Mit 'Black Mirror 3' erscheint im Februar 2011 der Abschluss der Adventureserie um den Fluch der Familie Gordon. Der erste Teil der Serie zählt für viele Spieler zu den spannensten Spielen des Jahrzehnts. Der Nachfolger hatte es da schwerer. Viele Spieler rieben sich an Hauptcharakter Darren Michaels und kritisierten den Abstecher in die USA sowie das offene Ende. Mit dem dritten Teil sollen nun alle offenen Fragen beantwortet werden. Dafür, dass das auch funktioniert und die Geschichte spannend wird, sorgt unter Anderem Anne von Vaszary. Wir hatten die Chance, der freien Autorin, die auch schon an 'Black Mirror II' und 'DWK 5 - Hinter dem Horizont' mitgearbeitet hat, einige Fragen zu stellen.

Adventure Corner: Hallo Anne, zuerst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Stell Dich unseren Lesern doch einmal vor und erkläre kurz, wie Du zum Team von 'Black Mirror 3' gekommen bist und was da Deine Aufgabe ist.
Anne von Vaszary: Hallo zusammen, ich freue mich, mal so direkt gefragt zu werden. Meistens läuft das immer sehr viel indirekter ab. Ich schreibe was, das wird von jemand anderem umgesetzt, dann kommt es raus und ich schaue mir die Reaktionen an, gehe in Foren, lese Kritiken und versuche aus dem Feedback darauf zu kommen, wie das, was ich mir ursprünglich dabei gedacht habe, bei den Leuten angekommen ist bzw. ob überhaupt. Und um eure Frage zu beantworten: ich habe an der Filmhochschule in Babelsberg Drehbuchschreiben und Dramaturgie studiert und arbeite seit fünf Jahren als freie Drehbuch/TV/Roman/Games-Autorin. Ich bin durch 'Black Mirror 2' zum dritten Teil gekommen. Der war ja nicht 100 prozentig zu Ende erzählt, viele Fragen blieben offen. Und in der Hoffnung, dass ich zusammen mit den Cranberrys auf die Antworten komme, haben wir dann auch den dritten Teil zusammen gemacht.
Adventure Corner: Kannst Du uns schon ein wenig über die Handlung von 'Black Mirror 3' verraten?
Anne von Vaszary: Darren hat mit den Konsequenzen aus dem zweiten Teil zu kämpfen. Er wird für alles verantwortlich gemacht, was passiert ist: der Mord an Miss Valley, der Schlossbrand, in dem Bates, Sally und Lady Eleanor umkamen. Der Inspektor ist Darren nicht gerade wohl gesonnen, nicht nur er, ganz Willow Creek hält Darren für einen Mörder und Brandstifter. Außerdem glaubt ihm niemand, dass er in Wirklichkeit Adrian Gordon ist und nicht Darren Michaels. Die einzige Verwandte von ihm – Lady Victoria - hat den Brand zwar überlebt, aber sie spricht nicht mit ihm, weil sie ihn ebenfalls für den Täter hält und sich wünscht, dass er in Amerika geblieben wäre. Und dann ist da ja noch das Ritual, das Angelina mit Darrens Hilfe am Ende von 'Black Mirror 2' durchgeführt hat. Sie wollte damit Mordred aktivieren - und das ist ihr auch gelungen…
Adventure Corner: Der zweite Teil endete ja mit einem Cliffhanger. War die Fortsetzung von Anfang an geplant? Und wird diese Fortsetzung wieder ein offenes Ende haben?
