Im 12ten Teil der Studie geht es u.a. um den 8. Teil von 'King's Quest', das in spielerischer Hinsicht in eine etwas andere Richtung gegangen ist.

1998 Der große Cendant Betrug
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Der Cendant-Skandal führte zum bis dato größten Bilanzbetrug in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. |
Das Frühjahr 1998 begann mit einem der größten Betrugsfälle in der Wirtschaftsgeschichte der USA, welcher erst vom Enron Skandal in 2001 überflügelt werden sollte. Im März wurde seitens der Cendant Corporation zunächst ein Nettoergebnis für das Geschäftsjahr 1997 von 55,4 Mio. USD publiziert. Doch bereits im April wurden die ersten Unregelmäßigkeiten in der Bilanzführung ersichtlich. Das FBI suchte daraufhin den Firmensitz in Connecticut auf und stellte Computer und Akten sicher. Wie sich kurze Zeit später herausstellte, hatte CUC zwischen 1995 und 1997, also vor der Fusion mit HFS zu Cendant, eine kreative Buchführung betrieben. Der damalige Vize-Verwaltungsrats-Präsident Kirk Shelton hatte über diesen Zeitraum Scheinumsätze in Summe von 511 Mio. USD in den Bilanzen ausgewiesen, um dadurch die Aktionäre bei Laune zu halten. Dies hatte zur Folge, daß statt des ausgewiesenen Gewinns von 55,4 Mio. USD für das Geschäftsjahr 1997, in Wirklichkeit ein Verlust von 217,2 Mio. USD aufgelaufen war. Als diese Meldung über die Ticker lief, kam es zu einem regelrechten Blutbad an der New Yorker Börse (NYSE). Die Aktionäre trennten sich panikartig von ihren Beständen. Es wurden 108 Mio. Cendant Aktien an diesem Tag gehandelt – einsamer Rekord. Der Kurs der Aktie brach von 34 USD auf 19 USD regelrecht ein. Das Unternehmen verlor binnen weniger Stunden 14 Mrd. USD an Börsenwert. Am Ende des Tages wurden bereits drei Aktionärsklagen eingereicht, die auf Schadensersatz pochten. Weitere sollten folgen.
Walter Forbes, Gründer von CUC und damaliger CEO von Cendant wurde umgehend abberufen. Sein Nachfolger wurde HFS Gründer Henry Silverman, der das Unternehmen daraufhin wieder in die Erfolgsspur brachte und bis zu dessen Zerschlagung in 2005 erfolgreich führte. Es stellte sich in der Gerichtsverhandlung in 2001 heraus, daß auch Forbes von den Bilanztricks Kenntnis gehabt hatte. Er wurde zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt, sein Mittelsmann Kirk Shelton bekam 10 Jahre. Das Image des Unternehmens war jedoch dauerhaft angekratzt. Für Silverman stand schnell fest, daß er Cendant nur durch eine Entschlackung retten konnte. Er entschloss sich, die Unterhaltungssparte und damit auch Sierra, schnellstmöglich zu veräußern, um durch die Erlöse den Fortbestand der Cendant Corporation zu gewährleisten.
Sierra wird erneut umstrukturiert
Bevor es jedoch zu einer Veräußerung der Unterhaltungssparte kam, wurde noch mal umstrukturiert. Am 12. Juni erhielt Sierra mit David Grenewetzki einen neuen CEO, der in der Vergangenheit bereits Erfahrungen in der Spielebranche gesammelt hatte. Grenewetzki war unter anderem Chef von Accolade Inc. und Palladium Interactive Inc. So hatte Sierra wieder einen CEO gefunden, der von der Materie etwas verstand. Unter dessen Leitung wurde Sierra in sechs neue Sparten bzw. Marken unterteilt:
1. Sierra Attractions: Unter dieser Sparte wurden Berkeley Software und die Büros in Bellevue und Oakhurst konzentriert. Der Fokus lag auf den Casual Games, wie dem Solitärsimulator 'Hoyle' oder der 'You don’t know Jack Serie'.
