Die erste Episode von ‘The Walking Dead: Michonne‘ zeigte wohin die Reise geht. Ein düsteres, gewalttätiges Intermezzo mit einer charismatischen und gleichsam düsteren Michonne. Trotzdem zeigten sich die übliche Telltale-Probleme. Es wurde zwar etwas mehr Wert auf Exploration gelegt, aber trotzdem herrschen sonst Quick Time-Elemente vor. Somit haben die nächsten zwei Episoden zwar einen soliden Start hinter sich, aber doch einige Hürden zu nehmen. Zumindest die Sprachbarriere wurde dieses Mal schon genommen, denn das Spiel gibt es mit deutschen Untertiteln. Ob das altbewährte Konzept die Kurve kratzt und Impulse in die richtige Richtung setzt oder nur Michonne die tragende Kraft ist, könnt ihr hier lesen. Wegen der Spoiler-Gefahr wird auf einen Ausblick auf die Geschichte verzichtet und nur auf die Hintergrundgeschichte von Michonne eingegangen. Trotzdem lassen sich natürlich Spoiler oft nicht vermeiden. Unser Test ist so ausgelegt, dass nichts Relevantes für die Geschichte vorweggenommen wird.
Ein Katana, zwei armlose, kieferlose Zombies und Dreadlocks
Ihre Begleiter |
Das ist eine Kurzbeschreibung von Michonne – zumindest was das typische äußerliche betrifft. Sie ist eine der beliebtesten Charaktere im Comic und in der TV-Serie. Sie hat immer etwas Mysteriöses und Abgehärtetes. Gleichzeitig ist sie mit einigen wichtigen Charakteren verbandelt. Diese Düsternis versuchte Telltale direkt in ihr Spiel umzusetzen. Dunkelheit oder schlechtes Wetter überwiegen. Brutalität ist an der Tagesordnung. Statt dem typischen Katana ist im Spiel die Machete im Einsatz, der Stil ist aber ident. Sie wirkt ständig mürrisch und nachdenklich und leidet an Halluzinationen. Eine typische gebrochene Charakterin, die aber in kritischen Situationen wieder zu Stärke findet. Das Spiel ‘The Walking Dead: Michonne‘ lebt von dem namensgebenden starken Charakter und wäre ohne sie nur eine Randbemerkung wert.
Was entscheiden wir denn dieses Mal?
Dienen zur Identifikation |
Typisch für Telltale sind die Urteile über Leben und Tod. Welchen Nebencharakter will man leben lassen, wer soll sterben? Nach gefühlten hundert Episoden diverser Reihen und Übernahme dieses Prinzips in anderen Spielen zieht diese ultimative Konsequenz nicht mehr so ganz. Man entscheidet quasi im Vorbeigehen über Leben und Tod, denn die meisten Charaktere liegen einem aufgrund der geringen Spielzeit ohnehin nicht am Herzen. Dieses Phänomen ist nicht nur typisch für ihr Adventure ‘Game of Thrones‘, sondern auch für ‘The Walking Dead: Michonne‘. Drei Episoden mit insgesamt vier bis fünf Stunden Spielzeit lassen erst gar nicht zu großartige Beziehungen aufzubauen. Vor allem, weil manche Charaktere nur in wenigen Ausschnitten der Episode gezeigt werden. Kurz gesagt: man geht gleichgültig durch die Welt. Andere, nebensächliche Entscheidungen bieten da deutlich mehr Tiefe. Lasse ich den Vater einer Verletzten beim Verarzten helfen, obwohl er gegen Michonne vollkommen misstrauisch ist und allgemein nicht sehr vertrauenswürdig wirkt? Lasse ich sie etwas sagen, was ihr eigentlich nicht zusteht zu sagen – etwas was eigentlich ein Familienmitglied sagen sollte, keine Außenstehende? Räche ich sie an ihrem Peiniger, oder zeige ich Menschlichkeit? Außerdem kann man seine »eigene« Michonne in Dialogen sehr gut personalisieren. Von der knallharten Überlebenskünstlerin, die alles gesehen hat bis zur menschlichen und fast schon fürsorglichen Machete-Schwingerin ist alles möglich.
