Was es im Vorfeld zu 'Murdered: Soul Suspect' zu sehen gab, schien uns überraschend Adventure-tauglich zu sein. Airtight Games ('Quantum Conundrum') legen auffällig viel Fokus auf Story und deduktive Herausforderungen. Allerdings konnte man sich zunächst lange nicht sicher sein, wie actionhaltig dieses Spiel sein würde - auch zumal Square Enix als Publisher fungiert und nicht wirklich für Adventures bekannt ist. Umso neugieriger haben wir das 3-D-Mystery-Abenteuer für Euch im Review unter die Lupe genommen.

Ermittlungen in eigener Sache
Mit einem Sturz aus dem Fenster startet 'Murdered: Soul Suspect' ins Geschehen. Der Arbeitstag des polizeilichen Ermittlers Ronan O’Connor endet mit einem Mord und das Opfer ist er selbst. In den letzten Augenblicken zieht sein Leben noch einmal klassisch an ihm vorüber. Demnach war unser Protagonist einst ein Krimineller, doch der gewaltsame Tod seiner Frau Julia hatte ihn kurzerhand zu einem Berufswechsel bewogen. Als frischgebackener Polizist landete er wenig später im Departement von Salem, wo pikanterweise auch sein Schwager Rex tätig ist. Wenig verwunderlich, macht der ihn für vieles verantwortlich. Tröstlich am kaltblütigen Ende ist für Ronan immerhin die Aussicht, seine geliebte Julia endlich wiederzusehen und mit ihr die spirituelle Ewigkeit verbringen zu dürfen.
Doch halt! So einfach gestaltet sich die Angelegenheit natürlich nicht. In dieser Welt können Geister nämlich erst dann ihren Seelenfrieden finden, wenn die Umstände ihres Ablebens halbwegs geklärt sind. Das wiederum kann der tote Ermittler nicht von sich behaupten. Sein Mörder trug eine Kapuze und in der nächtlichen Finsternis war dessen Gesicht kein bisschen zu erkennen. Einmal abgesehen davon, dass Ronan ohnehin nicht den Funken einer Ahnung hatte, wo er da hineingeraten war...
Eine neue Welt
Die Ermittlungen zum eigenen Mord starten praktisch bei Null, zumal das sterbliche Ich des Polizisten die Hausaufgaben nicht sonderlich gründlich gemacht hat. Dafür freundet er sich mit der Existenz nach dem Ableben erstaunlich schnell an, fast als wäre es die natürlichste Sache der Welt. Einige Geist-Tricks kennt man ohnehin: Obligatorisch können wir durch Wände gehen und zudem die Gedanken der Lebenden einsehen und beeinflussen. Dummerweise gibt es in Salem fast nur gesegnete Häuser und die können wir erst dann betreten, wenn die Tür oder ein Fenster einen Spalt offen steht.
Das so ein immaterielles Dasein für Ermittlungen dennoch Vorteile haben kann, wissen Adventure-Fans aber spätestens seit der 'Blackwell'-Pentalogie. Ronan ermöglicht es eine neue Sichtweise auf einen speziellen Fall: Die Jagd auf den berüchtigten Glockenmörder. Den Spieler wird es wenig wundern, dass uns dieser Serienkiller bis zum Ende beschäftigt. Die Spur führt jedenfalls zu Joy, einer jungen Frau, mit den Fähigkeiten eines Mediums. Praktischerweise kann sie Ronan nicht nur sehen, sondern verbal mit ihm kommunizieren. Doch aus irgendeinem Grund ist sie das nächste Ziel des Mörders. Einen Teil des Weges geht das ungleiche Duo wider Willen deshalb gemeinsam.
Hexen und andere Inspirationen
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Auf den ersten Blick ist Salem ein nettes Pflaster |
'Murdered: Soul Suspect' lässt sich vielerorts inspirieren: Sei es nun Horror a la 'The Frighteners' und 'The Exorcist', Mystery ala 'Ghost', oder eine leise Anspielung auf das Noir-Genre, die jedoch nie konsequent ausformuliert wird. Desweiteren ist es kein Zufall, dass Salem der Schauplatz dieser düsteren Mystery-Geschichte ist. Immerhin berichten die Geschichtsbücher hier über grausame Hexenverfolgungen im 17. Jahrhundert, die in der Hinrichtung vieler Unschuldiger mündeten. Bis heute ist der streng gläubige Ort in Massachusetts primär dafür bekannt. Ein Erzähler, der sich dieses Namens bedient, hat sich also zwangsläufig etwas dabei gedacht.
