat er nicht nur seine Frau verloren, auch sein Sohn hat den Kontakt zu Bent abgebrochen. Einzig seine Therapeutin besucht ihn hin und wieder, um ihm deutlich zu machen, dass es nicht Bent Svensson ist, der für das Schicksal der Welt verantwortlich ist – Wie soll auch ein einzelner Mann den gesamten Planeten vor dem Untergang bewahren können? Doch Bent kommt nicht dazu, sich viel Gedanken über sein eigenes Leben zu machen, denn plötzlich landet ein Hubschrauber in seinem Garten. Ihm entsteigt eine junge Frau in Uniform, die sich als Fay aus der Zukunft vorstellt und Bent eine wichtige Nachricht überbringt: Die Zukunft der Welt liegt ganz allein in seinen Händen. Er muss unbedingt die Forschung an der Blaualge fortsetzen, sonst droht unserem Planeten der Kollaps – Und das bereits im Jahr 2050.
Zurück in die Vergangenheit
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Zeitreisen? Die Explosion eines Superkraftwerks? Bent glaubt Fay kein Wort. |
Dem brillanten Wissenschaftler ist natürlich auch klar, dass der Klimawandel bereits im Gange ist und dass etwas getan werden muss. Nicht so glaubwürdig findet er aber Geschichten von Zeitreisen, was er Fay auch unmissverständlich klar macht. Um ihn zu überzeugen, beginnt Fay zu erzählen: Von Ihrem Zeitsprung ins Jahr 2050, in dem sie ein fast unbewohntes, dafür aber völlig verdrecktes San Francisco vorfand. Von den anderen Teams, die in Moskau, Paris oder Sydney landeten und dort ebenfalls nur unbewohnte und zerstörte Gebiete vorfanden. Von Salvador, der mit Ihr eine zweite Zeitreise angetreten hat, um die Menschheit noch weiter in der Vergangenheit auf einer Klimakonferenz in Oslo zu warnen und von Emilio Indez, einem Kraftwerkbesitzer, der am Amazonas riesige Atom-Meiler betreibt und dafür verantwortlich sein soll, dass schon in wenigen Jahren kein normales Leben mehr auf der Erde existiert. Und natürlich davon, wie sie schließlich den Entschluss fasst, Bent Svensson zu treffen und zu überzeugen. Doch als wäre das allein nicht schon schwer genug, gibt es eine ganze Schar Widersacher, die ebenfalls hinter der Alge her sind und vor keinem Mittel zurückschrecken, um die Forschungen zu sabotieren.
Öko-Thrill?
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Während Fays fantastischer Erzählungen mischt sich Bent immer mal wieder ein. |
Um es gleich zu Beginn deutlich zu machen: Daedalics neues Adventure holt zu keiner Zeit die Moral-Keule heraus. Vielmehr bildet die Thematik des Klimawandels den Hintergrund für eine spannend erzählte Geschichte, in der die Spieler abwechselnd Zeitfunkerin Fay oder Forscher Bent Svensson durch die insgesamt acht Kapitel steuern. Dabei geht es in der ersten Hälfte des Spiels vor allem darum, Fays Erzählungen nachzuspielen, in die sich auch immer wieder einmal Bent einmischt und seine Meinung zum Geschehen kundtut. So bewundert der Professor zwar die Fantasie der jungen und leicht naiv wirkenden Frau, glaubt ihr aber erstmal kein Wort. Daraus entwickeln sich interessante Dialoge, die während des normalen Spielgeschehens in kleinen Comic-Strips ablaufen und den Charakteren ein Profil verpassen und ihre Motive vermitteln. Doch damit nicht genug: Auch die Charakterentwicklung wird in 'A New Beginning' groß geschrieben. Ein Wert, den viele aktuelle Adventures oft schmerzlich vermissen lassen.
Die Synchronisation trägt ebenfalls einen großen Teil zu den sehr glaubwürdigen Charakteren bei. Wie schon bei 'The Whispered World' haben es die Entwickler geschafft, eine hervorragende Sprecherriege für die gut geschriebenen Dialoge zu verpflichten. Jürgen Holdorf als Bent und Simona Pahl als Fay harmonieren wunderbar. Was Ausdruck, Gefühl und Stimmung angeht, treffen sie ihre gezeichneten Figuren zu 100 Prozent und verleihen dem Spiel dadurch eine ganz besondere Atmosphäre. Gerade vor dem Hintergrund dieser hervorragend vertonten Hauptcharaktere fallen einige wenige Nebencharaktere qualitativ deutlich ab. Da diese aber ohnehin nur wenige Worte zu sagen haben, sieht man als Spieler gern darüber hinweg.