Durchschnittliches Vergnügen
Schönere Quicktime Elemente |
Zählten vorherigen Staffeln der ‘The Walking Dead‘ Reihe noch zu den Highlights, so ist Michonnes Reise nur für Fans dieser interessant. Die Geschichte führt zwar etwas in die Vergangenheit von Michonne und die Gründe warum sie zu dem geworden ist, wie man sie in der Serie kennt. Gleichzeitig ist sie aber eher durchschnittlich und zieht eher vorhersehbare Kreise. Trotzdem will man sie weiter begleiten. Eine typischerweise starke Story findet man nicht, es hängt alles an diesem einen Charakter. Die Nebencharaktere wirken dafür ungewöhnlich platt, denn manche sind farblos, weil sie nur sehr kurz auftauchen. Selbst die Namen bleiben bis zum Schluss kaum im Gedächtnis. Die Bösewichte sind dafür so deutlich ausgeprägt, dass man ihr Verhalten von vornherein vorausahnen kann. Vielschichtigkeit und Unberechenbarkeit sucht man vergeblich. Ebenso zeigt das Gameplay eher Altbewährtes, das Kenner von ‘Game of Thrones‘ eigentlich schon alles kennen. Einzig die häufigeren explorativen Szenen können überzeugen und lassen hoffen, dass zukünftige Telltale Adventures mehr davon haben. Wirklich positiv fallen dafür die neuen Quicktime Aufforderungen auf. Sie wirken so als wären sie im Geschehen integriert und werfen einen nicht mehr so stark aus der Atmosphäre hinaus. Die bunten Controller-Knöpfe, die meist perspektivisch in die Szene eingebaut werden, wirken wie eine Art Augmented-Reality-Erfahrung. Dieser Stil kann durchaus gefallen.
Die Vorfreude war groß. Sowohl Serie als auch die vorigen beiden Telltale Staffeln ließen auf Großartiges hoffen. Michonne war schon in der Serie eine meiner Lieblinge – da kann doch nichts schiefgehen, oder? Naja, außer, dass das Spiel ohne sie eigentlich belanglos wäre. Die Frau mit ihren Zombie-Haustieren und dem Katana reißt zwar vieles herum, aber andere Charaktere tauchen völlig ab. Wenn man sich nach dem Spiel fragt, wie denn nochmal der eine Charakter hieß und im Internet nach ihm suchen muss, weiß man wie nahe er einem wirklich war. Natürlich gibt es auch positive Elemente, denn Fans klassischer Adventures werden die explorativen Szenen begrüßen. Relativ oft kann man sich frei bewegen und Dinge untersuchen. Ein spaßiger und auch friedlicher Zeitvertreib. König des Spiels bleiben aber die Action-Szenen und entgegen meinen Erwartungen kann man dieses Mal auch manchmal sterben – in vorigen Spielen war das selbst nach mehreren verfehlten Quicktime-Elementen noch längst nicht die Konsequenz. Es bleibt für mich ein Spiel für ‘ The Walking Dead‘ Fans, das aber nicht auf voller Länge überzeugen kann. Das kann Telltale besser. Das haben sie schon öfter bewiesen.
Fazit von Matthias Glanznig:'The Walking Dead: Michonne' war für mich ein sehr netter, solider Happen für zwischendurch. Zugleich wird nichts geboten, was rundum sättigen könnte und die ersten beiden Zombie-Staffeln waren klar besser. Wir haben es diesmal mit einer sehr typischen Telltale-Umsetzung zu tun, die das Niveau immerhin konstant über drei Episoden hält. Leider führt das verknappte 4-Stunden-Format dazu, dass gegen Ende so manches erzwungen wird und Michonnes persönlichen Konflikt fand ich ungefähr so originell wie einen Popsong von Dieter Bohlen. Trotzdem waren wieder einmal ein paar interessante Entscheidungen dabei, womit ich nicht obligatorische Leben-oder-Tod-Problemchen meine (die haben sich für mich abgenutzt), sondern die gewöhnlichen, kleinen Konflikte zwischendurch. Und selbst wenn mir ihre Vergangenheitsbewältigung - überspitzt gesagt - piepegal war: Michonne ist und bleibt eine richtig coole Spielfigur!
Fazit von Ulrika Tegtmeier:Man darf Telltale zur Staffel von 'The Walking Dead: Michonne' durchaus auf die Schultern klopfen. Das Telltale- eigene Spielprinzip wurde hier auf die Spitze getrieben und ist so gut umgesetzt wie es die limitierten Features und Mechaniken zulassen. Dass Michonne dennoch nicht aus dem Schatten der hochgelobten Vorgänger heraus treten kann, liegt jedoch auch daran, dass sich Tellales Adventures seit der ersten Staffel von The Walking Dead spielerisch im Kreis drehen. Michonne ist zwar gut und intelligent erzählt, als Eintrag im Gesamtwerk 'The Walking Dead' a la Telltale ist es dennoch der schwächste Eintrag. Auch wenn Michonne ein interessanter Charakter ist und ihr “Coolness- Faktor” immer wieder betont wird (und werden darf), fehlt es TWD Michonne vor allem an Tiefe und schafft es weder Spannung aufzubauen noch den Spieler mitzureißen.
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The Walking Dead: Michonne
- Entwickler
- Telltale Games
- Publisher
- Telltale Games
- Release
- Episodisch: 23.02.16
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- https://www.telltalegames.com/walkingdead/michonne/
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