Viel mehr sei aber nicht vorweggenommen. Nur soviel: 'Murdered: Soul Suspect' spielt zwar in der Gegenwart, doch die Vergangenheit bleibt nicht ohne Nachspiel und mit einem Nachhall der Vergangenheit kämpft abgesehen davon auch unsere Hauptfigur. Als Ex-Ganove hatte er immer schon einen schweren Stand bei seinen Mitmenschen und Kollegen. Leider scheitern die Entwickler jedoch daran, seinen inneren Konflikt in die Handlung einzuflechten und zu thematisieren. Damit sind wir bei den Baustellen des Spiels angelangt und davon gibt es doch einige.
Wenig greifbare Charaktere
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Joy und Ronan haben kein leichtes Verhältnis zueinander |
Vom Potential her wäre Ronan O'Connor definitiv eine spannende Figur: Ein Antiheld mit dunkler Vergangenheit, der seine Fehler von damals nach einem einschneidenden Erlebnis wieder gutmachen möchte. Wer jetzt an Bigby von 'The Wolf Among Us' denkt, liegt nicht falsch. Leider schafft es Airtight Games nicht, diese Ausgangslage narrativ ähnlich gekonnt umzusetzen wie Telltale Games.
Es reicht einfach nicht, die halbe Lebensgeschichte des Protagonisten in eine kurze Rückblende zu Beginn zu packen, wenn sie sich die narrative Kernproblematik dann über weite Strecken nicht im Verhalten niederschlägt. Nicht einmal sein plötzliches Geistsein scheint ihn lange innerlich zu bewegen, wodurch er nicht wirklich greifbarer wird. Hier liegt letztlich der Hund begraben, warum 'Murdered' vorwiegend auf der Aktionsebene verweilt und Schwierigkeiten damit hat eine emotionale Beziehung zwischen Protagonist und Spieler herzustellen. Es hilft wenig, dass Ronan am Ende etwas dazulernt, wenn dieser Lernprozess in der Anfangsphase nicht gezielt etabliert wurde und sich wenig in den Aktionen manifestiert.
Ein Herz für Geister
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Hier sehen wir eines der interessanteren Geister-Schicksale |
Verschärft wird die Problematik durch überwiegend schwache Nebencharaktere. Auch hier wären einige auf dem Papier spannend, sie sind jedoch selten überzeugend umgesetzt. In Salem treffen wir beispielsweise auf einige verlorene Seelen, die wie unser Gesetzeshüter ein Problem zu lösen haben. Manchen können wir helfen. Wer alle freiwilligen Neben-Quests dieser Art löst, kann sich ein, zwei Stunden länger mit dem Spiel beschäftigen (mehr als acht, neun Stunden sind eher nicht zu erwarten). Zur Rettung verlorener Seelen genügt es normalerweise, die nahe Umgebung penibel nach Hinweisen abzusuchen und dann die zwei, drei zur finalen Deduktion relevanten auszuwählen. Mehr als eine flüchtige, oberflächliche Beschäftigung mit den Charakteren geht damit kaum einher.
Wer die im Ansatz vergleichbare 'Blackwell'-Reihe gespielt hat, dem werden die Abstriche umso deutlicher ins Auge stechen. Dort erstreckten sich die Geister-Schicksale oft für über mehrere Schauplätze und nicht selten gab es Überraschungen und Brüche in der Erwartungshaltung, was eine intensivere Auseinandersetzung zur Folge hatte. Ebenso konnten viele Fragen an die verstorbene Person gestellt werden. All das fehlt 'Murdered' über weite Strecken. Der Plot mag vielversprechend sein und die Charaktere hätten einiges Potential, aber die Umsetzung weist zu viele Mängel auf, um wirklich begeistern zu können. Ob einem das Spiel dennoch gefällt, könnte aber auch stark davon abhängen, wie einem die spielerische Ebene passt. Die ist allerdings auch nicht ohne Ecken und Kanten.
