1995 fand Sierra wieder auf die Erfolgsspur zurück. 'Gabriel Knight 2' wurde u.a. veröffentlicht.
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1995: Sierra wandelt sich zum Medienunternehmen
Durch den Verkauf der restlichen Anteile am INN im Vorjahr, konnte Sierra wieder in die Erfolgsspur zurückfinden. Ein wesentlicher Baustein für die schnelle Gesundung war die bereits Anfang der 90er Jahre vollzogene Umstellung des Produktportfolios. Ken Williams wollte sein Unternehmen anhand der drei Sparten Bildung, Unternehmenssoftware und Unterhaltungssoftware bekanntlich auf ein breiteres Fundament stellen und dadurch auch die finanzielle Abhängigkeit von vereinzelten Erfolgstiteln minimieren. Denn ein Unternehmen, das nur auf Verkaufsschlager ausgerichtet war, unterlag zweifelsohne großen Schwankungen und könnte, so die Angst von Ken Williams, irgendwann von der Bildfläche verschwinden. Nämlich dann, wenn die Hits ausbleiben sollten.
Anhand der bestehenden Produktpolitik konnte dem aber gegen gesteuert werden, da die angebotenen Produkte so ausgerichtet waren, dass sie theoretisch im ein bis zwei Jahreszyklus verbessert und überarbeitet werden konnten. Diese Geschäftspolitik kann man heute vor allem bei Electronic Arts beobachten, die mit ihren jährlichen Sportspielupdates wie der 'Fifa'-Serie mit konstanten Erträgen rechnen können. Diese Philosophie schwebte auch Ken Williams seit seiner Unterredung mit Bill Gates in 1990 vor. Ein Großteil des Umsatzes sollte aus etablierten Marken erlöst werden, die kontinuierlich verbessert werden konnten. Mit dieser Strategie sollte die Abhängigkeit von Blockbustern reduziert und die damit verbundene Volatilität der Geschäftszahlen auf niedrigem Niveau gehalten werden. Marken, die unter dieses Anforderungsprofil fielen, waren unter anderem die 'Nascar'-, 'Incredible-Machine'- oder 'Caesar'-Serie. Das gesamte Jahr 1995 war von der Vertiefung dieser Philosophie geprägt, was sich in Form von diversen Zukäufen und Kooperationen niederschlug. Diese werden im Folgenden näher behandelt.
Sierra im Kaufrausch I – Übernahmen in der Home Sparte
Um die Sparte für Home Office Anwendungen zu stärken, übernahm Sierra zum 31. Mai 1995 den Entwickler The Pixellite Group. Das Unternehmen hatte sich mit seiner 'Print Artist' Reihe bereits einen Namen in der Branche gemacht und bedeutete eine signifikante Verstärkung für das auf den Privatanwender ausgelegte Label Sierra Home. Mit 'Print Artist' konnte der Anwender unter anderem mit sehr wenig Zeitaufwand professionelle Visitenkarten erstellen oder Briefköpfe anhand diverser Cliparts und Schriftarten kreieren. 'Print Artist' wurde zu einem etablierten Baustein des zukünftigen Erfolgs und wird bis heute kontinuierlich weiterentwickelt und mit Erfolg verkauft – aktuell bereits in der Version 23. Die Übernahme wurde durch einen Aktientausch abgewickelt. Bevor jedoch die 'Print Artist' Lizenz wirtschaftlich verwendet werden konnte, musste diese seitens Sierra erst noch vom damaligen Publisher und Rechteinhaber Maxis Inc. für 1,25 Mio. USD erworben werden. Maxis durfte zudem die Marke 'Print Artist' bis einschließlich 31.12.1995 nutzen. Nach Ablauf des vertraglich fixierten Datums wanderte die Lizenz in die Hände von 'Sierra' und konnte von da an wirtschaftlich unbegrenzt verwertet werden.
