Im Sommer 2020 wurde 'Cleo: A Pirate's Tale' via Kickstarter finanziert. Dahinter steckt ein einzelner Entwickler, Christoph Schultz. Trotz der kleinstmöglichen Team-Größe wurde das 2D-Pixel-Adventure aus Deutschland fast pünktlich fertiggestellt (für Windows PC und Mac), was nur wenige Crowdfunding-Adventures von sich behaupten können. Nicht selbstverständlich ist obendrein die deutsche Sprachausgabe. Ob sich ein Blick auf das humorvolle Spiel lohnt, das sehen wir uns im Corner-Test gründlich an.
Cleo auf hoher See
Im Zentrum des witzigen Pixel-Abenteuers steht Cleo, die gerne in alten Memoiren von berühmten Piraten schmökert. Liebend gerne würde sie ihrer Familie davon erzählen, doch sie stößt auf taube Ohren und soll ihrem Vater lieber in der Kneipe helfen. Als sie bald darauf einen Geist sieht, der für Chaos sorgt, will ihr niemand Glauben und soll zur Strafe auf hoher See mithelfen.
Dort lernt die Jugendliche einiges über Knoten und darüber, wie man richtig 'Kraken Fodder' spielt, aber die Dinge entwickeln sich nicht nach Plan und ein dramatischer Schiffbruch ist die Folge. Bald darauf wird von einer mysteriösen alten Frau auf ein waschechtes Piraten-Abenteuer geschickt, reist mit einem eigenen Schiff von Insel zu Insel, lernt neue Freunde kennen und sucht nach einem sagenhaften alten Schatz..
In die sympathische Hauptfigur kann man sich gut hinein versetzen und bei den weiteren Charakteren ist für Abwechslung gesorgt. Ein übertrieben gesprächiger Verkäufer darf nicht fehlen, aber es gibt auch noch Schrimps, die einen Zustelldienst betreiben, einen Seemann mit viel Cocktail-Erfahrung, einen sprechenden Papagei und vieles mehr.
Inhalt mit Humor und Aussage
Während die linear erzählte Geschichte von Humor geprägt ist, wird zugleich ein narrativer Faden verfolgt. Es gibt eine Botschaft und das Spiel verläuft sich nicht in witziger Nostalgie, wie es in den vergangenen Jahren im Point&Click-Genre oft zu sehen war. Parallelen zur 'Monkey Island'-Reihe und anderen Klassikern gibt es, doch CLEO: a pirate's tale klammert sich nie krampfhaft daran fest und verfolgt einen eigenen, unverbrauchten Humor. Wer sich noch nicht sicher ist, der sollte die Demo probieren. Sie ist tatsächlich ein prima Indikator.
Kritisieren würde ich am Inhalt primär, dass der Schlussabschnitt relativ kurz ist. Da wäre mehr möglich gewesen, zumal das Spiel kurz zuvor eine völlig neue Ebene eröffnet (auf die wir aus Spoiler-Gründen nicht näher eingehen wollen). Ich hätte gerne mehr Zeit in der Spielwelt verbracht und den einen oder anderen der zahlreichen Charaktere erneut getroffen. Nach geschätzt vier bis fünf Stunden Spieldauer sind die Credits stattdessen erreicht. Die Story funktioniert aber trotzdem recht gut.
Klassisch geprägte Rätselkost
Hat man sich mit der Steuerung arrangiert (mehr dazu im nächsten Abschnitt) sind die Rätsel allesamt nett und abwechslungsreich. Der Einfluss von LucasArts ist offenkundig, wobei der Schwierigkeitsgrad zwischen leicht und durchschnittlich schwer pendelt.
Cocktails kreieren (etwa um einer Riesenraupe bei einem sehr speziellen Haarwuchsproblem zu helfen), das kennen Point&Click-Fans allzu gut. Dass man einer bleichen Person bei der Suche nach der idealen Bräunung mit brennender Begeisterung helfen sollte ist selbstredend. Nebenbei gilt es u.a. Hinweise in Karten richtig zu deuten und es wird geangelt um einen seltenen Fischen zu fangen (wobei auf die passende Angelschnur und den passenden Köder zu achten ist). Auch Mini-Game gibt es: Mehrere Fingerknochen müssen wir im ersten Kapitel beispielsweise solange anklicken, bis alle endlich in der richtigen Position sind (wobei ein Knochen immer mit anderen Knochen zusammenhängt)
Als Draufgabe hat der Entwickler ein Kartenspiel kreiert: 'Kraken Fodder'. Im Duell mit anderen Spielfiguren werden dabei abwechselnd Karten gezogen und gewürfelt, wobei der Spieler der die höchste Zahl würfelt, u.a. die gegnerische Karte versenken darf (es gibt auch Karten mit anderen Fähigkeiten). Ziel ist es, das Deck des Gegners zu zerstören. Und ja, wer Kartenspiele nicht mag, der wird ein wenig Geduld brauchen - 'Kraken Fodder' ist zumindest für zwei Aufgaben wesentlich. Hat man die Regeln aber halbwegs begriffen, ist es nicht schwierig und kann Spaß machen.