Investigative Herausforderungen vs. Pixeljagd
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Welche Information führt am ehesten zur gewünschten Konsequenz? |
Als Geist ist Ronan O'Connor bei seinen Ermittlungen auf besondere Fähigkeiten angewiesen. So ist er beispielsweise in der Lage, die Gedankengänge anderer Menschen in eine bestimmte Richtung zu lenken und ihr Handeln gezielt zu beeinflussen (kleine Tiere können wir sogar durch die Umgebung lenken). Vom Prinzip her funktioniert das gleich, wie die zuvor erläuterten optionalen Nebenaufgaben: Wir grasen die nahe Umgebung minutenlang nach versteckten Hinweisen ab und wählen dann jene Informationen aus, die am ehesten die gewünschte Reaktion provozieren könnten. Auch die Untersuchung von Tatorten und die Analyse von Objekten funktionieren nach einem vergleichbaren Schema. Manche Informationen sind abgesehen davon direkt einer Person zu entnehmen und zwar indem wir uns in sie hineinversetzen. Dadurch sehen wir, worauf sie ein Auge geworfen haben und belauschen Gedanken und Konversationen. Nützlich sind zudem die Rückstände vergangener Ereignisse. Am Tatort sind diese hin und wieder versteckt und zeigen uns kurze Erinnerungsfetzen, die für die Schlussfolgerung nicht minder essentiell sein können. Anspruchsvoll sind die Deduktionen nicht, doch immerhin nett umgesetzt und allzu viele Spiele setzen bislang ja nicht auf diese Element.
Schade ist bloß, dass die Hotspot-Sucherei erstaunlich nervig umgesetzt wurde und die Lösung stets genauso linear ist, wie die Story. Übrigens stehen uns bei jeder detektivischen Aufgabe drei Fehlversuche zur Verfügung. Liegen wir bei unserer Vermutung öfter daneben, wirkt es sich lediglich negativ auf die finale Detektiv-Wertung aus und wir können es beliebig oft erneut probieren.
Immer Ärger mit Dämonen
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Ronan kann Dämonen schon aus der Distanz wahrnehmen... |
Selbst für Verstorbene ist die Spielwelt nicht ungefährlich. Einige Geister stellen sich ihren Problemen nicht. Im schlimmsten Fall werden sie zu bösartigen Dämonen, die sich von Geistern ernähren und sie vernichten. Auf solche Geschöpfe treffen wir vermehrt und einen Konflikt spart man sich dabei nur selten. Sie sind nur zu bezwingen, indem wir uns von hinten an sie heranschleichen und angreifen. Die Attacke entspricht dann einem gewöhnlichen Quicktime-Event, wobei die Tastenkombination stets eine andere ist. Wurde ein Dämon nach einer falschen Kombination auf uns aufmerksam, hilft im Grunde nur die rasche Flucht und die Suche nach einem geeigneten Versteck.
Action-erprobte Spieler werden damit vermutlich wenig Probleme haben, doch für alle anderen kann es sehr wohl eine Hürde darstellen. Abwechslungsreich sind diese Herausforderungen leider nicht und meist sind kaum alternative Herangehensweisen ersichtlich. Ein Scheitern hat in diesem Fall insofern negative Konsequenzen, da die automatischen Speicherpunkte oft mit unnötigen Laufwegen verbunden sind. Manuelles Speichern ist nicht möglich. Ansonsten erwarten uns zum Beispiel Stealth-Einlagen, die an 'Republique' erinnern. Um Joy unbemerkt ans Ziel zu bringen, muss Ronan Kameras stören und für sonstige Ablenkung sorgen. Kopierer werden aktiviert, Fernseher sabotiert, Automaten und vieles mehr. Auch dieser Aufgabentyp ist nicht anspruchsvoll und wer ohne Nachdenken schnell mal alle Geräte manipuliert, der kann selbst mit dieser Strategie wenig falsch machen.