2. Sierra Home: Hier wurden die Unternehmen Arion Software, Book That Work, und Green Thumb Software gebündelt. Der Schwerpunkt lag auf Anwendungsprogrammen für den Privatgebrauch. 'Print Artist', 'MasterCook', 'Hallmark Cardstudio' und Co. fanden hier ihr neues Zuhause.
3. Sierra Sports: Diese Sparte beherbergte die Sportspiele der Studios Dynamix, Headgate und Papyrus, welche unter anderem unter dem Label Front Page Sports veröffentlicht wurden.
4. Sierra Studios: Hier wurde die Entwicklung der Titel von Impressions Games, Synergistic Software und PyroTechnix koordiniert und veröffentlicht. Außerdem fungierte das Label auch als Plattform für Titel von Drittherstellern wie Valve oder Relic, die mit Sierra einen Publishing Vertrag unterzeichnet hatten.
5. Sierra FX: Hier wurden die Spiele der Mitarbeiter, tätig in Oakhurst konzentriert und vertrieben.
6. Dynamix: Zusammen mit subLogic wurden hier Simulationen und Genremixe wie Red Baron, Pro Pilot Simulator sowie Tribes und Starsiege entwickelt.
Im Gegenzug wurde Sierra Publishing in Yosemite Entertainment umbenannt und das Sierra Logo ohne den bekannten Berg zum ersten Mal eingeführt. Unter der Leitung von David Grenewetzki sollte der Fokus zukünftig stärker auf die Genres Action und Rollenspiel gelegt werden. Adventures spielten in diesen Überlegungen keine große Rolle mehr.
Sierra wird an Havas S.A. verkauft
Am 20. November war es dann soweit. Die Cendant Corporation trennte sich von ihrer CUC Software Sparte und verkaufte Sierra zusammen mit Blizzard Entertainment an das französische Medienunternehmen Havas S.A. mit Sitz in Paris. Der Verkaufspreis betrug 1 Mrd. USD und verschaffte der hoch verschuldeten Cendant Corporation den dringend benötigten finanziellen Spielraum. Das Überleben der Gesellschaft war gesichert. Der Abschluss der Transaktion und die anschließende Konsolidierung von CUC Software in die neue Sparte Havas Interactive wurde 1999 erfolgreich abgeschlossen. Für Cendant endete der kurze und kostspielige Ausflug in die Welt der Computerspiele und der interaktiven Unterhaltung mit schmerzhaften Einbußen. Hatte man für Sierra und Davidson seinerzeit doch stolze 1,8 Mrd. USD auf den Tisch gelegt. Andere Übernahmen mit eingerechnet, dürfte sich der Verlust auf mind. 900 Mio. USD belaufen.
Half-Life revolutioniert erfolgreich das FPS-Genre
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'Half-Life' (1998) wurde zu einem Überaschungshit, revolutionierte das Shooter-Genre und wurde zum größten Erfolg der Sierra Studios. |
Der 19. November 1998 markierte einen wichtigen Meilenstein für das First-Person-Shooter-Genre (FPS). An diesem Tag wurde 'Half-Life' vom Dritthersteller Valve Corporation über die Sierra Studios veröffentlicht und zu einem sensationellen Erfolg. Im Gegensatz zur Shooter-Konkurrenz von id Software wartete 'Half-Life' mit einer Hintergrundgeschichte auf, die den Spieler vor den Monitor fesselte. Neben der für damalige Verhältnisse sensationellen Grafik und dem realistischen 3D-Raumklang, war auch die Gegner KI wegweisend. Als MIT-Wissenschaftler Gordon Freeman galt es, in 17 umfangreichen Levels ein gescheitertes Teleportations Experiment zu überleben und aus der geheimen Militärbasis Black Messa, welche von Aliens und Marines gestürmt worden war, zu fliehen. Nach der erfolgreichen Flucht galt es, auf dem Alienplaneten Xen gegen den Nihilanten anzutreten, der die Invasion von Black Messa durch Dimensionstore eingeleitet hatte.