Anne von Vaszary: Beim zweiten Teil habe ich nur die Story entwickelt (zusammen mit Achim Heidelauf), nicht die Einzelheiten, Rätsel und Dialoge. In meiner Version gab es ein abgeschlossenes Ende. Das war allerdings schon 1,5 Jahre fertig, bevor 'Black Mirror 2' rauskam. Diesmal habe ich zusammen mit Tom Fischer und Michael Holzapfel von den Cranberrys jede Einzelheit und jeden Dialog geschrieben. Die Geschichte mit dem Fluch und den Gordons wird im dritten Teil zu Ende erzählt. Aber das Spiel heißt ja nicht „Der Gordon-Fluch“, sondern „Black Mirror“…
Adventure Corner: Hast Du Dir die Kritik an Black Mirror 2 zu Herzen genommen? Einige Spieler fanden zum Beispiel Darren zu frech. Wie geht man damit um? Er wird ja in 'Black Mirror 3' vermutlich noch der Selbe sein, oder?
Anne von Vaszary: Ich nehme mir Kritik immer zu Herzen, das heißt aber nicht, dass ich Figuren deswegen verbiege. Darren bleibt Darren, natürlich mit den Erfahrungen, die er im zweiten Teil gemacht hat und vielleicht haben die ihn ja ein wenig verändert ;) Darren ist als Figur sehr impulsiv und zweifelnd angelegt, sonst hätte die Geschichte im zweiten Teil nicht funktioniert. Es musste glaubhaft sein, dass er Angelina hinterher reist, dass er sich einlässt auf sie und ihre Geschichte und dass er trotzdem nicht naiv wirkt, sondern jemand ist, der Dinge hinterfragt und seinen eigenen Kopf hat. Ein recht widersprüchlicher Charakter, der sich von seinen Gefühlen leiten lässt, ihnen aber gleichzeitig misstraut, aus reinem Selbstschutz.
Adventure Corner: Welchen Stellenwert hat der Spieler im Gamedesign und der Dramaturgie? Wie schaffst Du es, dass sich der Spieler mehr involviert fühlt?
Anne von Vaszary: Der Stellenwert des Spielers im Gamedesign ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Auf diesem Gebiet des Storytellings stehen wir noch ganz am Anfang. Da bin ich selbst grad am Experimentieren (www.gamecast-tv.com ;) ) Aber wir haben es bei 'Black Mirror 3' mit einem klassischen Adventure zu tun und da ist die Storylastigkeit wesentlich höher als bei anderen Genres. Der Spieler agiert ja in der Rolle einer Figur innerhalb einer Geschichte, die bereits geschrieben wurde. Was ihm das Spiel bietet, ist, dass er sich das Erzählen der Geschichte selbst erspielt. Es ist nicht die Geschichte, die er nach seinen Wünschen kreiert. Sondern das Erleben der Geschichte. Und zwar als Darren. Von der Kunst das Interesse zu wecken und der Bereitschaft sich darauf einzulassen hängt der Grad des Involviertseins ab und nicht etwa von dem Gefühl Einfluss auf die Handlung zu nehmen, denn das würde ja bedeuten, dass eine Entscheidungsfreiheit besteht, die wiederum Alternativen in Entscheidungssituationen bietet. Das ist nur eine Illusion, die in der Adventuredramaturgie bestenfalls durch eine überzeugende Charaktermotivation geschaffen wird.
Adventure Corner: Was hat Dir beim Schreiben der Geschichte zur Fortsetzung von 'Black Mirror' am meisten gefallen? Was war am schwierigsten umzusetzen?
Anne von Vaszary: Am meisten hat es Spaß gemacht sich die Vorgeschichte auszudenken: Mordred und Marcus Gordon, der Streit zwischen den beiden Brüdern, wie es zum Fluch gekommen ist, welche Legenden sich darum ranken… Mit Tom Fischer und Michael Holzapfel zusammen zu sitzen und die Köpfe rauchen zu lassen, um eine Vorgeschichte zu finden, die 'Black Mirror 1' mit 'Black Mirror 3' verbindet - das war schon klasse. Gleichzeitig war es aber auch schwierig dieses ganze Wissen um die Zusammenhänge rüber zu bringen. 800 Jahre alte Rückblenden wird es nicht geben. Das heißt, das muss alles in Dialogen transportiert werden. Da wird so manche Maus rauchen ;) Aber ich hoffe darauf, dass die Spieler genauso an der Geschichte des Fluchs interessiert sind wie ich.
