1997 war kein gutes Jahr für Sierra. Umstrukturierungen und Kündigungen malten kein schönes Bild. Allerdings wurde 'Shivers 2' veröffentlicht.

1997 der Cendant-Merger und seine Folgen
Das Jahr 1997 verlief für die Sierra Belegschaft nicht sonderlich positiv. Am 3. April wurde im Zuge der Umstrukturierung bekannt gegeben, daß am Standort in Oakhurst 50 Prozent der Belegschaft entlassen werden müssten. Die Entscheidung hatte mit der Konsolidierung der im Vorjahr übernommenen Gesellschaften in die neu gegründete CUC Software Inc. mit Sitz in Torrance, Kalifornien zu tun. 90 Sierra Mitarbeiter wurden im Rahmen dieser Umstrukturierung nach Torrance versetzt.
Am 27. Mai wurde an der Börse bekannt, daß CUC International Inc. in Verhandlungen mit HFS Inc. stünden und planen würden, gemeinsam zu fusionieren. HFS, oder auch Hospitality Franchise Systems genannt, wurde 1992 durch den ehemaligen Investmentbanker Henry Silverman an die Börse gebracht und entwickelte sich daraufhin zu einem wahren Highflyer. Der Aktienkurs explodierte zwischen 1992 und 1998 von 4 USD auf in der Spitze 77 USD. Das Unternehmen war im Sektor der Hoteldienstleistung und Franchise angesiedelt und war unter anderem im Besitz der Hotelkette „Ramada“. Beide Unternehmen ergänzten sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Firmenschwerpunkte, so daß die Transaktion zwecks Aktientausch in Höhe von 14 Mrd. USD alsbald in trockenen Tüchern war. Im Dezember 97 war die Fusion endgültig abgeschlossen und ein neuer Name für die Gesellschaft gefunden. Aus CUC/HFS wurde die Cendant Corporation geschaffen. Ein gigantisches Konglomerat bestehend aus 45.000 Beschäftigten und 168 Millionen Kunden. Logisch, dass Sierra in diesem gewaltigen Firmenverbund eher eine Randerscheinung, also eine Tochter unter vielen war. Den CEO Posten von Cendant übernahm Walter Forbes, der bereits bei CUC diese Position inne gehabt hatte. HFS-Gründer Henry Silverman wurde zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates ernannt.
Ken Williams und Michael Brochu gehen von Bord
Nach der Fertigstellung von NetMarket, einer Online-Verkaufsplattform, verließ Ken Williams im Sommer endgültig CUC und überließ Sierra ihrem Schicksal. Aufgrund einer vertraglich fixierten Konkurrenzklausel war es Ken nicht mehr gestattet, ein neues Unternehmen in der Videospielbranche zu gründen. So entschloß er sich, im November mit dem damaligen Sierra Vize-Präsidenten für Produktentwicklung, Jerry Bowerman, das Unternehmen WordStream Communications zu gründen. Ziel war es, eine Online-Kommunikations-Software zu entwickeln.
Michael Brochu, der nach Ken's Versetzung erfolgreich die Geschicke von Sierra als CEO ausgeübt hatte, ging ebenfalls von Bord. Er verließ das Unternehmen zum 31. Oktober und heuerte kurze Zeit später bei Primus Knowledge Solutions Inc. an. Das Unternehmen war auf E-Business-Software ausgerichtet und wurde unter seiner Führung zu einer treibenden Kraft in diesem Sektor. Brochu war in der Vergangenheit als damaliger CFO für Sierra's Wachstumskurs extrem wichtig gewesen, indem durch seine Expertise die Umsätze um 300 Prozentpunkte gesteigert werden konnten.
Von diesem Aderlass in Sachen Know-How konnte sich Sierra nie wieder erholen. Kurze Zeit später, am 3. November, spaltete CUC Software das Unternehmen in drei Sparten auf und besetzte diese mit drei Branchenfremden Managern. Sierra bekam in diesem Zeitraum auch weitere Verstärkung in Form von Zukäufen. CUC erwarben für 13,8 Mio. USD den Entwickler Berkeley Systems, der vor allem für seine 'You don’t know Jack' Serie bekannt war. Auch PyroTechnix Inc. und Books That Work wurden im Dezember übernommen und ebenfalls bei Sierra angesiedelt.
