Die Südafrikaner Christopher Bischoff and Nicolas Bishoff bilden zusammen Brotherhood Games. Mit ihrem Erstlingswerk 'STASIS' zeigten sie, dass in ihnen durchaus fähige Adventure-Entwickler stecken. Richtig bekannt wurden sie aber mit ihren isometrischen Interpretationen von Storytellern wie 'Fallout 4' und ‘BioShock Infinite‘. Aufgrund dieser hervorragenden Hintergrund-Artworks unterstützen sie mittlerweile auch inXile Entertainment bei 'Wasteland 3'. Sie hatten aber auch mit ihrem zweiten kommerziellen Projekt 'Beautiful Desolation' einen Kickstarter-Erfolg. Genau diesem in einem postapokalyptischen Südafrika angesiedelten Adventure widmen wir uns heute.
Kapstadt im Wandel der Zeit
Es stürmt in Kapstadt im Jahr 1976. Wir fahren mit dem Protagonisten Mark und seiner Frau Charlize zu seinem Bruder Don. Er hat wieder einmal Probleme und Charlize möchte ihm helfen. Er zweifelt, ob er überhaupt noch an ihn rankommt. Plötzlich sieht seine Frau etwas am Himmel und Autos wirbeln um sie. Sie krachen frontal in ein herumwirbelndes Auto. Im Nebel taucht ein riesiges fliegendes Dreieck auf. Luftschutzsirenen ertönen.
Zehn Jahre später fährt Mark mit dem Motorrad zum Flugplatz, wo Don arbeitet. Allein, denn seine Frau hat den damaligen Unfall nicht überlebt. Markt macht das Ding am Himmel verantwortlich: Es ist ein Penrose-Dreieck, ein sogenanntes Tribar. Eigentlich unmöglich, aber es existiert. Roboter namens Agnaten kamen aus diesem Ding und beschleunigten den technologischen Fortschritt immens. Gleichzeitig werden die Menschen von diesen unterdrückt. Es ist ein wenig wie Neill Blomkamps 'District 9': Eine Apartheid-Parabel mit einem fliegenden Objekt am Himmel. Mark will der Sache auf dem Grund geht und fliegt zusammen mit Don auf das Penrose. Abermals herrscht ein Sturm, abermals passieren unmögliche Dinge. Sie finden sich plötzlich in einem Südafrika der fernen Zukunft wieder. Hunderte Jahre sind vergangen, die Welt hat sich vollständig verändert. Die Welt ist wortwörtlich eine 'Beautiful Desolation' (Wunderschöne Trostlosigkeit / Verwüstung / Verlassenheit). Die Geschichte zweier Brüder beginnt.
'Fallout', 'Mass Effect' und klassische Adventures der alten Schule
Nach den Zeitsprüngen müssen wir uns erst in der Welt orientieren. Die Perspektive und die postapokalyptische Zeit samt neuen Erkundung nach langer Zeit erinnert schon stark an die alten 'Fallout' Klassiker. Per Mausklick steuern wir Mark durch das verwitterte Südafrika. Wo einstmals High-Tech-Maschinen stand, stehen jetzt rostige Stahlträger und Überreste. Die Menschheit hat sich in verschiedene Stämme mutiert, die sich allesamt feindlich gesinnt sind. Don und ein Roboter-Hund begleiten Mark durch die Welt. Wir entdecken mit der kleinen Familie dann aber schnell den zweiten Aspekt des Spiels.
Wir finden ein Art Senkrechtstarter, mit dem wir sehr bald frei durch die Welt fliegen können. Mittels Portale, den sogenannten Wächtern, reisen wir so auch über größere Distanzen. Wer 'Mass Effect' kennt, wird darin sehr schnell die Massenportale wiedererkennen. Wie in diesem Spiel reisen wir so von Gegend zu Gegend, sprechen mit den verschiedensten Stämmen, Persönlichkeiten und Quest-Gebern. Die eigentliche Hautgeschichte und die Nebengeschichten verweben sich so in eine stetige Reise durch Südafrika. Entgegen den Rollenspiel-Vorbildern laufen alle Aufgaben ohne Kämpfe ab. Es gibt zwar eine mögliche Quest-Reihe, die rundenbasierte Videospiel-Kämpfe ermöglicht. Diese kann man sich aber ähnlich wie in 'Deponia 3: Goodbye Deponia' vorstellen. Ohne Zeitdruck spielt man so Einheiten in rundenbasierten Kämpfen im Schick-Schnack-Schnuck-Prinzip aus. Wer überlebt, gewinnt. Das ist aber völlig optional und ist eher eine Alternativquest zum normalen Vorgehen im Spiel. Man könnte es auch als einen Bonus für ein "Endgame" im Spiel ansehen.
Vielmehr warten Dialoge, das Suchen von Gegenständen und viele Entscheidungen mit tatsächlich weitreichenden Konsequenzen in den 12 bis 15 Stunden auf uns. Es kann schon einmal passieren, dass wir aus Versehen einen Genozid mit einer Entscheidung anrichten. Das Spiel kennt kein Erbarmen und macht es deswegen auch so anders und interessant. Die Entscheidungen schalten so auch immer neue Gebiete frei, die wiederum mehrere Orte beinhalten. So hantelt man sich Schritt für Schritt durch eine relativ offene Welt, die uns wenig an der Hand hält und viele Freiheiten lässt. 'Beautiful Desolation' ist somit abermals eine erfolgreiche Machbarkeitsstudie, dass Open-World-Adventures existieren.