Adventure Corner: Die 'Black Mirror'-Spiele erzählen eine eher düstere und ernste Geschichte. Ist das auch Deine persönliche Vorliebe oder schreibst du lieber lustige und freundliche Geschichten?
Anne von Vaszary: Freundliche Geschichten? Gibt es sowas? Höchstens in Watte gepackte Konflikte. Aber nein, ich interessiere mich tatsächlich mehr für die in schmutzige Mullbinden Gewickelten.
Adventure Corner: Du hast ja bereits an einigen Adventures mitgearbeitet. Was gefällt Dir ganz persönlich an dem Genre?
Anne von Vaszary: Das Aufspüren und Zusammensetzen einer Geschichte. Das ruhige Tempo. Die Tiefe und epische Breite, die möglich ist. Das Eintauchen in eine unheimliche und fremde Atmosphäre.
Adventure Corner: Was ist für Dich am Wichtigsten, wenn Du ein Adventure spielst? Achtest Du da besonders auf die Geschichten oder Charaktere?
Anne von Vaszary: Ich bin ein Dramaturgiejunkie. Charaktere sind für mich dazu da ihre Handlungen glaubhaft zu motivieren, um mich tiefer und tiefer in die Abgründe zu führen. Mein Lieblingsadventure ist 'Overclocked', von House of Tales. Es ist einfach klasse, wie die Storyfragmente nach und nach die ganze Vorgeschichte entfalten. Solche dramaturgischen Raffinessen liebe ich. Deshalb freue mich schon auf das Horror Survival Game 'Night of Joeanne' von den Düsseldorfer Sluggerflys.
Adventure Corner: Was hältst Du von der Tendenz, dass Adventures immer weniger interaktiv werden? Der Spieler klickt sich durch vorgegebene Dialoge (die dadurch eigentlich auch automatisch ablaufen könnten), bekommt die Story in Filmchen erzählt und darf sich nur noch um solche Probleme wie eine verschlossene Tür, eine zerrissene Notiz, etc. kümmern.
Anne von Vaszary: Ich glaube nicht, dass Adventure früher interaktiver waren. Das ist nur der Eindruck, der durch die Tendenz entsteht, Adventure zunehmend filmischer darzustellen. Es wird über Kameraperspektiven nachgedacht, über Inszenierungen, Motion-Capturing und lippensynchrones Sprechen. Das kann natürlich am besten in Cutscenes angewendet werden. In ihrer Perfektion dominieren sie dann den Rest. Diese Fokussierung auf die darstellerische Perfektion ist nur eine technische Spielerei. Meiner Meinung nach hängt es nicht von der perfekten Darstellung menschlicher Mimik ab, ob man mit einer Hauptfigur mitgeht oder nicht, sondern von der Nachvollziehbarkeit ihrer Situation. Es gibt genug Beispiele dafür, dass Menschen in der Lage sind, sich auch in nichtmenschliche Wesen hinein zu fühlen. Trotzdem kann man vom Film auch lernen. Zum Beispiel was die Wirkung von Musikdramaturgie angeht. Ein großes Kompliment an dieser Stelle an Periscope, die schon für 'Black Mirror 2' die Musik gemacht haben, die Jungs haben es einfach drauf. Das allerwichtigste filmische Mittel fehlt aber noch – der Schnitt. Dummerweise ist er nicht eins zu eins auf Games übertragbar. Wir müssen etwas finden, was eine ähnliche dramaturgische Wirkung hat, aber für Games anwendbar ist. Die Suche läuft noch, es bleibt spannend ;) Aber der Film hatte ja auch hundert Jahre Zeit sich zu entwickeln. Was Games angeht, befinden wir uns da ungefähr am Ende der 40er Jahre. D.h. „Dick und Doof“ haben wir zwar schon hinter uns, aber Steven Spielberg liegt noch in den Windeln.
