Moderne Adventures kommen meist im 3D-Gewand daher. Deconstructeam bricht diese Regel und schickt ihr Noir-Cyberpunk-Adventure mit hübschem Pixellook ins Rennen. Die Macher von 'Gods Will Be Watching' setzen zusammen mit Devolver Digital auf ein modernes Konzept mit viel Einflussnahme auf Geschichte und Dialoge, aber bewusst minimalistischer Interaktion – dazu passt die Optik perfekt. Ob dieser Minimalismus klappt, erfahrt Ihr in den nächsten Zeilen.
Freier Fall in die Bar
Es beginnt typisch postmodern mit dem Ende und einer Rückblende. Zwei der drei Hauptcharaktere sind in der Bar 'The Red Strings Club'. Was wäre schon ein Noir-Adventure ohne eine ordentliche Cocktailbar? Der Hacker Brandeis sitzt am Piano und spielt die Hintergrundmusik. Donovan, der mysteriöse Barkeeper, putzt Gläser und soll Brandeis einen seiner legendären Cocktails zubereiten. Das sind nicht irgendwelche Getränke, sondern perfekt an Gefühle angepasste Mixes – die Spezialität Donovans.
Im folgenden Minispiel, das eines der Hauptinteraktionen und Hauptentscheidungen im Spiel sein wird, müssen wir mit einigen Grundzutaten die Mixe perfekt auf die Gefühlslage abstimmen und obendrein noch entscheiden, welches Gefühl wir denn ansprechen wollen. Dabei wird schon früh klar, dass alles im Spiel Konsequenzen hat. Selbst die banale Entscheidung welches Gefühl wir ansprechen, kann später drastische Folgen haben. Das zieht sich wie der namensgebende rote Faden durchs gesamte Spiel. Diesen können wir per Mausklick auch ständig verfolgen. Somit bleibt immer im Auge, was denn bis jetzt entschieden wurde und wie weit wir im Spiel fortgeschritten sind.
Surreales Spiel mit der Moral
In vier bis fünf Stunden weiß 'The Red Strings Club' trotz Minimalismus in den Bann zu ziehen und stets fragt man sich, ob man richtig entschieden hat. Dabei werden moralische Fragen zu künstlicher Intelligenz, aber auch Gesellschaftsprobleme angesprochen. Im düsteren Noir Flair gemischt mit einer ordentlichen Prise Cyberpunk versteckt sich ein Spiel, das aktuelle Themen aufgreift und dem Spieler einen Spiegel vorhält. Was würden wir denn tun, wenn wir etwas verändern könnten?
Mit wahlweise auch deutschen Texten – Sprachausgabe gibt es keine – erleben wir per Maussteuerung so eine intensive Geschichte, die äußerst abwechslungsreich ist und viele Überraschungen mit sich bringt. Selten spielt man ein so fesselnd und hervorragend geschriebenes Spiel, das ohne große Gameplay-Elemente auskommt. Neben Dialogen und dem Mixen von Getränken müssen wir auch das eine oder andere Objekt herstellen und stets darauf achten, was wir als moralisch vertretbar erachten. Somit ergibt sich auch der Wiederspielwert, denn die Geschichte bietet so einige verschiedene Entscheidungsstränge und so auch verschiedene Enden. Ganz im Sinne des berühmten, falschen 'Casablanca'-Zitats: „Spiels noch einmal Sam“.
Minimalismus statt Retro
Der Stil des Spiels könnte nicht stimmiger sein. Die Musik ist von Jazz und elektronischem Deep House inspiriert und weiß so angenehm und passend die dramatische Story zu untermalen. Dabei passt sich die Musik an die Spannung an und spielt in der Bar typische „Chillout“-Töne oder bei traurigen Szenen schon einmal jazzige Klaviermusik. Die Retro-Optik ist dabei nicht bewusst Retro, sondern – wie bereits erwähnt – minimalistisch, um nicht vom Spiel abzulenken. Das bedeutet nicht, dass sie detailarm ist, oder gar schlecht gezeichnet ist. Im Gegenteil, Farbgebung, Detailreichtum und die spärlichen Animationen sind überzeugend und gut gelungen.
Ebenso minimalistisch ist die Steuerung, die nur mit der linken Maustaste auskommt. Hier zeigen die Minispiele als Barkeeper, oder diverse Töpferei-Aufgaben, dass dabei nichts an Tiefe verloren geht. Das Gameplay wird bewusst zurückgeschraubt. All das dient zur ablenkungsfreien Untermalung des wichtigsten Teils des Spiels: Der Geschichte.
Quiz mit einem Androiden
Im Spiel erfährt man nicht nur etwas über die Charaktere, sondern auch über sich selbst. So ist eines der wiederkehrenden Elemente ein kleines Frage-Antwort-Spiel zwischen einem Androiden und dem Barkeeper Donovan. Hier soll man Dialoge hinterfragen und die richtige Antwort wählen. Am Ende steht immer eine moralische Frage, die kein „Richtig“ oder „Falsch“ zulässt, sondern stets die eigene Weltanschauung hinterfragt. Dass das nicht ohne Konsequenzen bleibt, ist fast selbstverständlich. Weniger selbstverständlich ist, dass wir schon im ersten Monat des Jahres 2018 ein brillantes Adventure spielen können. Denn genau das ist 'The Red Strings Club'.
Mit leichten Fragezeichen wie viel Adventure in dem spanischen Projekt drinsteckt, ging ich an das Spiel heran. Optik und Setting waren vielversprechend, heißt aber oft nicht viel. 'The Red Strings Club' konnte aber von der ersten Minute weg überzeugend und völlig in den Bann ziehen. In den vier bis fünf Stunden Spielzeit erfährt man nicht nur einiges über die Spielwelt, sondern auch über sich selbst. Dabei geht es dem Spiel nicht nur um eine klare Technologiekritik, sondern darum, wie wir unsere Entscheidungen moralisch vertreten können. Das ließ mich auch noch Tage nach Ende des Spiels immer wieder daran denken und mich fragen, ob ich richtig entschieden habe. Ganz wie im Quiz gibt es hier nämlich kein "Richtig" oder "Falsch". Die eigene Moral entscheidet. Bei einem gibt es sehr wohl nur ein "Richtig": 'The Red Strings Club' muss gespielt werden. Ein erstklassiges Adventure, das die alte Schule und einen modernen Stil – ganz ohne Inventar – zu kombinieren versteht.
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The Red Strings Club
- Entwickler
- Deconstructeam
- Publisher
- Devolver Digital
- Release
- 22. Januar 2018
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award • Adventure des Jahres Redaktionswahl
- Webseite
- http://www.deconstructeam.com/en
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- The Red Strings Club im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
5 Kommentare
Hört sich interessant an.