Die Spiele von 1997
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'Diablo' von Blizzard Entertainment reaktivierte erfolgreich das Rollenspielgenre und wurde zum Verkaufshit. |
Den Anfang machte die als selbständige Tochter innerhalb des CUC Software Inc. operierende Blizzard Entertainment, die am 2. Januar mit 'Diablo' einen Action-Rollenspiel Hit ablieferten. Im Spiel galt es wahlweise als Krieger, Jägerin oder Magier in die Gewölbe der vom Bösen heimgesuchten Kathedrale von Tristram vorzudringen um dort die Ursache allen Übels, Diablo zu besiegen. 'Diablo' schlug ein wie eine Bombe und fesselte den Spieler dank seiner Atmosphäre und den Quests tagelang vor den Monitor. Vor allem die Suche nach immer stärkeren Waffen und Rüstungen, den sog. unique items, führten zu einer wahren Sammelwut und erhöhten die Langzeitmotivation. Dank des integrierten Multiplayer-Modus war es möglich, zusammen mit Freunden gegen Diablo und dessen Schergen zu kämpfen, was ebenfalls motivierend war. Zumal man hierfür nur eine Original-CD benötigte, da sich 'Diablo' im Multiplayer als sog. Spawn-Version beliebig oft auf anderen Rechnern installieren ließ. Im Jahr 2000 wurde 'Diablo' fortgesetzt. Der Autor ist jedoch der Auffassung, daß die Fortsetzung nicht an die Atmosphäre des Vorgängers heranreichen konnte und im Gamedesign sogar Rückschritte verzeichnen musste. 'Diablo' kann zusammen mit 'Fallout' und 'Baldur's Gate' als Killerapplikation bezeichnet werden, die das zu dieser Zeit im Dornröschenschlaf befindliche Rollenspielgenre wieder reaktivierte und zu einem bis heute andauernden Popularitätsschub verhelfen konnte.
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'Diablo:Hellfire' war ein Addon, das von Synergistic Software entwickelt worden war. |
Nach der Veröffentlichung von 'Diablo' beauftragte die CUC Software Inc. ihre Tochter Sierra, umgehend ein Addon für den Rollenspielhit zu entwickeln, das noch im selben Jahr veröffentlicht werden sollte. Blizzard hatte zu dieser Zeit keine freien Kapazitäten, da zeitgleich an 'Warcraft Adventures' und 'Starcraft' gearbeitet wurde. Sierra entschied sich, die Auftragsarbeit an ihr im Vorjahr übernommenes Studio Synergistic Software zu übertragen. Das Addon mit dem Namen 'Hellfire' wurde im Dezember 1997 veröffentlicht. Allerdings war der zeitliche Rahmen so eng bemessen, daß der Titel zunächst keinen Multiplayer-Modus beinhaltete und auch Abstürze und Fehler verzeichnen musste. Zwar war die Erweiterung grafisch und soundtechnisch überzeugend, die Einbettung in die 'Diablo-Storyline' gelang jedoch nicht. Die Erweiterung beinhaltete u. a. acht neue Levels und eine neue Klasse, den Mönch. Aufgrund der kurzen Entwicklungszeit und den Programmfehlern wurde die Erweiterung von den Käufern nur verhalten aufgenommen. Dies führte dazu, daß 'Hellfire' die bisher einzige Auftragsarbeit von Blizzard an einen Dritthersteller markierte und seitdem kein weiterer Versuch mehr in diese Richtung unternommen wurde.
Die Adventures
Das Jahr 1997 zeigte vortrefflich, in welchem Dilemma sich das Adventuregenre befand. Sierra veröffentlichte mit 'Shivers II: Harvest of Souls' lediglich ein einziges Adventure. Das Spiel war eine Art Myst Klon, der aus der Ich-Perspektive gespielt wurde. Als Spieler galt es, in der Geisterstadt Cyclone nach einer vermissten Band zu suchen. Der Titel war das letzte Sierra Adventure, das zum Subgenre des interaktiven Films zählte. Die Kosten waren schlichtweg zu hoch geworden und man entschied sich, zukünftig auf die boomende 3D-Grafik zu setzen.