Adventure Corner: Wie wird man eigentlich Autor von Adventures? Worauf kommt es dabei an?
Anne von Vaszary: Ich weiß nicht worauf es da generell ankommt, ich kann nur sagen, dass meine Neugier auf neue Erzählformen mich dahin gebracht haben. Und ich mag die epische Breite. Es gilt zwanzig Stunden Spielzeit zu füllen. Da muss man was zu erzählen haben.
Adventure Corner: Was sind für Dich die Punkte, die eine gute Geschichte für ein Adventure ausmachen?
Anne von Vaszary: Wenn ich mich für viele Stunden auf eine Geschichte einlasse, sollte sie mich irgendwohin führen, wo ich noch nicht war. Bei meiner Veranlagung am liebsten irgendwohin wo es dunkel ist ;) Mit Jahrhunderte alter Vorgeschichte und impulsiven und zweifelnden Charakteren.
Adventure Corner: Kannst Du unseren Lesern, die vielleicht auch ein Adventure entwickeln wollen, ein paar Tipps geben?
Anne von Vaszary: Auf jeden Fall sollte man wissen wo man am Ende hin will und was die Figur dazu motiviert dahin zu wollen. Wenn das glaubhaft ist, überzeugt es auch den Spieler. Nicht unwichtig sind die Nebenfiguren. Sie können mit eigenen Geschichten und Nebenplots für ein größeres und komplexeres Spielvergnügen sorgen.
Adventure Corner: Neben einigen Spielen hast Du ja auch für Film und Fernsehen gearbeitet. Wo ist der Unterschied, wenn man eine Geschichte für ein Spiel anstatt für einen Film schreibt?
Anne von Vaszary: In einem Film habe ich 90 Minuten Zeit eine Geschichte zu erzählen, da ist genau festgelegt, wann ein Plot Point kommen sollte oder eine Verkennung aufgedeckt wird. Bei einem Adventure habe ich 20 Stunden mit Spielzeit zu füllen, wobei ich nicht weiß, wie der Spieler sich diese Zeit einteilt. Bei der Filmdramaturgie ist Timing alles. Beim Spiel wird die Frage der Zeit aufgeweicht. Spannung ist auf diesen Faktor nur selten aufzubauen, sie muss anders erzeugt werden. (Wenn ich hier von Spiel spreche, meine ich Adventure. Mir ist klar, dass der Zeitfaktor bei einem Ego-Shooter oder anderen Spielen oft Teil des Gamedesigns ist.) Im Spiel dominiert die Spannung, die durch die unmittelbare Bedrohung der Spielfigur erzeugt wird. Da ich selbst die Spielfigur bin, wirken solche Faktoren wie z.B. der berühmte von Hitchcock beschriebene Suspense nicht. („Wenn eine versteckte Bombe unter einem Tisch, an dem mehrere Leute frühstücken, plötzlich explodiert, ist dies ein Schreck und unterhält 20 Sekunden lang; wenn der Zuschauer die Lunte jedoch lange brennen sieht und die Figuren nichts davon ahnen, ist dies Suspense und fesselt fünf oder zehn Minuten lang.“ Aus Truffauts „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“) Alle Unterschiede aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, klar ist: für ein Spiel müssen andere dramaturgische Mittel angewendet werden als für einen Film.
Adventure Corner: Gibt es noch etwas, das Du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Anne von Vaszary: Ja, liebe Leute, ich freue mich euch in Foren zu treffen. Schreibt und kommentiert sooft ihr nur könnt. Ihr dürft euch sicher sein, dass ich es lesen werde. In diesem Sinne – Frohe Weihnachten!
Adventure Corner: Wir danken Dir für das Interview und wünschen Dir ebenfalls frohe Weihnachten und viel Erfolg mit 'Black Mirror 3'.
