In zwei ausführlichen Vorschauartikeln stellten wir euch 'The Westerner' vom spanischen Entwicklerstudio Revistronic bereits vor und in beiden Fällen kam das 3D-Point & Click-Adventure mit einer "ausgezeichneten" Einschätzung davon. Ob das endgültige Produkt diesen Eindruck nun auch tatsächlich unterstreichen kann, zeigt euch unser Test...

Ein Cowboy unterwegs
Wenn ein Cowboy auf Reisen geht, dann kann er was erleben. Und im Falle von Fenimore Fillmore bedeutet dieses harmlose Wort eine ganze Menge: Wurde er doch nur durch die hinterhältige Attacke eines stechwütigen Kaktus ins Rampenlicht gedrängt, um sich kurz darauf als mehr oder weniger einsamer Held gegen den übermächtig scheinenden Großgrundbesitzer Starek stellen zu müssen, der die Farmer der Umgebung nach und nach um ihre Anwesen erleichtert. Zu allem Überfluß verguckt sich unser Protagonist dann auch noch in die Nichte eben jenes Bösewichts, obwohl diese schon einem anderen versprochen ist. Und wir dachten, wir hätten Probleme...
Stellen wir an diesem Punkt mal ganz schnell fest, dass 'The Westerner' Nichts und Niemanden und vor allem nicht sich selbst ernstnimmt. Eine Hollywood-Parodie hier, ein klein wenig Slapstick da und fertig ist der Spaßcocktail. Zwar ist das Spiel im Wilden Westen angesiedelt, jedoch erinnern zahlreiche Objekte an die heutige Zeit, darunter Mobil-Telegrafen, Überwachungskameras und Kreditkarten, um nur einige Beispiele zu nennen. Schade nur, dass die Story wenige Überraschungen birgt: Von Anfang an wissen wir, was zu tun ist und wir können beinahe allen Locations direkt zu Spielbeginn einen Besuch abstatten. Zwar macht diese Tatsache das Spiel nur unbedeutend weniger unterhaltsam, etwas mehr Spannung wäre jedoch für's nächste Mal erwünscht.
I shot a man in Reno... Vielfalt ist das Zauberwort, das 'The Westerner' auszeichnet. Gleich zu Beginn des Spiels bekommen wir so von zahlreichen Charakteren einige mehr oder weniger anspruchsvolle Aufgaben auf's Auge gedrückt. Das Wiederbeschaffen der eigenen Revolver ist dabei noch recht einfach, auch wenn wir zuvor zwei andere Aufträge erledigen müssen, damit wir endlich wieder in den Besitz unserer geliebten Schießeisen kommen können. Diese Art von Rätselaufbau ist bei 'The Westerner' jedoch an der Tagesordnung: Um ein größeres Ziel erreichen zu können, müssen wir erst mehrere, zumeist kleinere, Rätsel lösen. Glücklicherweise sind diese durchgängig mit purer Logik zu lösen, so dass auch Anfänger wenig Probleme haben dürften.
Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Actioneinlagen, die vom Spieler etwas mehr Schnellig- und Geschicklichkeit verlangen. So gilt es zum Beispiel an einem Schießstand innerhalb einer festgesetzten Zeitspanne eine bestimmte Anzahl von Pappfiguren zu treffen, um letztendlich nach mehreren Runden an einen anderen wichtigen Gegenstand zu kommen. Anders verhält es sich mit den "Action Events", die wir bereits aus anderen Adventures wie 'Baphomets Fluch 3' kennen: Auch dort gilt es eine Aufgabe innerhalb kürzester Zeit zu erledigen, wobei Fenimore allerdings zu keiner Zeit sterben kann. Solltet ihr eine solche Sequenz jedoch nicht auf Anhieb schaffen, fangt ihr diese direkt wieder von vorne an.