Am 17. Juli 1995 wurde des Weiteren das Unternehmen Green Thumb Software Inc. mittels Aktientausch akquiriert. Die zehn Köpfe zählende Firma entwickelte seit 1991 mit dem 'LandDesigner' erfolgreich eine Software, mit der man den heimischen Garten einfach und bequem am PC gestalten konnte. Bis zur Übernahme wurden bereits mehr als 100.000 Einheiten dieser jährlich erschienenen und kontinuierlich verbesserten Landschafts-architektur-Software verkauft. Durch die Transaktion bekam das Sierra Home Label weiteren schlagkräftigen Zuwachs und besetzte erfolgreich eine Marktnische.
Die dritte Übernahme für das Sierra Home Label wurde am 12. September 1995 besiegelt. Sierra erwarb den führenden Entwickler für die digitale Verwaltung von Kochrezepten, die Arion Software Inc. ebenfalls via Aktientausch. Das Unternehmen hatte in der Vergangenheit mit der 'Master Cook Reihe', einer Datenbank für Kochrezepte, bereits die Marktführerschaft in diesem Segment erlangt und führte zu einer weiteren Stärkung des Sierra Home Labels.
Sierra geht nach Nippon
Um auch auf dem Japanischen Markt erfolgreich Fuß fassen zu können, wurde am 12. Juli 1995 mit dem japanischen Unternehmen Pioneer Electronic Corporation ein Joint-Venture gegründet. Von Japan als Brückenkopf ausgehend, sollte mittelfristig auch der restliche Asiatische Markt mit Sierra Produkten versorgt werden. Das Gemeinschaftsunternehmen in Form einer Kabushiki-Kaisha, firmierte unter dem Namen Sierra Pioneer Inc. mit Sitz in Tokio. Das Startkapital betrug in Summe 300 Mio. Japanische Yen. Sierra steuerte davon 153 Mio. und Pioneer 147 Mio. Yen bei. Aufgrund des geringfügig höheren Einzahlungsbetrags hielt Sierra an der Gesellschaft einen Anteil von 51% und übte dadurch eine beherrschende Stellung aus. Dadurch konnte Sierra im Aufsichtsrat drei Personen bestimmen, darunter auch Ken Williams persönlich, wohingegen Pioneer lediglich zwei Personen abstellen durfte. Das Geschäftsprinzip war relativ simpel. Sierra Pioneer Inc. erwarb die für sie interessanten Softwarelizenzen von Sierra USA, lokalisierte diese und organisierte anschließend den Vertrieb auf dem asiatischen Markt. Dadurch konnte das lokale Know- How vom Kooperationspartner Pioneer genutzt werden, der bereits mit existenten Vertriebsstrukturen in Japan präsent war. Im Gegenzug verkaufte Sierra über ihre Vertriebsnetze in den USA und Europa die von Pioneer entwickelten Educational Games. Somit entstand auf beiden Seiten eine Win-Win-Situation, von der beide Parteien partizipieren konnten.
Joint Venture mit P.F. Collier
Am 13. November 1995 wurde mit dem Buchhändler P.F. Collier L.P. ein Joint Venture gegründet. Die eigens hierfür gegründete Gesellschaft Collier Sierra L.L.C. wurde umgehend damit beauftragt, für das Frühjahr 1997 eine Multimedia Enzyklopädie der 24 Bände umspannenden Lexika Serie von Collier, zu entwickeln.
Sierra im Kaufrausch II – Übernahmen im Spielesektor
Auch in der Spielesparte konnte Sierra in 1995 erfolgreiche Zukäufe für sich verbuchen, die zu einer substantiellen Stärkung der Sparte und des Unternehmens führen sollten. Die Transaktionen waren dahingehend unumgänglich geworden, da es innerhalb der Sparte zu Umsatzverschiebungen gekommen war. Die Adventures befanden sich zweifelsohne auf dem absteigenden Ast und wurden im Portfolio zugunsten der Simulationen und Strategiespiele stetig zurückgedrängt. Um hier zukünftig keine bösen Überraschungen, sprich Umsatzeinbußen zu erleben, musste Ken Williams dementsprechend pro Zyklisch handeln.
