Ausgehungert sind wir zwar noch nicht, dennoch hat die zweite Episode von 'The Walking Dead' etwas länger auf sich warten lassen, was Telltale allerdings damit begründet, eine mindestens ebenso hohe Qualität wie in der vorherigen Episode abrufen zu wollen. Diese adaptierte die Comic-Vorlage bereits sehr eindrucksvoll und legte den Grundstein, um über die ganze Staffel hinweg und unter dem Einfluss von Entscheidungen und Konsequenzen ausreichend Spannung sowie eine wendungsreiche Geschichte zu garantieren. Doch zeigen die getroffenen Entscheidungen wirklich eine spürbare Auswirkung auf die Folgeepisoden? Dürfen wir uns weiter auf interessante Charaktere freuen und kann die erzählerische Qualität mit dem Staffelauftakt mithalten? Wir haben uns erneut in die Zombie-Apokalypse begeben, um genau auf diese Fragen einige Antworten zu finden. Eine Staffel-Wertung folgt erst mit dem Test der finalen Episode.

Das Recht des Stärkeren
Drei Monate sind vergangen, seit sich Hauptcharakter Lee Everett und die kleine Clementine einer Gruppe von Mitmenschen angeschlossen haben und gemeinsam auf einem Motelgelände einen geruhsamen Unterschlupf in der durch Untote bevölkerten Welt finden konnten. Drei Monate, die nicht nur an den Nerven, sondern durch die zunehmende Lebensmittelknappheit auch spürbar an den Kräften gezehrt haben. Selbst die gelegentlichen Jagdausflüge in den angrenzenden Wald helfen nur geringfügig über die missliche Lage hinweg, da der Ertrag meist kaum der Rede wert ist, stattdessen jedoch hinter jedem Baum neue Gefahren lauern könnten. Das bekommen Lee und sein heutiger Jagdpartner bei ihrer Nahrungssuche auch hautnah zu spüren, als ein lauter Aufschrei aus der Distanz die nahezu trügerische Stille überraschend unterbricht. Urheber ist ein Lehrer, der mit Hilfe seiner zwei Schüler verzweifelt versucht, einer veränderten Bärenfalle zu entkommen, die sich jedoch ohne schweres Werkzeug nicht wieder öffnen lassen will. Gleichzeitig hat der Aufruhr auch einige Zombies aus der Umgebung angelockt und diese haben unlängst selbst zur Jagd auf ihr Hauptnahrungsmittel geblasen. Somit bleibt wenig Zeit zum Handeln und für Lee steht bereits die erste schwere Entscheidung an, bevor 'The Walking Dead: Starved for Help' überhaupt so richtig begonnen hat. Welches Risiko geht er ein, um dem am Bein schwer verletzten Lehrer zu helfen? Kann die Gruppe bei der Nahrungsmittelknappheit überhaupt noch weitere Neuankömmlinge gebrauchen?
Zumindest wird die ohnehin schon angespannte Situation im Lager durch diesen Umstand nicht verbessert, stattdessen jedoch die Stimmung immer gereizter. Erst als einige unbekannte Personen von einer nicht allzu weit entfernten Farm auf der Suche nach Treibstoff vor den Barrikaden des Motels auftauchen, könnte dies die lang ersehnte Hilfe für die hungrige Meute bedeuten. Im Austausch für etwas Benzin versprechen die St. John Brüder genügend Nahrung für die gesamte Gruppe und einen sicheren Unterschlupf auf dem durch Elektrozäune gesicherten und idyllischen Familienlandgut, das nicht nur gegen die Zombies, sondern auch gegen die skrupellosen Banditen aus dem Wald ausreichend Schutz bietet. Durch diese neue Chance, das Überleben der ganzen Gruppe über einen längeren Zeitraum zu sichern, verändert Telltale die Grundstimmung der Handlung beinahe schlagartig. Wo zunächst noch Verzweiflung und Anspannung zum Greifen nah waren, weichen diese Elemente nun plötzlich neuer Hoffnung und einer sonnigen Kulisse, die noch nahezu unberührt von den seltsamen Geschehnissen der letzten Monate zu sein scheint.
