Pendulo Studios tobt sich mit 'Blacksad: Under the Skin' aus und mischt einiges zusammen: Eine Prise Noir-Flair von 'Grim Fandango', antropomorphe Tierwesen wie in 'Fables' und das Gameplay von Telltale. Eine Messerspitze 'Sherlock Holmes' darf bei diesem Mix auch nicht fehlen und fertig ist ein amerikanischer, hard-boiled Whodunit mit der schwarzen Katze Blacksad als Privatdetektiv. Es geht um Mord, viel Gewalt und eine Geschichte voller Intrigen. Die USK- und PEGI-Siegel (ab 16) [Anm. d. Red: Ein anonymer Leser wies uns auf die richtigen Altersbeschränkungen hin, ursprünglich stand ab 18] bestätigen die erwachsene Handlung. Ob das Krimi-Adventure von Pendulo, YS Interactive und Microids die hohen Erwartungen und Vorschuss-Lorbeeren (u. a. gamescom-Award) erfüllen kann, lest Ihr in unserem Test nach.
Der Blues der gewaltsamen, rassistischen Nachkriegszeit der USA
Joe Dunn hat sich erhängt. Oder wurde er getötet? Ein Fall für John Blacksad. |
Früh morgens scheint das Licht trüb in den Boxclub. Putzfrau Mary Purnell betritt die Halle und sieht verwundert einen umgestürzten Farbeimer liegen. Es wartet Arbeit auf die Kätzin. Im Hintergrund ertönt das Knarren eines Holzbalkens, worauf sie sich verwundert umsieht. Erschrocken zuckt sie zusammen: Der Besitzer Joe Dunn hat sich erhängt!
Sonia Dunn, die Tochter des Besitzers, glaubt nicht an Selbstmord. Ihr Bekannter, der Gorilla Jake Ostiombe, empfiehlt ihr deswegen Privatdetektiv John Blacksad – den Protagonisten. Die Polizei hat in dieser düsteren Welt genug zu tun und kann niemanden für den aus ihrer Sicht glasklaren Selbstmordfall abstellen. Der schwarze Kater Blacksad spürt gleich, dass etwas nicht stimmt.
Comic-Fabelwesen treffen auf die raue Noir-Welt
Die harte Realität in 'Blacksad'. Politik, Gewalt und organisiertes Verbrechen sind Teil der Welt. |
Auf dem ersten Blick sieht 'Blacksad: Under the Skin' wie ein Comic mit Tieren aus, das sich nicht ganz ernstnimmt. Weit gefehlt! Die Spielwelt und auch die Geschichte des Adventures, basierend auf der spanisch-französischen, gleichnamigen Comicserie Blacksad, haben es in sich. Noir-Tristesse trifft Rassismus (Hautfarben sind hier Fellfarben und -Musterungen), Klassenkampf und organisiertes Verbrechen.
Dazu kommt der American Dream, in dem einfache Leute zu Sportstars werden und auf großen Werbebannern prangen. Der bekennende Kommunist und Kriegsveteran Blacksad steht im Zentrum dieses Kriminalfalls und versucht herauszufinden, was am Selbstmord faul ist. Das Ganze entpuppt sich – typisch für das Noir-Stilmittel – als großangelegte Verschwörung und man ist versucht niemandem zu trauen. Kurz nach Spielbeginn scheinen alle verdächtig zu sein.
Die Geschichte ist die Stärke von 'Blacksad: Under the Skin'. Man glaubt zu wissen, wer es war, doch mehrere, glaubwürdige Twists verändern noch einmal den zehn bis zwölf Stunden dauernden Fall. Pendulo Studios schafft es meisterhaft einen überzeugenden, gesellschaftskritischen Krimi in einem Adventure zu verpacken, der von Anfang bis Ende spannend bleibt. John Blacksad selbst mimt dabei den Protagonisten und auch den Erzähler – vollständig auf Deutsch vertont. Die englische Stimme konnte uns etwas mehr überzeugen – vor allem, wenn er sich eine kurze Zeit als Texaner ausgibt – aber die deutsche Version ist auch solide gesprochen. Einem Ausflug ins Krimi-Abenteuer steht also nichts mehr im Weg, oder?
Bugs und gewöhnungsbedürftige Optik
Optisch eigentlich solide. Die Tier-Menschen sind trotzdem gewöhnungsbedürftig. Ein rauchender Kater gefällig? |
Wenn da nicht die Bugs wären. Wir hatten vorab Zugang, weshalb ein Day 1-Patch vielleicht noch einiges verbessern kann. Trotzdem möchten wir von unserer Erfahrung berichten: So gut wie alle Bugs sind eher harmloser Natur und reine Schönheitsfehler. Hier fehlt mal ein Tagebucheintrag zu einer Person (Not_Found als Platzhalter), dort marschiert Blacksad in einem Szenenübergang durch die Wand und Clipping-Fehler finden sich in nahezu jeder Zwischensequenz. Gegenstände, die einfach so schweben, weil sie nicht richtig in der weiter entfernten Hand des Protagonisten liegen und Selbstdurchdringungen sind im grafischen Bereich öfter zu sehen. Die mystische Immersion hat darunter etwas zu leiden.