Anne von Vaszary: Hallo zusammen, ich freue mich, mal so direkt gefragt zu werden. Meistens läuft das immer sehr viel indirekter ab. Ich schreibe was, das wird von jemand anderem umgesetzt, dann kommt es raus und ich schaue mir die Reaktionen an, gehe in Foren, lese Kritiken und versuche aus dem Feedback darauf zu kommen, wie das, was ich mir ursprünglich dabei gedacht habe, bei den Leuten angekommen ist bzw. ob überhaupt. Und um eure Frage zu beantworten: ich habe an der Filmhochschule in Babelsberg Drehbuchschreiben und Dramaturgie studiert und arbeite seit fünf Jahren als freie Drehbuch/TV/Roman/Games-Autorin. Ich bin durch 'Black Mirror 2' zum dritten Teil gekommen. Der war ja nicht 100 prozentig zu Ende erzählt, viele Fragen blieben offen. Und in der Hoffnung, dass ich zusammen mit den Cranberrys auf die Antworten komme, haben wir dann auch den dritten Teil zusammen gemacht.
Adventure Corner: Kannst Du uns schon ein wenig über die Handlung von 'Black Mirror 3' verraten?
Anne von Vaszary: Darren hat mit den Konsequenzen aus dem zweiten Teil zu kämpfen. Er wird für alles verantwortlich gemacht, was passiert ist: der Mord an Miss Valley, der Schlossbrand, in dem Bates, Sally und Lady Eleanor umkamen. Der Inspektor ist Darren nicht gerade wohl gesonnen, nicht nur er, ganz Willow Creek hält Darren für einen Mörder und Brandstifter. Außerdem glaubt ihm niemand, dass er in Wirklichkeit Adrian Gordon ist und nicht Darren Michaels. Die einzige Verwandte von ihm – Lady Victoria - hat den Brand zwar überlebt, aber sie spricht nicht mit ihm, weil sie ihn ebenfalls für den Täter hält und sich wünscht, dass er in Amerika geblieben wäre. Und dann ist da ja noch das Ritual, das Angelina mit Darrens Hilfe am Ende von 'Black Mirror 2' durchgeführt hat. Sie wollte damit Mordred aktivieren - und das ist ihr auch gelungen…
Adventure Corner: Der zweite Teil endete ja mit einem Cliffhanger. War die Fortsetzung von Anfang an geplant? Und wird diese Fortsetzung wieder ein offenes Ende haben?
Anne von Vaszary: Beim zweiten Teil habe ich nur die Story entwickelt (zusammen mit Achim Heidelauf), nicht die Einzelheiten, Rätsel und Dialoge. In meiner Version gab es ein abgeschlossenes Ende. Das war allerdings schon 1,5 Jahre fertig, bevor 'Black Mirror 2' rauskam. Diesmal habe ich zusammen mit Tom Fischer und Michael Holzapfel von den Cranberrys jede Einzelheit und jeden Dialog geschrieben. Die Geschichte mit dem Fluch und den Gordons wird im dritten Teil zu Ende erzählt. Aber das Spiel heißt ja nicht „Der Gordon-Fluch“, sondern „Black Mirror“…
Adventure Corner: Hast Du Dir die Kritik an Black Mirror 2 zu Herzen genommen? Einige Spieler fanden zum Beispiel Darren zu frech. Wie geht man damit um? Er wird ja in 'Black Mirror 3' vermutlich noch der Selbe sein, oder?