Doch das Genre war noch nicht tot. In 1997 wurde die Entwicklung von 'Gabriel Knight 3' bekannt gegeben. Ursprünglich wollte die Designerin Jane Jensen wieder auf Schauspieler zurückgreifen, aber aufgrund der Kostenproblematik wich man kurze Zeit später auf 3D aus. 'Space Quest 7' wurde ebenfalls in Entwicklung gegeben. Allerdings kam bereits im Dezember die Ernüchterung. Das Projekt wurde eingefroren und die Entwickler in andere Teams transferiert. Unter anderem in das 'Babylon 5' Projekt. Letztendlich sollte 'Gabriel Knight 3' zum letzten Adventureprojekt seitens Sierra werden.
Die Strategiespiele
Mit dem 'Siege Pack' wurde von Impressions Games eine Erweiterung für das im Vorjahr veröffentlichte Strategiespiel 'Lords of the Realm II' veröffentlicht. Das Addon war speziell auf Schlachten und Belagerungen von historischen Burgen ausgelegt, hatte aber auch neue Karten, wie die Eroberung der Welt im Gepäck.
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Lords of Magic war der geistige Nachfolger von Lords of the Realm II - angesiedelt im Fantasie Reich Urak. |
Des Weiteren wurde mit 'Lords of Magic' ein Ableger von 'Lords of the Realm II' veröffentlicht, der im Fantasy-Szenario, der Welt von Urak, angesiedelt war. Der Titel kann als eine Symbiose aus 'Heroes of Might and Magic II' und 'Lords of the Realm II' angesehen werden. Die erste Verkaufsversion war jedoch von gravierenden Bugs geplagt, die erst mit einem Patch und in der Special Edition, die ein Jahr später veröffentlicht wurde, erfolgreich beseitigt werden konnten. Dennoch wurde das Konzept von der Presse gelobt und bekam sogar höhere Wertungen als der geistige Vorgänger 'Lords of the Realm II'.
Im November wurde das vom Entwickler Dynamix entwickelte 'Outpost 2: Divided Destiny' veröffentlicht. Jedoch wenig erfolgreich. Die Marke wurde daraufhin fallen gelassen.
Die Simulationen
Dynamix veröffentlichten am 30. Oktober mit 'Red Baron II' eine erfolgreiche Fortsetzung ihres 1990 erschienen ersten Teils. Neben verbesserten Grafik- und Soundeffekten war auch ein Missionsgenerator mit dabei.
Die Sportspiele
Dynamix veröffentlichten 'Front Page Sports: Baseball Pro 98' und lieferten ein gelungenes Sportspielupdate ab. Das im Vorjahr übernommene Studio Headgate lieferte mit 'Front Page Sports: Golf' eine realistische Golfsimulation ab.
Was sonst noch so passierte
Am 30. September 1997 öffnete Origin's Online-Rollenspiel 'Ultima Online' das erste Mal seine Pforten. Das Projekt sollte zur letzten großen Pionierleistung der einstigen Kultschmiede werden und in der Folge zu einem Boom der Online-Spiele führen.
Mit 'The Curse of Monkey Island' veröffentlichte Lucas Arts den letzten großen Adventure Hit. Die Verkaufszahlen waren zu diesem Zeitpunkt bereits stark rückläufig und konnten nur bedingt an frühere Erfolge anknüpfen.
Weiter zu Teil 12 der Sierra-Studie.
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Shivers Two: Harvest of Souls
- Entwickler
- Sierra
- Publisher
- Sierra
- Release
- 9. April 1997
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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- Publisher und Entwickler: Sierra
- Schlagwort: Sierra-Studie
2 Kommentare
Ach Diablo, das waren noch Zeiten und der Grund, warum es mich mal eine lange Zeit in auch in die Warcraft-Welt trieb.
Nichsdesto trotz eine echte Krise bei Sierra und auch nur ein Adventure, was jetzt nicht so die Begeisterung hervorrief.
Diablo war damals der Hammer. Als Rollenspieler war es eine erfreuliche Abwechslung, da in Echtzeit. Zu dieser Zeit gab es ja fast nur Rollenspiele im Rundenmodus wie Albion oder die Nordland Trilogie. Zwar war Diablo kein reines Rollenspiel, aber dennoch hat der Titel maßgeblichen Anteil an der Wiedergeburt dieses Genres gehabt.