Untersuche, Nimm, Klettere
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Das Verbensystem von A New Beginning lässt Bent sogar mit blauen Stoffhasen reden... |
'A New Beginning' wartet mit einer typischen Point’n’Click-Steuerung auf: Mit der linken Maustaste werden die „Öko-Terroristen“, wie Befürworter der herkömmlichen Energiequellen Bent und Fay gerne nennen, durch die über 100 Schauplätze manövriert. Trotz der fehlenden Möglichkeit, die Charaktere rennen zu lassen, geht der Bildwechsel per Doppelklick auf den Ausgang schnell voran. Innerhalb der einzelnen Screens hat man Wert auf kurze Laufwege gelegt, so das diese Funktion uns während des Tests nie gefehlt hat. Per Rechtsklick lassen sich Dialoge abbrechen oder das Inventar am unteren Bildschirmrand anzeigen. Hält der Spieler die linke Maustaste über einem der vielen Objekte gedrückt, öffnet sich ein Verben-Menü. Dafür hat sich Daedalic etwas Besonderes ausgedacht: Man will den Spielern mehr bieten als die Standard-Aktionen Ansehen, Mitnehmen und Benutzen. Dafür wurde um jedes Objekt und jeden Charakter ein eigenes Verbenmenü gebastelt, das genau auf die Situation zugeschnittene Möglichkeiten bietet: Auf einen Eisenträger kann man beispielsweise klettern, ein Mikroskop fokussieren oder einen Gegner bespucken. Freilich wirken sich diese Möglichkeiten nicht groß anders aus, als die üblichen Verdächtigen anderer Adventures. So vermeidet Daedalic aber viele Fehlversuche und sorgt für Abwechslung beim Füllen des Inventars. Damit auch alle interaktiven Objekte gefunden werden können, gibt es natürlich auch bei 'A New Beginning' eine optionale Hotspotanzeige. Spieler, die ihre ersten Schritte im Genre unternehmen, freuen sich über ein zuschaltbares Tutorial. Auf weitere Hilfsmittel, wie z.B. ein Tagebuch oder eine Rätselhilfe wurde verzichtet. Dank einer immer klaren Aufgabenstellung und der meist recht übersichtlichen Anzahl von Gegenständen im Inventar ist das aber auch nicht notwendig.
Wie man die Zerstörung der Welt verhindert
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Für Rätsellösungen muss hin und wieder um die Ecke gedacht werden. |
Auf dem Weg zum überraschenden Ende gibt es für den Abenteurer viel zu erledigen. Der überwiegende Teil davon besteht aus klassischen Kombinationsrätseln, in denen Inventargegenstände untereinander oder mit Objekten im Bild kombiniert werden müssen. Erfahrene Spieler werden sich freuen, dass nicht jede Lösung gleich vorhersehbar ist und auch einmal um die Ecke gedacht werden muss. Logisch bleiben die Lösungen zwar immer, Anfänger könnten aber an manchen Stellen hängenbleiben. Überrascht waren wir, dass 'A New Beginning' schon recht früh mit einem hohen Schwierigkeitsgrad aufwartet, der sich bis zum Ende hin mit wenigen Ausnahmen hält.
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Minispiele können nach kurzer Zeit per Knopfdruck übersprungen werden. |
Neben kniffeligen Rätseln wartet 'A New Beginning' aber auch mit Minispielen auf, die allesamt recht gut in die Geschichte des Spiels eingebunden wurden. Beispielsweise muss über elektrische Kontakte eine Bombe entschärft, mittels Pumpensteuerung Wasser aus verschiedenen Tanks abgelassen, oder verschlüsselte Daten auf einem digitalen Fernglas gefunden werden. Wer sich mit dieser Art von Rätseln nicht herumplagen möchte, darf die Minispiele abbrechen – ein entsprechender Knopf wird nach kurzer Zeit eingeblendet. Eines haben dann aber doch alle Rätsel gemein: Sie laufen in einer recht linearen Reihenfolge ab.
Comiclook
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Die Grafik hinterlässt einen hervorragenden Eindruck. |
Das Daedalic Verfechter von 2D-Adventures sind, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Und so verwundert es kaum, dass man in 'A New Beginning' noch einen Schritt weiter zum Comic gegangen ist, denn alle Zwischensequenzen laufen als animierte Comic-Strips ab. So freuen wir uns über kleine, animierte Bilder und Sprechblasen. Eine ungewöhnliche, aber klasse umgesetzte Idee. Einige dieser unzähligen Zwischensequenzen sind zusätzlich interaktiv, der Spieler darf dann den Fortgang der Dialoge selbst bestimmen und kann so die Gespräche ausdehnen oder abkürzen.
Doch auch zwischen den Cutscenes dürfen wir wieder wundervoll gezeichnete Screens bewundern, die mit viel Liebe zum Detail gestaltet wurden und diesen unverkennbaren Daedalic-Stil versprühen. Im Gegensatz zu 'The Whispered World' gibt es auch keine inaktiven Szenarien mehr, überall gibt es etwas für die Weltretter zu tun. Und auch darüber hinaus beleben kleine Animationen die Szenerie, ohne dabei aber zu aufdringlich zu werden.