Anne von Vaszary: Ich nehme mir Kritik immer zu Herzen, das heißt aber nicht, dass ich Figuren deswegen verbiege. Darren bleibt Darren, natürlich mit den Erfahrungen, die er im zweiten Teil gemacht hat und vielleicht haben die ihn ja ein wenig verändert ;) Darren ist als Figur sehr impulsiv und zweifelnd angelegt, sonst hätte die Geschichte im zweiten Teil nicht funktioniert. Es musste glaubhaft sein, dass er Angelina hinterher reist, dass er sich einlässt auf sie und ihre Geschichte und dass er trotzdem nicht naiv wirkt, sondern jemand ist, der Dinge hinterfragt und seinen eigenen Kopf hat. Ein recht widersprüchlicher Charakter, der sich von seinen Gefühlen leiten lässt, ihnen aber gleichzeitig misstraut, aus reinem Selbstschutz.
Adventure Corner: Welchen Stellenwert hat der Spieler im Gamedesign und der Dramaturgie? Wie schaffst Du es, dass sich der Spieler mehr involviert fühlt?
Anne von Vaszary: Der Stellenwert des Spielers im Gamedesign ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Auf diesem Gebiet des Storytellings stehen wir noch ganz am Anfang. Da bin ich selbst grad am Experimentieren (www.gamecast-tv.com ;) ) Aber wir haben es bei 'Black Mirror 3' mit einem klassischen Adventure zu tun und da ist die Storylastigkeit wesentlich höher als bei anderen Genres. Der Spieler agiert ja in der Rolle einer Figur innerhalb einer Geschichte, die bereits geschrieben wurde. Was ihm das Spiel bietet, ist, dass er sich das Erzählen der Geschichte selbst erspielt. Es ist nicht die Geschichte, die er nach seinen Wünschen kreiert. Sondern das Erleben der Geschichte. Und zwar als Darren. Von der Kunst das Interesse zu wecken und der Bereitschaft sich darauf einzulassen hängt der Grad des Involviertseins ab und nicht etwa von dem Gefühl Einfluss auf die Handlung zu nehmen, denn das würde ja bedeuten, dass eine Entscheidungsfreiheit besteht, die wiederum Alternativen in Entscheidungssituationen bietet. Das ist nur eine Illusion, die in der Adventuredramaturgie bestenfalls durch eine überzeugende Charaktermotivation geschaffen wird.
Adventure Corner: Was hat Dir beim Schreiben der Geschichte zur Fortsetzung von 'Black Mirror' am meisten gefallen? Was war am schwierigsten umzusetzen?
Anne von Vaszary: Am meisten hat es Spaß gemacht sich die Vorgeschichte auszudenken: Mordred und Marcus Gordon, der Streit zwischen den beiden Brüdern, wie es zum Fluch gekommen ist, welche Legenden sich darum ranken… Mit Tom Fischer und Michael Holzapfel zusammen zu sitzen und die Köpfe rauchen zu lassen, um eine Vorgeschichte zu finden, die 'Black Mirror 1' mit 'Black Mirror 3' verbindet - das war schon klasse. Gleichzeitig war es aber auch schwierig dieses ganze Wissen um die Zusammenhänge rüber zu bringen. 800 Jahre alte Rückblenden wird es nicht geben. Das heißt, das muss alles in Dialogen transportiert werden. Da wird so manche Maus rauchen ;) Aber ich hoffe darauf, dass die Spieler genauso an der Geschichte des Fluchs interessiert sind wie ich.
Adventure Corner: Die 'Black Mirror'-Spiele erzählen eine eher düstere und ernste Geschichte. Ist das auch Deine persönliche Vorliebe oder schreibst du lieber lustige und freundliche Geschichten?
Anne von Vaszary: Freundliche Geschichten? Gibt es sowas? Höchstens in Watte gepackte Konflikte. Aber nein, ich interessiere mich tatsächlich mehr für die in schmutzige Mullbinden Gewickelten.
Adventure Corner: Du hast ja bereits an einigen Adventures mitgearbeitet. Was gefällt Dir ganz persönlich an dem Genre?
Anne von Vaszary: Das Aufspüren und Zusammensetzen einer Geschichte. Das ruhige Tempo. Die Tiefe und epische Breite, die möglich ist. Das Eintauchen in eine unheimliche und fremde Atmosphäre.