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Mit der Übernahme von Impressions Games konnte sich Sierra eine komfortable Vormachtstellung im kommenden Boomgenre der Strategie Spiele sichern. |
Am 22. Juni wurde das von David Lester gegründete Unternehmen Impressions Software Inc. gegen eine Ausschüttung von 25 Mio. USD in Aktien, erfolgreich akquiriert. Man kannte und schätzte sich bereits aus früheren Projekten, wie 'Caesar' oder 'Lords of the Realm', welche von Sierra erfolgreich vertrieben worden waren. Durch die Transaktion konnte Sierra den Strategiespezialisten dauerhaft an sich binden und von dessen ausgewiesener Expertise für die kommenden zehn Jahre in vielschichtiger Weise profitieren. Dies führte zu einer Stärkung des Strategie-Portfolios. Aufgrund der rapide wachsenden Popularität des Genres eine sinnvolle Investition zur richtigen Zeit.
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Durch die subLogic Übernahme sicherte sich Sierra erfolgreich die fehlende Expertise im Genre der Flugsimulationen. Ziel war es, den Microsoft Flight Simulator anzugreifen. |
Am 9. November 1995 wurde vom Entwickler SubLogic Inc. die Flugsimulations-Sparte via Aktientausch übernommen. Die Transaktion machte Sinn, da allein der Markt für Flugsimulationen inzwischen ein Volumen von 80 Mio. USD ausmachte und gute Renditen versprach. Ziel war es, mit einem eigenen Simulator den 'Flug Simulator' von Microsoft anzugreifen, der einen Monopol Status inne hatte. Neben der eingekauften Technologie, wurden auch die 12 Mitarbeiter übernommen.
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Durch die Übernahme von Papyrus konnte sich Sierra die Dienste des Rennspiel Spezialisten dauerhaft sichern und seine Position im Sportgenre stärken. |
Mit der Übernahme von Papyrus Design Group Inc. am 30. November 1995 wurde das Sportspiel Portfolio erweitert und der Rennspielexperte, bekannt durch die 'Nascar Racing' Serie, dauerhaft an Sierra gebunden. Durch die Übernahme, welche durch Aktien finanziert wurde, wuchs die Personaldecke von Sierra um weitere 100 professionelle Mitarbeiter an. Mit dieser Transaktion war die Kaufwut Sierra’s fürs erste gestillt.
Die Spiele von 1995
Das Spielejahr 1995 markierte den Wendepunkt in der Adventuregeschichte des Unternehmens. Hier wurden nochmals alle Kräfte gebündelt und die letzten großen Hits veröffentlicht. In den Folgejahren sollte der Strom an Adventures kontinuierlich abnehmen und 1999 dann endgültig aus dem Portfolio verschwinden. Vieles davon war auch selbst gemacht. Die als wegweisend gepushten interaktiven Movie Adventures (FMV) waren schlichtweg zu kostspielig, wiesen mit wenigen Lichtblicken ein mieses Rätseldesign samt seichten Geschichten auf. Außerdem war das von Westwood und seiner 'Command and Conquer' Serie begründete Genre der RTS-Spiele 1995 endgültig salonfähig geworden. Auch die grafische Entwicklung in Richtung 3D nahm keine Rücksicht vor dem stagnierenden Adventuregenre. Das Genre befand sich in einer akuten Sinnkrise, was in 1995 und darüber hinaus auch den letzten Beobachtern klar werden sollte.
Sierra wagt den Schritt in Richtung interaktiver Film
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Phantasmagoria entwickelte sich zum Blockbuster und wurde zum meistverkauften Adventure von Sierra. |
Mit 'Phantasmagoria', 'Gabriel Knight II: The beast within' und 'Shivers' sprang Sierra erfolgreich auf den fahrenden Zug der interaktiven Movie Adventures auf. Speziell 'Phantasmagoria', das auf sieben CD's ausgeliefert wurde, konnte sich auf Anhieb stolze 600.000 Mal verkaufen und gehörte zum meistverkauften Adventure Titel der Sierra Firmenhistorie. Das Projekt verschlang rund vier Mio. USD, wurde aber von der Presse nur verhalten aufgenommen. Zwar war die Gruselstory um ein Spukhaus samt einem vom bösen Dämon besetzten Ehemann spannend und vor allem blutig in Szene gesetzt, dennoch war das Rätseldesign für gehobene Ansprüche schlichtweg zu leicht und mitunter auch uninspiriert. Roberta Williams erfüllte sich mit diesem Projekt jedoch einen lange gehegten Traum und emanzipierte sich erfolgreich von ihren eher an eine jüngere Klientel gerichteten 'Kings Quest' Spielen.