Geld regiert die Welt
Mal ehrlich, wer hat als kleines Kind nicht davon geträumt nach Herzenslust die Schubladen und Schränke aller möglichen Personen nach Dollarscheinen zu durchsuchen? In 'The Westerner' bekommt ihr dazu nun endlich die Möglichkeit, denn Fenimore benötigt für seinen Auftrag Geld. Viel Geld. Mit einem prall gefüllten Portemonee dürft ihr nämlich nicht nur auf Shopping-Tour durch den örtlichen Gemischtwarenladen gehen, sondern auch an lustigen Spielwettbewerben teilnehmen, wie zum Beispiel dem Zarzaparilla-Trinkduell. Ganz im Stile eines 'Monkey Island' führt ihr ein Beleidigungsduell mit Reimen, bei denen der Verlierer neben seiner Ehre auch stets einen Dollar verliert. Wer seine Ersparnisse im echten Leben hingegen lieber in Naturalien anlegt, dem wird das Anbauen von Karotten sicherlich viel Vergnüngen bereiten. Denn unser treues Pferd Ray benötigt eben jenes Bauernhofzeugniss, damit es unseren Helden von A nach B transportiert. Für jede Wegstrecke muss eine Karotte dran glauben, was demnach bedeutet, dass regelmäßig für Nachschub gesorgt werden muss. Den beschaffen wir uns entweder durch ehrliche Arbeit auf einem der beiden Bauernhöfe oder für ein paar lumpige Dollar im Laden. Ungeduldige Zeitgenossen werden dies als nervig einstufen, was es zugegebenermaßen zeitweilig auch ist.
Erfreulich klassisch
3D-Adventures müssen oftmals schon vor ihrer Veröffentlichung damit rechnen, mit reichlich Dreck beworfen zu werden. Schließlich nimmt der tpyische Adventurespieler von gestern, heute und morgen Worte wie "Joystick" oder "Gamepad" nach wie vor noch relativ ungern in den Mund. Die spanischen Entwickler von Revistronic haben wohl nicht nur deshalb gut daran getan, 'The Westerner' eine waschechte Point & Click-Steuerung zu spendieren. Diese ist nämlich so erstaunlich präzise und intuitiv ausgefallen, dass sich bereits nach kurzer Spieldauer herausstellt, dass Maus und 3D ein nahezu perfektes Team abgeben.
Fenimore stellt sich lediglich bei der Navigation durch etwas stärker bebaute Gebiete wie der Westernstadt etwas schusselig an, da wird dort oftmals nicht ganz genau auf den Ort klicken können, zu dem wir uns hinbewegen wollen. Das bedeutet für den Spieler jedoch nur eines: Kleine Zwischenschritte sind auf dem Weg zum Erfolg nötig.
Euch stehen in 'The Westerner' die typischen Adventurebefehle zur Verfügung, die da wären: Gehen, Betrachten, Sprechen und Nehmen/Benutzen. Für die Funktion des Betrachtens schaltet das Spiel in die Ego-Perspektive um, damit ihr ein Objekt etwas genauer betrachten könnt. Dadurch wird es aber leider auch unmöglich, dass Fenimore einen Kommentar zu dem von ihm unter die Lupe genommenen Gegenstand abgibt.
Wie im Kinosessel Wie bereits erwähnt, setzt 'The Westerner' auf eine 3D-Engine. Das hat insofern den Vorteil, dass es den Entwicklern so unter anderem möglich war, kinoreife Kameraeinstellungen zu installieren. Und wer sich die Grafik des Spiels einmal näher angesehen hat, dem wird die Ähnlichkeit zum Pixar-Film 'Toy Story' sowieso schon aufgefallen sein. So gesehen präsentiert sich 'The Westerner' also äußerst oskarreif, was auch an den wunderbaren Animationen der Charaktere liegt: Im wilden Westen werden nämlich nicht nur die Gesichter verzogen, sondern die gesamte Körpersprache ist nicht nur wunderbar gemacht, sondern darüber hinaus auch unterhaltsam. In welchem Spiel rammt sich der Protagonist denn sonst eine Schubkarre in die eigenen Hosentaschen?
Die Zwischensequenzen werden natürlich ebenfalls komplett in der Spielengine dargestellt, so dass ein einheitlicher Grafikstil gewahrt bleibt. Dass diese selbstvertändlich auch durch cineastisches Flair bestechen, darauf muss an dieser Stelle wohl nicht weiter eingegangen werden...
Tragisch wird es hingegen, wenn wir uns schnell von einem Ort zum anderen bewegen möchten, denn Mr. Fillmore weigert sich schlichtweg, auch nur einmal auf seinen breitbeinigen Cowboy-Gang zu verzichten. Wir können die Wegstrecken weder durch einen Doppelklick verkürzen, noch traut sich unser Held etwas schneller fortzubewegen.
Howdy, Fremder!