Adventure Corner: Was ist für Dich am Wichtigsten, wenn Du ein Adventure spielst? Achtest Du da besonders auf die Geschichten oder Charaktere?
Anne von Vaszary: Ich bin ein Dramaturgiejunkie. Charaktere sind für mich dazu da ihre Handlungen glaubhaft zu motivieren, um mich tiefer und tiefer in die Abgründe zu führen. Mein Lieblingsadventure ist 'Overclocked', von House of Tales. Es ist einfach klasse, wie die Storyfragmente nach und nach die ganze Vorgeschichte entfalten. Solche dramaturgischen Raffinessen liebe ich. Deshalb freue mich schon auf das Horror Survival Game 'Night of Joeanne' von den Düsseldorfer Sluggerflys.
Adventure Corner: Was hältst Du von der Tendenz, dass Adventures immer weniger interaktiv werden? Der Spieler klickt sich durch vorgegebene Dialoge (die dadurch eigentlich auch automatisch ablaufen könnten), bekommt die Story in Filmchen erzählt und darf sich nur noch um solche Probleme wie eine verschlossene Tür, eine zerrissene Notiz, etc. kümmern.
Anne von Vaszary: Ich glaube nicht, dass Adventure früher interaktiver waren. Das ist nur der Eindruck, der durch die Tendenz entsteht, Adventure zunehmend filmischer darzustellen. Es wird über Kameraperspektiven nachgedacht, über Inszenierungen, Motion-Capturing und lippensynchrones Sprechen. Das kann natürlich am besten in Cutscenes angewendet werden. In ihrer Perfektion dominieren sie dann den Rest. Diese Fokussierung auf die darstellerische Perfektion ist nur eine technische Spielerei. Meiner Meinung nach hängt es nicht von der perfekten Darstellung menschlicher Mimik ab, ob man mit einer Hauptfigur mitgeht oder nicht, sondern von der Nachvollziehbarkeit ihrer Situation. Es gibt genug Beispiele dafür, dass Menschen in der Lage sind, sich auch in nichtmenschliche Wesen hinein zu fühlen. Trotzdem kann man vom Film auch lernen. Zum Beispiel was die Wirkung von Musikdramaturgie angeht. Ein großes Kompliment an dieser Stelle an Periscope, die schon für 'Black Mirror 2' die Musik gemacht haben, die Jungs haben es einfach drauf. Das allerwichtigste filmische Mittel fehlt aber noch – der Schnitt. Dummerweise ist er nicht eins zu eins auf Games übertragbar. Wir müssen etwas finden, was eine ähnliche dramaturgische Wirkung hat, aber für Games anwendbar ist. Die Suche läuft noch, es bleibt spannend ;) Aber der Film hatte ja auch hundert Jahre Zeit sich zu entwickeln. Was Games angeht, befinden wir uns da ungefähr am Ende der 40er Jahre. D.h. „Dick und Doof“ haben wir zwar schon hinter uns, aber Steven Spielberg liegt noch in den Windeln.
Adventure Corner: Wie wird man eigentlich Autor von Adventures? Worauf kommt es dabei an?
Anne von Vaszary: Ich weiß nicht worauf es da generell ankommt, ich kann nur sagen, dass meine Neugier auf neue Erzählformen mich dahin gebracht haben. Und ich mag die epische Breite. Es gilt zwanzig Stunden Spielzeit zu füllen. Da muss man was zu erzählen haben.
Adventure Corner: Was sind für Dich die Punkte, die eine gute Geschichte für ein Adventure ausmachen?
Anne von Vaszary: Wenn ich mich für viele Stunden auf eine Geschichte einlasse, sollte sie mich irgendwohin führen, wo ich noch nicht war. Bei meiner Veranlagung am liebsten irgendwohin wo es dunkel ist ;) Mit Jahrhunderte alter Vorgeschichte und impulsiven und zweifelnden Charakteren.