Hervorzuheben ist, daß viele Publisher, als sie die frühe Alpha-Version von 'Half-Life' in 1996/97 das erste Mal gesehen hatten, das Projekt als zu ambitioniert abgestempelt hatten und es demzufolge nicht vertreiben wollten. Sierra und dessen damaligem CEO Ken Williams ist es zu verdanken, daß dieses Potenzial frühzeitig erkannt wurde und Valve die Chance gaben, daß Experiment zu wagen. Zu Recht. 'Half-Life' wurde zum größten finanziellen Erfolg der Sierra Studios und verkaufte sich bis heute mehr als 10 Mio. Mal. Auch die Presse überschlug sich nur so mit Lobeshymnen und vergab Wertungen im hohen 90er Bereich. 'Half-Life' wurde in der Folge mehr als 50 Mal zum Spiel des Jahres 1998 gewählt. Dank des integrierten Leveleditors gehörte Half-Life auch zu den ersten Spielen, die es schafften, durch Mods wie 'Counterstrike' oder 'Team-Fortress' noch über Jahre im Gespräch zu bleiben und damit den Lebenszyklus des Spiels künstlich zu verlängern. Mit 'Half-Life' wurde zudem vortrefflich bewiesen, daß sich FPS gepaart mit einer Storyline nicht kategorisch ausschließen. Ab diesem Zeitpunkt wurden Ego-Shooter mit einer Hintergrundgeschichte zum neuen Branchen Standard. Stupides herum Geballere rückte zugunsten einer Rahmenhandlung zunehmend in den Hintergrund. Eine Wohltat und Bereicherung für das ganze Genre. Für den Konkurrenten und Erfinder der FPS, id Software markierte dieser Trend jedoch den schleichenden Niedergang. 'Half-Life' und 'Unreal' liefen dem Pionier in der Folge den Rang ab. Nicht nur spielerisch, sondern später auch grafisch.
Das King’s Quest 8 Fiasko
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'Kings Quest 8' (1998) stellte die Genre-Regeln auf den Kopf und vergraulte dadurch die Fans der Vorgänger - der ambitionierte Titel floppte. |
Im Dezember 1998 war es endlich soweit. 'King’s Quest 8: Maske der Ewigkeit' wurde nach vier Jahren Entwicklungszeit veröffentlicht. Für Sierra Verhältnisse eine lange Zeit. Durch den aufgekommenen 3D-Boom Mitte der 90er Jahre, musste das Spiel immer wieder verschoben werden, da es komplett in 3D designt worden war und Action- und Rollenspielelemente beinhaltete. Roberta Williams, die auch dieses Mal für das Projekt verantwortlich zeichnete, brach hier rigoros mit den konventionellen Regeln des Adventure Genres und vergraulte dadurch letztendlich die treuen Fans der Serie. Der Titel war vielmehr an den Durchschnittsspieler gerichtet und hatte bis auf das Szenario und den Titel nicht mehr viel mit der ursprünglichen 'King’s Quest Serie' gemeinsam. Neben der 3D-Grafik und den Kämpfen mit Gegnern, war der Protagonist zum ersten Mal in der Serie nicht Teil der Königsfamilie von Daventry. Roberta Williams hoffte, mit diesem Experiment einen neuen Impuls für das dahinsiechende Genre zu setzen, scheiterte mit dieser Intention jedoch kläglich. Die Fans mieden den Titel und waren enttäuscht. Die gesamte Serie hatte mit 'King’s Quest 8' einen irreparablen Schaden erlitten. Die Verkaufszahlen bewegten sich unterhalb der 100.000er Marke, was im Vergleich zu den insgesamt 7 Mio. verkauften Exemplaren der sieben Vorgänger extrem wenig war. 'King’s Quest 8' wurde ein kommerzieller Flop, der nicht einmal die Produktionskosten decken konnte und führte dazu, daß die Serie letztendlich nicht mehr weiterverfolgt wurde. Roberta Williams kehrte Sierra daraufhin nach fast 20 Jahren Zugehörigkeit im Jahr 1999 endgültig den Rücken.