Neue Hoffnung, gleiche Rätselkost
Größter Schwachpunkt der ersten Episode von 'The Walking Dead' war sicherlich der spielerische Aspekt, an dem sich aber auch in der Story-Fortsetzung nicht wirklich viel getan hat. Noch immer steuern wir Lee mit Hilfe der Tastatur durch die Gegend, führen Gespräche mit zeitlich begrenzten Antwortmöglichkeiten, lösen kleinere und weiterhin lediglich triviale Aufgaben und müssen uns zwischendurch diverser Gefahren in immer gleichen Quick-Time-Sequenzen erwehren. Neue Handlungsmöglichkeiten bleiben somit ebenso auf der Strecke wie knackige Rätsel oder sonstige Innovationen, was im gleichen Atemzug auch auf die Technik zutrifft, die sich gegenüber dem Auftakt ebenfalls über keinerlei Neuerungen freuen darf.
Und dennoch kann bislang noch keine Rede davon sein, dass 'The Walking Dead' bereits nach den ersten unterhaltsamen Stunden die Puste ausgehen könnte. Stattdessen setzt der Titel nämlich erneut auf andere Stärken, die vielmehr in der Dramaturgie und der Handlung an sich liegen. Die bei mittlerweile fast allen Charakteren angespannte Psyche führt immer wieder zu neuen Entwicklungen, gleichzeitig werden mit der neuen Umgebung auch zusätzliche interessante Charaktere eingeführt, die einerseits ihre ganz individuellen Persönlichkeiten und Macken mit sich bringen, andererseits aber auch die Chemie innerhalb der schon existierenden Gruppe noch einmal nachhaltig durcheinander wirbeln. So muss sich Lee früher oder später erneut auf die Seite bestimmter Personen schlagen sowie schwere Entscheidungen treffen, die einmal mehr für den ein oder anderen inneren Konflikt auf Seiten des Spielers sorgen sollen. Dabei haben die Charaktere aus der ersten Episode ebenfalls nichts von dem vergessen, was noch vor drei Monaten geschehen ist und reagieren teilweise bereits entsprechend freundlich oder schroff auf Lees bloße Anwesenheit.
Trotz aller Auswahlmöglichkeiten bleibt die Haupthandlung der zweiten Episode in ihren leicht abweichenden Ausprägungen jedoch grundsätzlich gleich, kann aber vor allem atmosphärisch und hinsichtlich der im Verlauf anfallenden moralischen Entscheidungen noch einmal einen auf die Geschehnisse der ersten Episode oben draufsetzen und gipfelt schlussendlich nach etwas über zwei Stunden in einem packenden und emotionalen Episodenfinale.
Wenn Telltale mit der zweiten Episode von 'The Walking Dead' eines gezeigt haben, dann dass sie ihr Versprechen von einer mindestens gleich hohen Qualität problemlos einlösen konnten. Vor allem der bildhafte Kontrast zwischen der Ausweglosigkeit und der aufkeimenden Hoffnung wird in 'Starved for Help' bestens in Szene gesetzt. Bemerkenswert dabei, dass selbst in ruhigen Momenten jederzeit eine gewisse Spannung in der Luft liegt, wodurch die auf den Kopf gestellte Welt des 'The Walking Dead'-Universums auch erst so richtig funktionieren kann. Erneut zollt der Titel allerdings beim Gameplay seinen Tribut, denn anspruchsvoll sieht in der Tat anders aus und neben simplen Sammelaufgaben warten erneut lediglich immer gleiche Quick-Time-Events auf stupides Tastengehämmer. Als Ausgleich wird man aber dafür mit einem interessanten Mix aus verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten, unterschiedlichen Charakteren und einer spannenden Handlung konfrontiert, so dass sich der Staffelauftakt der zweiten Episode auch leicht geschlagen geben muss. Die Tendenz also stimmt.
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The Walking Dead
- Entwickler
- Telltale Games
- Publisher
- U&I Entertainment
- Release
- 10. Mai 2013
- Auszeichnungen
- Die beste Geschichte des Jahres • Überraschungs-Hit des Jahres
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.telltalegames.com/walkingdead/age_gate
- Sprachen
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