Im Hinblick auf die Genre-Zuordnung stellt sich aus Adventure-Sicht zwangsläufig die Frage, inwiefern die Actioneinlagen der Story entspringen. Letztlich fühlen sie sich sehr repetitiv an und helfen der Story selten spürbar weiter. Zwar wird am Ende eine Brücke versucht, doch das kommt reichlich spät. Schlussendlich wäre eine gezielter eingesetzte Action in diesem Fall besser gewesen, oder eben ein durchdachteres Actionkonzept. 'Murdered: Soul Suspect' würde ich somit eher als Action-Adventure klassifizieren, obwohl es ohne Zweifel viele Adventure-Elemente mitbringt und Raum zur Genre-Diskussion gegeben ist.
Technisch sehr solide mit Einschränkungen hinsichtlich der Steuerung
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Dämonen-Fallen kann Ronan nur im Körper eines Menschen überschreiten |
Am Überzeugendsten ist wahrscheinlich die technische Umsetzung, wenngleich kritisierbar ist, dass die 3-D-Grafik die Möglichkeiten der Unreal-Engine aus heutiger Sicht längst nicht ausspielt. Die Trostlosigkeit der Farbgebung passt aber immerhin gut zur Geschichte. Überdies zeigen sich Airtight Games bemüht, den Ort Salem belebter wirken zu lassen. Immer wieder laufen uns deshalb Passanten über den Weg, was der Stimmung zuträglich ist. Schade ist nur, dass an diesem Ansatz nicht noch mehr gefeilt wurde. Die meisten Personen stehen/sitzen leider nur herum oder sie laufen planlos durch die Gegend. Wer allerdings die trostlose Darstellung von Gotham City in 'Batman: Arkham Origins' kennt, der wird den Versuch dennoch sehr zu schätzen wissen. Erfreulich gut ist zudem die deutsche Lokalisierung, obgleich ich mir für Ronan eine rauere Stimme gewünscht hätte (wie es sie auch in der englischen Variante gibt). Positiv ist auch die musikalische Vertonung von Jason Graves, der bereits für den Reboot zu 'Tomb Raider', 'Dead Space' oder 'F.E.A.R.' komponiert hat. Bedrohliche Situationen gewinnen dank seiner Klänge viel Atmosphäre. Hinsichtlich der Steuerung ist zuletzt allerdings anzumerken, dass 'Murdered' am PC deutlich besser via Gamepad spielbar ist. Mittels Maus und Tastatur sieht man sich wiederholt mit suboptimalen Tastenkombinationen konfrontiert (die Tasten sind soweit nicht manuell belegbar). Gerade bei Quicktime-Events tut man sich damit nicht unbedingt einen Gefallen.
'Murdered: Soul Suspect' schielt auf den Mainstream-Markt und da ist actionlose Kost eher die hehre Ausnahme. Ähnlich wie Protagonist Ronan O'Connor, schwirrt dieser 3-D-Mystery-Krimi zwischen den (Genre-)Welten. Versteht man es jedoch als Action-Adventure, so ist die Action zu langweilig, zu repetitiv. Als Adventure sind die Actioneinlagen wiederum zu präsent, die Rätsel zu einfach und die Hotspot-Sucherei wird nicht jeden erfreuen. Aus dieser Perspektive wird es kaum eine Zielgruppe richtig treffen. Unabhängig davon, wie man mit so einer eigenwilligen Mischform umgehen möchte, ist die Story für meinen Geschmack nicht stark genug, um diverse Macken zu kompensieren und die Charaktere kleben meist an der Oberfläche. In den ersten paar Stunden hatte ich zunehmend Schwierigkeiten mich zum Weiterspielen zu motivieren, auch deshalb, weil mir Ronan aus besagten Gründen egal war. Schade, denn 'Murdered' hätte Potential gehabt und die Geschichte bringt eigentlich gute Ansätze mit. Was am Ende bleibt, ist ein durchschnittlicher Titel, der Spaß machen könnte, jedoch vermutlich keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.
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Murdered: Soul Suspect
- Entwickler
- Airtight Games
- Publisher
- Square Enix Ltd.
- Release
- 6. Juni 2014
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://murdered.com/de/#home
- Sprachen
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- Systeme
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1 Kommentar
Mit der Wertung geh ich trotzdem absolut im Einklang. Nix weltbewegendes, aber wenn man es billig erwerben kann (meines war um ~4,99€) doch einen Blick wert, wenn man Krimis mag