Caesar III: Alter Wein in neuen Schläuchen
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'Caesar 3' (1998) wurde sowohl grafisch, als auch Spieltechnisch überarbeitet und wurde zum Verkaufshit im Weihnachtsgeschäft 1998. |
Im Oktober wurde 'Caesar III' von Impressions Games veröffentlicht. Auch dieses Mal galt es wieder, als Statthalter einer römischen Provinz, den Forderungen des Imperators Folge zu leisten und durch den erfolgreichen Abschluss diverser Missionen in dessen Nachfolge zu treten. Vor allem grafisch wurde 'Caesar III' enorm nach vorne gepusht. Die verwendete 2D-Grafik war überaus detailliert und bildete jetzt auch die gesamte Provinz auf der Spielkarte ab. Unruhen und Arbeitslosigkeit wurden ebenfalls grafisch dargestellt. Das Spiel bot neben dem Kampagnenmodus auch einen Städtebaumodus, der zum Experimentieren einlud. Auch soundtechnisch war der dritte Teil seinen zwei Vorgängern überlegen. Die Musik entstammte aus diversen Monumentalfilmen und die Geräuschkulisse vermittelte das Flair einer römischen Stadt. 'Caesar III' war ein gelungenes Update der Vorgänger und wurde zu einem Verkaufshit im Weihnachtsgeschäft 1998.
Grand Prix Legends
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'Grand Prix Legends' (1998) gehört bis heute zu den realistischsten Formel 1 Simulationen aller Zeiten. |
Mit 'Grand Prix Legends' veröffentlichte Sierra eine der realistischen und damit auch schwierigsten Formel 1 Simulationen der Spielegeschichte. Dem Entwickler Papyrus war es gelungen, die Formel 1 Saison von 1967 exakt und den Tatsachen entsprechend umzusetzen. Auf elf historischen Strecken wie dem Nürburgring, galt es für den geübten Spieler, die Saison 1967 mit den damaligen Fahrern und Autos zu bestreiten. 'Grand Prix Legends' erforderte vom Spieler enormes Geschick und richtete sich primär an Rennspiel Profis. Der hohe Realismusgrad und damit verbunden die lange Einarbeitungszeit mit vielen Frustmomenten, schreckte jedoch viele Rennspielfans ab. So blieb dem anspruchsvollen Spiel ein finanzieller Erfolg verwehrt. Bis heute gibt es jedoch keinen Titel, der die individuelle Klasse von 'Grand Prix Legends' überflügeln konnte. Das Spiel wurde über die Jahre durch Mods und Fanpatches am Leben erhalten, erweitert und erfreut immer noch eine kleine Gesellschaft von Rennspielfans, die regelmäßig Partien über das Internet oder im LAN austragen.
Was sonst noch so passierte
Im Februar wurde mit der '3dfx Voodoo 2' die zweite Generation der 3D-Beschleuniger Karten eingeläutet. Dieses Mal war es möglich, zwei Karten im SLI-Verbund zusammen zu schließen und eine für damalige Verhältnisse sensationelle Grafik zu erleben. 3dfx befanden sich zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt ihres Schaffens.
Im Oktober veröffentlichten Lucas Arts mit 'Grim Fandango' ihr erstes Adventure mit 3D-Grafik und einer Tastatur- anstatt einer Maussteuerung. Trotz positiver Pressestimmen entwickelte sich das ambitionierte Adventure zu einem kommerziellen Flop. Es schien zu dieser Zeit, daß mit humorvollen Adventures kein Geld mehr verdienen werden könnte.
Im November begründeten die Looking Glass Studios mit 'Dark Projekt: Der Meisterdieb' (Thief) ein neues Subgenre. Den sog. Ego-Sneaker.
Weiter zu Teil 13 der Sierra-Studie.
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King's Quest 8: Maske der Ewigkeit
- Entwickler
- Sierra
- Publisher
- Sierra
- Release
- 1998
- Webseite
- http://www.sierra.com/product.do?gamePlatformId=284
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- King's Quest 8 bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
- Publisher und Entwickler: Sierra
- Schlagwort: Sierra-Studie
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