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Mit Gabriel Knight II erlebte das Subgenre des interaktiven Films einen Meilenstein, der vor allem aufgrund seiner erzählerischen Tiefe punkten konnte. |
Anders war da schon 'Gabriel Knight II', das wieder von Jane Jensen entworfen worden war. Hier galt es in Bayern und Umgebung eine Werwolfgeschichte rund um eine verloren gegangene Wagneroper und den mysteriösen Tod von Ludwig II zu lösen. Neben der für damalige Verhältnisse schönen Optik, wussten sowohl die Geschichte, als auch das Rätseldesign zu motivieren. Beide Titel zählen bis heute zu den besseren Vertretern dieses kurzweiligen Genre-Experiments. Bei Interesse finden sich in der Klassiker Rubrik zwei ausführliche Tests, die sich intensiv mit den beiden Spielen auseinander setzen.
Die klassischen Adventures
Trotz der neuen Fokussierung auf den interaktiven Film, was sich später noch rächen sollte, wurden auch noch zwei klassische Adventures veröffentlicht.
Zunächst wurde 'Space Quest VI: The Spinal Frontier' veröffentlicht. Im Gegensatz zum Vorgänger, wurde der sechste Teil von den Fans wieder positiver aufgenommen und verkaufte sich sogar stärker, als der fünfte Teil. Dies hatte zur Folge, dass ein siebter Teil umgehend in Auftrag gegeben wurde.
Am 31.12.1995 wurde das von Al Lowe ersonnene Cartoon Adventure, 'Torin’s Passage' veröffentlicht. Es hatte vor allem grafisch eine gewisse Ähnlichkeit mit 'Kings Quest 7'. Der Titel war speziell für eine jüngere Zielgruppe ausgerichtet und sollte den Beginn einer neuen Adventure Serie markieren. Aufgrund der rapide fallenden Popularität des Genres, mussten diese Pläne jedoch kurzerhand fallen gelassen werden.
Die Simulationen
Die Simulationen wurden primär in Form von Missions CD’s für bereits im Vorjahr veröffentlichte Titel versorgt. So wurden für 'Metalltech: Earthsiege' und 'Aces of the Deep Expansion Pack’s' veröffentlicht, die den Spieler mit besseren Grafiken und neuen Missionen versorgten.
Dynamix probierten sich erfolgreich an einer Flipperautomatensimulation und veröffentlichten '3-D Ultra Pinball'. Daryl F. Gates transformierte mit großem Erfolg die 'Police Quest' Serie in eine Taktiksimulation mit dem Namen 'Police Quest SWAT'.
Die Sportspiele
Papyrus veröffentlichten mit dem 'NASCAR Track Pack' eine Missions-CD für ihren Erfolgstitel, der verbesserte Grafiken, neue Modelle und Stecken beinhaltete.
Geschäftszahlen 1995
Des Verlustträgers INN beraubt, konnte Sierra wieder durchstarten. Der Umsatz stieg um 20% auf 83,4 Mio. USD an. Der Gewinn stieg auf 12.992.000 USD.
Was sonst noch so passierte
Ab August 1995 wurde Windows 95 von Microsoft ausgeliefert.
Ebenfalls im August wurde der RTS-Titel 'Command and Conquer' von Westwood und dessen Publisher Virgin Interactive Entertainment veröffentlicht. Ein neues Genre erlebte seinen endgültigen Durchbruch.
Weiter zu Teil 10 der Sierra-Studie.
-
Gabriel Knight 2: The Beast within
- Entwickler
- Sierra
- Publisher
- Sierra
- Release
- 1996
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
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- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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Phantasmagoria
- Entwickler
- Sierra
- Publisher
- Sierra
- Release
- 1995
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- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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Space Quest 6: The Spinal Frontier
-
Torin's Passage
- Publisher und Entwickler: Sierra
- Schlagwort: Sierra-Studie
4 Kommentare
Ich liebe diese Serie über Sierra! Weiter so. Auch gerne mal über Lucasarts.
René
Volle Zustimmung.