Liebevolle Pixel-Umsetzung
Zwar lehnt sich Solo-Entwickler Christoph Schultz mit CLEO: a pirate's tale vorzugsweise an den Klassikern von LucasArts an, doch Grafik und Steuerung erinnern an alte Zelda-Rollenspiele der 1990er-Jahre (mit denen das Adventure ansonsten nicht viel gemein hat, denn es gibt keine Kämpfe).
Die 2D-Pixel-Grafik setzt auf eine für Adventures ungewohnte Top-Down-Perspektive. Nahezu sämtliche Schauplätze sind abwechslungsreich und individuell gestaltet, der putzige Grafikstil kommt gut zur Geltung. Ansonsten verzichtet das Gameplay auf eine Point&Click-Steuerung per Maus. Fortbewegung erfolgt wahlweise wie Tastatur/Maus (WASD), oder per Controller, wobei das Inventar sich auf zwei Bereiche aufteilt: Objekte aus dem Inventar können wir erst dann mit der Umgebung per Tastendruck kombinieren, wenn sie vorher im Inventar aktiviert wurden (ähnlich wie ein Hotkey). Zudem gibt es eine weitere Art von Gegenständen die separat gehandhabt werden, etwa Tagebücher und Anleitungen, die nach dem Auswählen mit einer zweiten Taste ebenfalls aktivierbar sind. Ein bisschen verwirrend wird das eventuell in einer Situation, wo ein Nachschlagewerk plötzlich mit der Umgebung zu kombinieren ist.
Praktisch ist die direkte Steuerung primär im Prolog, wo es eine kleine, aber völlig ungefährliche Kampfeinlage gibt. In fast allen anderen Situationen wäre eine klassische Maussteuerung am PC vermutlich intuitiver gewesen. Dennoch gewöhnt man sich im Normalfall schnell daran und keines der genannten Probleme ist eine echte Hürde..
Nun zur akustischen Untermalung. Der Soundtrack bietet angenehme, abwechslungsreiche Retro-Vibes, die gut zu den 2D-Schauplätzen passen. Keine Melodien die sich ins Hirn brennen, doch eine facettenreiche Musik die unaufdringlich und gut im Hintergrund bleibt. Dass für die Sprachausgabe kaum Geld zur Verfügung gestanden haben dürfte, ist zwangsläufig hörbar. Dennoch bleibt die deutsche Vertonung auf einem soliden Niveau, ohne negativ aufzufallen (selbst hier werden einige Rollen übrigens von Schultz selbst gesprochen). Die wichtigen Charaktere sind passend besetzt, bei manchen Nebenrollen sollte man nicht zu streng sein. Ähnliches gilt für die ebenfalls vorhandene englische Fassung.
Kickstarter-Backer haben in den vergangenen 10 Jahren gar nicht wenige Enttäuschungen erdulden müssen, aber 'CLEO' zählt nicht dazu. Selbst der versprochene Release-Termin wurde halbwegs eingehalten (die Verschiebung war minimal) und das fertige Adventure entspricht für meinen Geschmack ziemlich genau dem, was auf Basis der Demo zu erhoffen war.
Das ist umso bemerkenswerter, weil es sich hierbei um ein Solo-Projekt mit wenig Budget handelt. Entwickler Christoph Schultz hat somit hervorragende Arbeit geleistet. Es mag sein, dass nicht immer jeder Gag bei mir gezündet hat, die Steuerung zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig ist und das Finale einen Ticken länger hätte sein können, aber im Grunde wird durchwegs unterhaltsame, kurzweilige Kost geboten. Die Charaktere haben Charme und die Geschichte bietet eine schöne Botschaft. Bei einigen Rätseln kommt tatsächlich positive Point&Click-Nostalgie auf.
Wer nach einem schönen, nicht allzu langen Spiel (geschätzt 4 bis 5 Stunden Spieldauer) für die Weihnachtstage sucht und lustige Piratengeschichten samt Pixel-Grafik zu schätzen weiß, der kann diesen charmant witzigen Indie-Titel getrost ins Auge fassen.
Zweites Fazit von Tobias Maack: Spätestens seit 'Monkey Island' wissen Adventure-Spieler, dass Geschichten über angehende Piraten eine gute Grundlage für Spiele sind. So auch hier, denn 'CLEO' hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Lediglich die Steuerung hat Anfangs etwas gestört und ich hätte mir eine bessere Einbindung der Maus gewünscht. Das hat mich nicht davon abgehalten, jeden Tag wieder zur sympathischen Abenteurerin zurückzukehren. Selbst das Minispiel 'Kraken Fodder' machte mir Spaß und ich ärgere mich ein bisschen, dass ich in der Kickstarter-Sammlung nicht so viel Geld beigetragen habe, um die Physikalische Fassung des Kartenspiels zu bekommen.
Für mich ist 'CLEO' eine kleine Adventure-Perle, die man Fans der Genre-Klassiker wärmstens empfehlen kann.
-
CLEO: a pirate's tale
- Entwickler
- Christoph Schultz
- Publisher
- Christoph Schultz
- Release
- 12. Dezember 2021
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- https://www.cleogame.de
- Art
-
Crowdfunding
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
1 Kommentar