Licht und Schatten
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In der großen Darstellung überzeugen die Charaktere. Werden sie kleiner, finden sich vermehrt Kanten und Pixel. |
Die Charaktere sind wie schon in 'The Whispered World' wieder hervorragend gezeichnet und bieten jetzt sogar noch etwas mehr an Bewegungsanimationen. Wie detailliert die Figuren gezeichnet wurden, erkennt man besonders gut, wenn sie einmal groß im Bild zu sehen sind. Leider sind es aber auch die Charakteranimationen, die einen der Schwachpunkte des Spiels bilden: Werden die Figuren kleiner, verpixeln sie irgendwann. Und bei den größeren Bewegungsabläufen stellt man fest, dass ein paar Bilder mehr der Animation gut getan hätten. Das ist dann aber auch schon Meckern auf sehr hohem Niveau und ist lediglich ein kleiner Schönheitsfleck dem ansonsten hervorragend gezeichneten Spiel.
Ein Manko, das zum einen der Technik von 2D-Spielen und zum anderen der langen Entwicklungszeit geschuldet ist, liegt in der grafischen Auflösung. 'A New Beginning' kommt von Haus aus in der festen Auflösung von 1024x768 Pixel. Zwar werden auch größere Auflösungen unterstützt, dann wird das Bild jedoch gestreckt. Auf Widescreen-Monitoren wird links und rechts ein schwarzer Balken eingeblendet, sodass das Bild nicht verzerrt. Wer eine höhere Auflösung eingestellt hat, kann das Spiel alternativ auch im Fenster in der dafür vorgesehenen Auflösung spielen. Das ist zwar ungewohnt, funktioniert aber problemfrei.
Soundtrack zum Weltende
Meist ist es ein Kreuz mit den Spielesoundtracks: Bietet das Spiel einen tollen Soundtrack, kann man diesem nur im Spiel lauschen. Langweilige Scores werden hingegen als MP3-Download zur Verfügung gestellt oder liegen gar dem Spiel bei. 'A New Beginning' kommt in der Erstausgabe mit einer eigenen Soundtrack-CD und das völlig zu Recht. Die musikalische Untermalung könnte nicht nur direkt aus einem Hollywood-Blockbuster stammen, sondern schafft es auch hervorragend, immer die passende Stimmung einzufangen. Beginnend bei den melancholischen Klängen, die Bent begleiten, über den 80er-Jahre Pop mit der man auf der umgebauten Bohrinsel einen Arbeiter konfrontiert bis zum von dramatischer Musik unterlegten Finale vermag es der Soundtrack, die Atmosphäre zu unterstützen. Ebenso überzeugend fügen sich die Umgebungsgeräusche in das Spiel ein – Nur in ganz seltenen Fällen passen die Töne nicht wirklich zum Geschehen, wenn Bents Schritte im Urwald auf Sand beispielsweise noch so klingen, wie zuvor auf dem metallenen Boden der Bohrplattform. Hier hätte noch ein klein wenig Feintuning geholfen.
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Fazit:
Daedalic beweist mit 'A new Beginning' einmal mehr, dass sie eine hervorragende Adventure-Schmiede sind. Die spannende Geschichte vor dem Hintergrund eines Klimakollaps verbindet Science-Fiction geschickt mit einem Öko-Thriller, ohne aber jemals die Moral-Keule zu schwingen. Stattdessen erwarten den Spieler anspruchsvolle Aufgaben, tolle Grafiken, gleichermaßen glaubwürdige und sympathische Charaktere und ein überraschendes Ende. Zwar ist der Begriff „Thriller“ etwas hoch gegriffen, dennoch bleibt die Geschichte bis zum Ende spannend. Für Punktabzug sorgen lediglich kleinere Kritikpunkte wie die statische Auflösung, kleinere Schwächen bei der Charakteranimation oder die recht lineare Handlung. Darüber sieht man aber aufgrund der toll geschriebenen Dialoge und dem unverbrauchten Setting gern hinweg. Extra-Pluspunkte verdient sich Daedalic für das Verbensystem, soetwas würden wir gern in mehr Spielen sehen. Wir sind uns sicher: 'A new Beginning' ist zwar nicht die neue Genre-Referenz, aber bisher das beste Adventure des Jahres.
Systemanforderungen | Weitere Links |
Windows 2000/XP/Vista/7 Pentium 2 GHz oder gleichwertig 1 GB RAM DirectX9.0c-kompatible Soundkarte DirectX9.0c-kompatible Grafikkarte mit 256 MB Grafikspeicher 4 GB Festplattenplatz DVD-Laufwerk, Maus | Offizielle Homepage Spiel kaufen ![]() |
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Dieses Review gehört zu A New Beginning.