Hamburg. Toneworx. Manfred Lehmann. Drei Begriffe, die man möglicherweise nicht auf Anhieb miteinander in Verbindung bringen kann. Also versuchen wir's nochmal: In der schönen Stadt Hamburg findet sich das renommierte Tonstudio Toneworx, das uns bereits bei 'Baphomets Fluch 3', 'Runaway' oder 'Tony Tough' mit erstklassigen Synchronisationen verwöhnt hat. Für 'The Westerner' engagierte Publisher Crimson Cow hochkarätige Sprecher wie Manfred Lehmann, die deutsche Stimme von Bruce Willis, und Jens Wendland, der sich als Radiomoderator und Imitator zahlreicher berühmter Persönlichkeiten einen Namen machte. Und um jetzt auf den Anfang unseres kleinen Exkurses zurückzukommen: Natürlich übernahm Toneworx die Synchronisation von 'The Westerner' und erneut bleibt uns an dieser Stelle nur ein Fazit - ausgezeichnet. Das selbe gilt mit einigen wenigen Abstrichen auch für die Soundeffekte und die Hintergrundmusik. Während letztere extra für die deutsche Version des neuen Fenimore Fillmore-Abenteuers neu aufgenommen wurde, quietschen, knarren und knallen uns aus den Boxen allerortens gut gemachte Geräusche um die Ohren, auch wenn man wohl nie das Gefühl los werden wird, das alles schon mal irgendwo gehört zu haben.
Das Spiel im Spiel
Mit 'The Westerner' werdet ihr gut 15-20 Stunden beschäftigt sein, Adventure-Veteranen schaffen's aber vermutlich noch schneller. Damit euch jedoch nicht allzu schnell langweilig wird, liegt dem Spiel noch der Vorgänger '3 Skulls of the Toltecs' auf einer Extra-CD bei. Da dieses nette Adventure aus dem Jahre 1996 außerdem noch fit für moderne Betriebssysteme gemacht wurde, könnt ihr euch direkt nach Beendigung (oder alternativ vor dem Start) des 'Westerners' in viele weitere Stunden Wildwest-Atmosphäre stürzen.
Zwei Tipps noch zum Schluß: Zwischensequenzen und Dialoge könnt ihr durch Druck auf die "ENDE"-Taste überspringen. Und schaut euch unbedingt den gesamten Abspann an, Lachanfall garantiert!

Nach mehrmonatiger Verschiebung ist er also endlich da, der 'Westerner'. Und das Warten hat sich vollends gelohnt - abgesehen von der schicken 3D-Grafik, der sehr sorgfältig gestalteten Steuerung und dem durchweg logischen Rätseldesign bietet Fenimore Fillmores neuestes Abenteuer vor allem eines: Unglaublich viel Spielspaß. Wer einmal mit dem Spielen begonnen hat, wird so schnell nicht wieder von 'The Westerner' los kommen.
Negativ anzumerken sind lediglich das unter Umständen recht nervtötende Karrottenanbauen und die nicht wirklich einfallsreiche Story - jedoch fällt das im Endeffekt kaum ins Gewicht. Erfreuen wir uns einfach an einem weiteren Toptitel unseres Lieblingsgenres, denn mit Spielen dieser Qualität wurden wir in den vergangenen Jahren nicht oft verwöhnt.
-
The Westerner
- Entwickler
- Revistronic
- Publisher
- Crimson Cow
- Release
- 12. März 2004
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Webseite
- http://www.fenimorefillmore.com/
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- The Westerner bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
10 Kommentare
Ist jemand hier zufällig Fan von Johnny Cash??
Ich find' es immer lustig, von Reno zu lesen... habe dort 14 Monate meines Lebens verbracht, wirklich ne einzigarte und seltsame Stadt...
Ok, das war nicht zum Thema, ich weiß!
Wie gehtn das? Und kamen bei URU die Reviews erst später, weil die Rätsel en bissel schwierig sind?
Nur mal so ne Frage am Rande, wenns kein Betriebsgeheimnis ist, dann könntet ihr ja vielleicht bisschen drauf antworten
Jo, achte Tage sind auch nicht so lang, das stimmt, aber auf Adventure-treff gings auf jeden Fall länger.
Und so schwer ist jetzt Schizm 2 auch wieder nicht.
Kann mir vielleicht einer bei dem Spiel weiterhelfen? Ich sitze gerade beim Schwein fest. Hab wohl irgendwo das Brecheisen übersehen (hab die Info als ich verzweifelt in die Lösung geschaut hab *schäm*) und jetzt komm ich aus dem Teil nicht mehr weg. Das Schwein schläft, das Rad bewegt sich nicht und ein Ausgang ist auch nicht in Sicht.
Und ich denk dochmal nicht, dass es heutzutage noch Adventures gibt, bei denen man den Karren so festfahren kann, dass man neu starten darf, oder?