Eigentlich wäre die 3D-Optik ganz ordentlich, wenngleich manche Texturen verwaschen und unschön wirken. Vielmehr sind es aber die gewöhnungsbedürften Tiermodelle, die hier herausreißen können. Katzen, die ihre Zigarette inhalieren und durch die Nase ausatmen, oder teilweise schon etwas zu menschliche Züge haben. Nasen wirken teilweise unnatürlich menschlich, weibliche Katzen haben weibliche Rundungen und männliche Tierwesen gestählte Oberkörper.
Dann wären da noch die menschlichen Hände, die sie allesamt haben. Wer den aktuellen 'Cats'-Trailer kennt, kann von diesem Phänomen ein Lied singen: Wir reden vom sogenannten Uncanny Valley. Trotz Comic-Ästhetik taucht dieses Phänomen etwas häufiger auf und manche Figuren wirkten zumindest auf mich falsch. Das ist jedoch ein subjektiver Eindruck – hier muss jeder mit bewegten Bildern für sich selbst entscheiden. Vieles entsteht nämlich erst in der Bewegung oder in der Mimik.
Hat jemand Grim Fandango gesagt? Die Steuerung
Ganz so schlimm wie es dieser Boxer sieht, ist die Steuerung dann auch nicht. Wahrscheinlich hatte er kein Gamepad. |
Es ist nicht ganz so schlimm wie im alten Lucas Arts-Klassiker. Allerdings handelt es sich um eine direkte Steuerung mit fixen Kameraperspektiven. Per Tastatur oder Gamepad manövrieren wir John Blacksad durch die Räume und wechseln dabei per Tastendruck zwischen Hotspots im Blickfeld.
Mit Gamepad steuert es sich meistens ganz gut – aber eben nur meistens. 'Blacksad: Under the Skin' steuert sich manchmal etwas hakelig und unpräzise, funktioniert aber zumindest über weite Strecken halbwegs passabel. Nur in engen, dunklen Räumen kann es schon einmal eine Herausforderung sein durch das Gewirr durchzufinden. Point&Click-Steuerung gibt es keine. Puristen werden hier wahrscheinlich straucheln.
Telltalesque
Nur eines der Features, die es aus der 'Sherlock Holmes'-Spieleserie hineingeschafft hat. Ein genaues Beobachten durch die Katzensinne ist ebenso dabei. |
Das Gameplay orientiert sich zudem an einer (ehemaligen) narrativen Genregröße: Telltale Games. Logikrätsel sucht man vergeblich. Vielmehr sind es Entscheidungen, die den Fall entsprechend beeinflussen und so durchaus auch zum Tod führen können. Die automatischen Speicherpunkte sind aber hervorragend gelegt, denn stets muss man nur diese eine Entscheidung noch einmal ausführen. Beim Tod sind auch die Quick-Time-Events zu erwähnen. Action-Szenen gibt es dadurch, diese sind aber deutlich spärlicher als in den Telltale-Vorbildern. Pendulo legt bei 'Blacksad: Under the Skin' den Fokus klar auf die Story und die Dialoge.
Wie in der 'Sherlock Holmes'-Reihe gibt es in 'Blacksad' ein Deduktionssystem, das wichtige Hinweise kombinieren lässt und so den Fall vorantreibt. Dabei erfährt man stets per Hinweis, wann Kombinationen möglich sind und wie viele es derzeit sind. So treibt man den Fall weiter und schaltet oft erst den weiteren Vorgang frei. Hier gibt es entgegen der letzten 'Sherlock Holmes'-Titel jedoch keine Entscheidungsmöglichkeit.
Manche Deduktionen sind nicht ganz durchsichtig und enden im Trial & Error: Man klickt einfach alle Möglichkeiten durch, bis die richtige Lösung gefunden wird. Die meisten Deduktionen sind aber recht logisch und einfach zu lösen. Die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen bleiben obendrein spürbar. Der Ausgang des Falls muss also nicht bei jedem Durchlauf gleich sein. Das spiegelt sich auch in den im Spiel sichtbaren Charaktereigenschaften von Blacksad wider. Ob er dann wirklich so hard-boiled ist oder doch ein Kater mit Herz ist, entscheidet der Spieler selbst.
Pendulo Studio kann es noch! So habe ich zumindest bei der Geschichte von 'Blacksad: Under the Skin' reagiert. Ein spannender Kriminalfall mit vielen Wendungen, der bis zum Schluss fesselt. Dann kommen aber die unschöneren Momente: Bugs, Figuren, die zwar die durchs Budget begrenzten Animationen kaschieren, dafür aber schon mitten im Uncanny Valley stehen und eine unvorteilhafte Steuerung.
Wären diese Fehler nicht, gäbe es aus meiner Sicht einen Award und die Bestätigung der Vorschusslorbeeren. So bleibt es ein gut geschriebener Krimi mit Makeln, den man ruhig jedem Krimi-Adventure-Fan ans Herz legen kann. Alles in allem ist es kein schlechtes Spiel, das zeigt, was narrativ angelegte Adventures können: Gute interaktive Geschichten erzählen. Hier können die Spanier gern ansetzen und das nächste Adventure produzieren. Vielleicht mit etwas präziserer Steuerung und mehr Qualitätssicherung.
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Blacksad: Under the Skin
- Entwickler
- Pendulo Studios
- Publisher
- Microïds
- Release
- 13. November 2019
- Spielzeit
- 10 Stunden
- Webseite
- https://www.microids.com/game-blacksad-under-the-skin/
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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