Adventure Corner: Kannst Du unseren Lesern, die vielleicht auch ein Adventure entwickeln wollen, ein paar Tipps geben?
Anne von Vaszary: Auf jeden Fall sollte man wissen wo man am Ende hin will und was die Figur dazu motiviert dahin zu wollen. Wenn das glaubhaft ist, überzeugt es auch den Spieler. Nicht unwichtig sind die Nebenfiguren. Sie können mit eigenen Geschichten und Nebenplots für ein größeres und komplexeres Spielvergnügen sorgen.
Adventure Corner: Neben einigen Spielen hast Du ja auch für Film und Fernsehen gearbeitet. Wo ist der Unterschied, wenn man eine Geschichte für ein Spiel anstatt für einen Film schreibt?
Anne von Vaszary: In einem Film habe ich 90 Minuten Zeit eine Geschichte zu erzählen, da ist genau festgelegt, wann ein Plot Point kommen sollte oder eine Verkennung aufgedeckt wird. Bei einem Adventure habe ich 20 Stunden mit Spielzeit zu füllen, wobei ich nicht weiß, wie der Spieler sich diese Zeit einteilt. Bei der Filmdramaturgie ist Timing alles. Beim Spiel wird die Frage der Zeit aufgeweicht. Spannung ist auf diesen Faktor nur selten aufzubauen, sie muss anders erzeugt werden. (Wenn ich hier von Spiel spreche, meine ich Adventure. Mir ist klar, dass der Zeitfaktor bei einem Ego-Shooter oder anderen Spielen oft Teil des Gamedesigns ist.) Im Spiel dominiert die Spannung, die durch die unmittelbare Bedrohung der Spielfigur erzeugt wird. Da ich selbst die Spielfigur bin, wirken solche Faktoren wie z.B. der berühmte von Hitchcock beschriebene Suspense nicht. („Wenn eine versteckte Bombe unter einem Tisch, an dem mehrere Leute frühstücken, plötzlich explodiert, ist dies ein Schreck und unterhält 20 Sekunden lang; wenn der Zuschauer die Lunte jedoch lange brennen sieht und die Figuren nichts davon ahnen, ist dies Suspense und fesselt fünf oder zehn Minuten lang.“ Aus Truffauts „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“) Alle Unterschiede aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, klar ist: für ein Spiel müssen andere dramaturgische Mittel angewendet werden als für einen Film.
Adventure Corner: Gibt es noch etwas, das Du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Anne von Vaszary: Ja, liebe Leute, ich freue mich euch in Foren zu treffen. Schreibt und kommentiert sooft ihr nur könnt. Ihr dürft euch sicher sein, dass ich es lesen werde. In diesem Sinne – Frohe Weihnachten!
Adventure Corner: Wir danken Dir für das Interview und wünschen Dir ebenfalls frohe Weihnachten und viel Erfolg mit 'Black Mirror 3'.
-
Black Mirror 3
- Entwickler
- Cranberry Productions
- Publisher
- dtp - digital tainment pool
- Release
- 4. Februar 2011
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award • Adventure des Jahres • Der beste Soundtrack des Jahres • Die beste Geschichte des Jahres • Die beste Grafik des Jahres • Die besten Rätsel des Jahres
- Spielzeit
- 15 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.blackmirror-game.de/
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- Black Mirror 3 im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
- Black Mirror 3 bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
- Schlagwort: Interviews
1 Kommentar
Die epische Breite kann auch langweilen.
Immerzu nur düster, grau, schwarz gibt ne negative Stimmung und ist auf die Dauer nicht zu empfehlen. Psychoterror?
Sagen Sie mal, hatten Sie eine schlimme Kindheit? Verarbeiten Sie hier ein Trauma, das sich nun jeder antun muss?
Schade!
Ich denke, Sie haben mehr drauf. Starten Sie endlich durch!
Vaszary