Ästhetisch und wohlklingend
Neben der für die Bischoff-Brüder schon obligatorisch wunderschönen Hintergründe sind das auch die Stärken des Spiels. Nach etwas konfusem und zähem Beginn stellt sich eine Art Flow-Zustand ein. Wie in 'Mass Effect' möchte man noch schnell die eine Nebenaufgabe erledigen, das eine Gebiet erkunden oder das eine Portal freischalten. Zur stimmigen Umgebung passt auch die bewusst südafrikanische Sprachausgabe. Als Muttersprachler konnten die Bischoff-Brüder so eine etwas anders klingende englische Sprache zeigen. Es ist eine Mischung aus Afrikaans und Englisch, die auch deutsch bzw. niederländisch klingende Wörter verwendet. Es gibt somit wegen der Stimmigkeit keine deutsche Sprachausgabe, aber deutsche Untertitel lassen sich jederzeit dazuschalten.
Eine spezielle Erwähnung braucht auch der Soundtrack. Brotherhood Games hat sich für 'Beautiful Desolation' einen Veteranen an Bord geholt. Mick Gordon, verantwortlich für die Soundtracks von 'Wolfenstein II: The New Colossus', 'Doom' oder 'Prey'. Der Soundtrack wird aber nur wie ein Gewürz eingesetzt. Er ist selten bewusst zu hören, aber passt sehr gut zur Stimmung.
Open World heißt dann wohl AAA, oder?
Grafisch ist jedoch nicht alles gelungen. Gerade die Laufanimationen sind schon ziemlich hakelig. Viele Gebiete besuchen wir mehrmals und Backtracking ist somit Teil des Spiels. Die Soundeffekte und die Sprachausgabe sind nicht immer perfekt. Gerade in der Intro-Sequenz hört man schon Schwächen, die dann aber glücklicherweise später nicht mehr ganz so stark auffallen. Die Story hingegen kann großteils überzeugen, regt zum Nachdenken an und beleuchtet die südafrikanische Geschichte.
Manche Zwischensequenzen werden wie in den 90ern in kleinen Bildschirmen angezeigt. Rundherum ist allerhand technischer Kram. Das ist zwar eine nette Anerkennung der Vergangenheit, wirkt bei 'Beautiful Desolation' aber manchmal deplatziert. Warum soll ein Dialog nur in Form eines kleinen Bildschirms dargestellt werden? Wo kommt bei einem Gespräch zwischen einer Person und einem Roboter ein Bildschirm her? Dabei wären diese Einblendungen schön gezeichnet und auch animiert. Ebenso sind die größeren Zwischensequenzen für ein derart kleines Projekt durchaus ansehnlich. AAA ist dagegen schon sehr weit weg und sollte bei dem Budget auch klar sein. Nur die Spezialeffekte und die Hintergründe können mit den großen Budgets mithalten. Das ist aber auch die Kernkompetenz der beiden Brüder.
Wiederspielbarkeit durch Entscheidungen
Die Entscheidungen sind in 'Beautiful Desolation' ein Kernelement. Sie verändern ganze Landstriche, beeinflussen das Leben ganzer Gruppierungen und auch das Ende des Spiels. Man hat stets ein mysteriöses Gerät dabei, das anzeigt, wie wir uns gerade verhalten. In vier Stufen ist dabei vom netten Kerl, der allen hilft und die Menschheit retten will zum Unmenschen, der nur sein eigenes Interesse im Sinn hat und so alles in Gefahr bringt, einiges möglich. Jede wählbare Dialogzeile (typischerweise aus drei Antwortmöglichkeiten) aber auch Quest-Entscheidungen beeinflusst so das Spiel und auch das Ende.
Wer auf Wiederspielbarkeit setzt, könnte hier durchaus Spaß finden. Einige Quests lassen sich nämlich auf gänzlich andere Weise lösen. So gibt es den erwähnten Arena-Kampf als Bonus. Der Spielverlauf und das Ende sind somit auch dramatisch anders.
Zu Beginn war es etwas zäh und ich habe befürchtet, dass die Bischoff-Brüder aus 'STASIS' nur wenig mitnehmen konnten oder einfach das Budget zu klein war. Sobald sich die Welt öffnet, ist 'Beautiful Desolation' aber zeitweise grandios. Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen, auf allen Ebenen. Die Geschichte der zwei Brüder ist bittersüß und zeigt familiäre Probleme und den Umgang damit. 'Beautiful Desolation' ist eine Geschichte über Brüderlichkeit und gleichzeitig über die bewegte Geschichte Südafrikas: Sehr wahrscheinlich ein Herzensprojekt für Brotherhood Games. Das zeitweise großartige Spiel wird jedoch hie und da durch kleinere Längen im Spiel gebremst. Ebenso ist der Production Value nicht immer am gleichen hohen Niveau. Man merkt schlussendlich doch, dass das Budget für dieses riesige Spiel nicht ganz ausreicht. Die Bischoff-Brüder können aber auch das ganz gut kaschieren. Es bleibt also ein gut gelungenes Adventure mit Schwächen an manchen Orten. Wer mit dem Thema etwas anfangen kann, sollte aber definitiv einen Blick in dieses südafrikanische Kleinod werfen.
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Beautiful Desolation
- Entwickler
- The Brotherhood
- Publisher
- The Brotherhood
- Release
- 26. Februar 2020
- Spielzeit
- 15 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.desolationgame.com/
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Beautiful Desolation im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
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